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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
nicht in ihrem wahren Verhältnisse klar gedacht hat. Ich
will es versuchen, Dasjenige zusammen zu stellen, was
ich über die allgemeine Natur der Schenkung in den neue-
ren Gesetzgebungen gefunden habe.

Das Preußische Gesetz fordert im Allgemeinen zu je-
der Schenkung Acceptation (§ 1058). Damit scheint also
ausgeschlossen die einseitige Schenkung, die nach Römi-
schem Recht Jeder dadurch vollziehen kann, daß er für
einen Schuldner ohne dessen Willen baar zahlt, oder ex-
promittirt. Diese Ausschließung scheint auch nicht aus ei-
nem blos unvorsichtig gefaßten Ausdruck hervorzugehen;
denn in anderen Stellen wird ausdrücklich gesagt, daß die
hier erwähnten Handlungen stets eine Regreßklage (aus
Mandat oder negotiorum gestio) zur Folge haben (f). Da-
bey wird also entweder vorausgesetzt, es sey unmöglich
daß diese Handlungen in der Absicht zu schenken vorge-
nommen würden, oder es soll dieser Absicht, so lange sie
nicht in einen Vertrag übergeht, jede rechtliche Folge ver-
sagt werden. -- Das Römische Recht nimmt an, daß die
unterlassene Erwerbung eines Rechts, weil sie keine Ver-
äußerung ist, auch keine Schenkung enthalte (s. o. § 145).
Das Preußische Gesetz enthält in der Lehre von der Schen-
kung denselben Satz, obgleich anderwärts das Gegentheil
gesagt zu seyn scheint (g).


(f) A. L. R. I. 14 § 406, I. 16
§ 45.
(g) A. L. R. I. 11 § 1039. "Bloße
Verzichtleistungen auf ein zwar
angefallenes, aber noch
nicht wirklich übernomme-
nes
... Recht sind nach den Re-
geln von Schenkungen nicht zu

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
nicht in ihrem wahren Verhältniſſe klar gedacht hat. Ich
will es verſuchen, Dasjenige zuſammen zu ſtellen, was
ich über die allgemeine Natur der Schenkung in den neue-
ren Geſetzgebungen gefunden habe.

Das Preußiſche Geſetz fordert im Allgemeinen zu je-
der Schenkung Acceptation (§ 1058). Damit ſcheint alſo
ausgeſchloſſen die einſeitige Schenkung, die nach Römi-
ſchem Recht Jeder dadurch vollziehen kann, daß er für
einen Schuldner ohne deſſen Willen baar zahlt, oder ex-
promittirt. Dieſe Ausſchließung ſcheint auch nicht aus ei-
nem blos unvorſichtig gefaßten Ausdruck hervorzugehen;
denn in anderen Stellen wird ausdrücklich geſagt, daß die
hier erwähnten Handlungen ſtets eine Regreßklage (aus
Mandat oder negotiorum gestio) zur Folge haben (f). Da-
bey wird alſo entweder vorausgeſetzt, es ſey unmöglich
daß dieſe Handlungen in der Abſicht zu ſchenken vorge-
nommen würden, oder es ſoll dieſer Abſicht, ſo lange ſie
nicht in einen Vertrag übergeht, jede rechtliche Folge ver-
ſagt werden. — Das Römiſche Recht nimmt an, daß die
unterlaſſene Erwerbung eines Rechts, weil ſie keine Ver-
äußerung iſt, auch keine Schenkung enthalte (ſ. o. § 145).
Das Preußiſche Geſetz enthält in der Lehre von der Schen-
kung denſelben Satz, obgleich anderwärts das Gegentheil
geſagt zu ſeyn ſcheint (g).


(f) A. L. R. I. 14 § 406, I. 16
§ 45.
(g) A. L. R. I. 11 § 1039. „Bloße
Verzichtleiſtungen auf ein zwar
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nes
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[294/0308] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. nicht in ihrem wahren Verhältniſſe klar gedacht hat. Ich will es verſuchen, Dasjenige zuſammen zu ſtellen, was ich über die allgemeine Natur der Schenkung in den neue- ren Geſetzgebungen gefunden habe. Das Preußiſche Geſetz fordert im Allgemeinen zu je- der Schenkung Acceptation (§ 1058). Damit ſcheint alſo ausgeſchloſſen die einſeitige Schenkung, die nach Römi- ſchem Recht Jeder dadurch vollziehen kann, daß er für einen Schuldner ohne deſſen Willen baar zahlt, oder ex- promittirt. Dieſe Ausſchließung ſcheint auch nicht aus ei- nem blos unvorſichtig gefaßten Ausdruck hervorzugehen; denn in anderen Stellen wird ausdrücklich geſagt, daß die hier erwähnten Handlungen ſtets eine Regreßklage (aus Mandat oder negotiorum gestio) zur Folge haben (f). Da- bey wird alſo entweder vorausgeſetzt, es ſey unmöglich daß dieſe Handlungen in der Abſicht zu ſchenken vorge- nommen würden, oder es ſoll dieſer Abſicht, ſo lange ſie nicht in einen Vertrag übergeht, jede rechtliche Folge ver- ſagt werden. — Das Römiſche Recht nimmt an, daß die unterlaſſene Erwerbung eines Rechts, weil ſie keine Ver- äußerung iſt, auch keine Schenkung enthalte (ſ. o. § 145). Das Preußiſche Geſetz enthält in der Lehre von der Schen- kung denſelben Satz, obgleich anderwärts das Gegentheil geſagt zu ſeyn ſcheint (g). (f) A. L. R. I. 14 § 406, I. 16 § 45. (g) A. L. R. I. 11 § 1039. „Bloße Verzichtleiſtungen auf ein zwar angefallenes, aber noch nicht wirklich übernomme- nes … Recht ſind nach den Re- geln von Schenkungen nicht zu

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/308>, abgerufen am 22.11.2024.