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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 176. Schenkung. Neuere Gesetzgebungen.

Das Österreichische Gesetz kennt keine andere Schen-
kung, als die aus Vertrag oder Tradition hervorgeht
(§ 943). Der Zweifel wegen einseitiger Handlungen zum
Zweck fremder Bereicherung hat hier weniger Raum, in-
dem es gar nicht zugelassen ist, fremde Schulden ohne
Einwilligung des Schuldners zu zahlen (§ 1423). -- Der
ausgeschlagene Erwerb eines Rechts soll nicht als Schen-
kung gelten (§ 939).

Das Französische Gesetz fordert zu jeder Schenkung
Acceptation, und verwebt diese sogar mit der nothwendi-
gen Form gültiger Schenkung. Daraus scheint also zu
folgen, daß eine einseitige Schenkung eben so wenig, als im
Preußischen Gesetz, für möglich gehalten werde, obgleich es
hier, wie im R. R. zugelassen wird, für einen Andern, ohne
dessen Wissen, Schulden zu zahlen oder durch Expromis-
sion zu tilgen (art. 1236. 1274). -- Viel weiter, als der

beurtheilen." -- Dagegen sagt
I. 16 § 393: "Eine .. Entsagung
eines bereits erworbenen,
ingleichen eines zwar künfti-
gen
aber doch so beschaffenen
Rechts, daß der Anfall desselben
dem Entsagenden gewiß war, ist
einer Schenkung gleich zu ach-
ten." Ich würde der ersten Stelle
den Vorzug geben, theils weil sie
dem Wesen der Schenkung mehr
entspricht, theils weil sie im Ab-
schnitt von Schenkungen steht, bey
dessen Ausarbeitung diese Lehre
wohl mehr in ihrem wahren Zu-
sammenhang durchdacht wurde.
Man hat den Widerspruch da-
durch zu entfernen gesucht, daß
man die erste Stelle (mit Recht)
von angefallenen und ausgeschla-
genen Erbschaften verstanden hat,
die zweyte von dem Verzicht auf
eine obligatio ex die (Schrö-
ter
System des allg. Landrechts
B. 1 S. 43). Allein eine obli-
gatio ex die
kann man unmög-
lich ein künftiges Recht nennen,
und einem bereits erworbenen ent-
gegen setzen, da es schon vollstän-
dig erworben, und nur in der
Ausübung beschränkt ist.
§. 176. Schenkung. Neuere Geſetzgebungen.

Das Öſterreichiſche Geſetz kennt keine andere Schen-
kung, als die aus Vertrag oder Tradition hervorgeht
(§ 943). Der Zweifel wegen einſeitiger Handlungen zum
Zweck fremder Bereicherung hat hier weniger Raum, in-
dem es gar nicht zugelaſſen iſt, fremde Schulden ohne
Einwilligung des Schuldners zu zahlen (§ 1423). — Der
ausgeſchlagene Erwerb eines Rechts ſoll nicht als Schen-
kung gelten (§ 939).

Das Franzöſiſche Geſetz fordert zu jeder Schenkung
Acceptation, und verwebt dieſe ſogar mit der nothwendi-
gen Form gültiger Schenkung. Daraus ſcheint alſo zu
folgen, daß eine einſeitige Schenkung eben ſo wenig, als im
Preußiſchen Geſetz, für möglich gehalten werde, obgleich es
hier, wie im R. R. zugelaſſen wird, für einen Andern, ohne
deſſen Wiſſen, Schulden zu zahlen oder durch Expromiſ-
ſion zu tilgen (art. 1236. 1274). — Viel weiter, als der

beurtheilen.“ — Dagegen ſagt
I. 16 § 393: „Eine .. Entſagung
eines bereits erworbenen,
ingleichen eines zwar künfti-
gen
aber doch ſo beſchaffenen
Rechts, daß der Anfall deſſelben
dem Entſagenden gewiß war, iſt
einer Schenkung gleich zu ach-
ten.“ Ich würde der erſten Stelle
den Vorzug geben, theils weil ſie
dem Weſen der Schenkung mehr
entſpricht, theils weil ſie im Ab-
ſchnitt von Schenkungen ſteht, bey
deſſen Ausarbeitung dieſe Lehre
wohl mehr in ihrem wahren Zu-
ſammenhang durchdacht wurde.
Man hat den Widerſpruch da-
durch zu entfernen geſucht, daß
man die erſte Stelle (mit Recht)
von angefallenen und ausgeſchla-
genen Erbſchaften verſtanden hat,
die zweyte von dem Verzicht auf
eine obligatio ex die (Schrö-
ter
Syſtem des allg. Landrechts
B. 1 S. 43). Allein eine obli-
gatio ex die
kann man unmög-
lich ein künftiges Recht nennen,
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[295/0309] §. 176. Schenkung. Neuere Geſetzgebungen. Das Öſterreichiſche Geſetz kennt keine andere Schen- kung, als die aus Vertrag oder Tradition hervorgeht (§ 943). Der Zweifel wegen einſeitiger Handlungen zum Zweck fremder Bereicherung hat hier weniger Raum, in- dem es gar nicht zugelaſſen iſt, fremde Schulden ohne Einwilligung des Schuldners zu zahlen (§ 1423). — Der ausgeſchlagene Erwerb eines Rechts ſoll nicht als Schen- kung gelten (§ 939). Das Franzöſiſche Geſetz fordert zu jeder Schenkung Acceptation, und verwebt dieſe ſogar mit der nothwendi- gen Form gültiger Schenkung. Daraus ſcheint alſo zu folgen, daß eine einſeitige Schenkung eben ſo wenig, als im Preußiſchen Geſetz, für möglich gehalten werde, obgleich es hier, wie im R. R. zugelaſſen wird, für einen Andern, ohne deſſen Wiſſen, Schulden zu zahlen oder durch Expromiſ- ſion zu tilgen (art. 1236. 1274). — Viel weiter, als der (g) (g) beurtheilen.“ — Dagegen ſagt I. 16 § 393: „Eine .. Entſagung eines bereits erworbenen, ingleichen eines zwar künfti- gen aber doch ſo beſchaffenen Rechts, daß der Anfall deſſelben dem Entſagenden gewiß war, iſt einer Schenkung gleich zu ach- ten.“ Ich würde der erſten Stelle den Vorzug geben, theils weil ſie dem Weſen der Schenkung mehr entſpricht, theils weil ſie im Ab- ſchnitt von Schenkungen ſteht, bey deſſen Ausarbeitung dieſe Lehre wohl mehr in ihrem wahren Zu- ſammenhang durchdacht wurde. Man hat den Widerſpruch da- durch zu entfernen geſucht, daß man die erſte Stelle (mit Recht) von angefallenen und ausgeſchla- genen Erbſchaften verſtanden hat, die zweyte von dem Verzicht auf eine obligatio ex die (Schrö- ter Syſtem des allg. Landrechts B. 1 S. 43). Allein eine obli- gatio ex die kann man unmög- lich ein künftiges Recht nennen, und einem bereits erworbenen ent- gegen ſetzen, da es ſchon vollſtän- dig erworben, und nur in der Ausübung beſchränkt iſt.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/309>, abgerufen am 22.11.2024.