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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 176. Schenkung. Neuere Gesetzgebungen.
sogar in diesem einzigen Fall die Schenkung de plein droit
nichtig werden, ohne daß es dazu eines Widerrufs bedarf
(art. 960). Dieses letzte jedoch mit einer sehr natürlichen
Ausnahme; wenn nämlich unter kinderlosen Ehegatten eine
Schenkung vorgenommen wird, und nachher aus derselben
Ehe Kinder geboren werden, so wird dadurch die Schen-
kung nicht von selbst nichtig; jedoch bleibt das allgemeine
Widerrufsrecht der Ehegatten vorbehalten (art. 1096).

Endlich hat das Französische Gesetz allein aus dem
Römischen Recht den Widerruf wegen verweigerter Er-
füllung der bey der Schenkung auferlegten Verpflichtungen
aufgenommen (art. 954). Diese Aufnahme ist den beiden
anderen Gesetzen fremd.



In diesen positiven Bestimmungen also findet sich zwi-
schen dem Römischen Recht und den neueren Gesetzen theils
Übereinstimmung, theils Verschiedenheit. Dagegen enthal-
ten diese nur sehr Weniges von den sorgfältigen Bestim-
mungen, die das Römische Recht theils über den Begriff
der Schenkung, theils über ihre Erscheinung in einzelnen
Rechtsgeschäften, giebt. Hierin also möchten sie wohl aus
dem Römischen Recht ergänzt werden können; jedoch nur
insofern nicht eine einzelne Bestimmung derselben mit einer
solchen Ergänzung im Widerspruch stehen würde. Auch
solche Fälle kommen vor; nicht sowohl, weil die neueren
Gesetzgeber eine Abweichung vom Römischen Recht räth-
lich gefunden hätten, als weil man sich diese Verhältnisse

§. 176. Schenkung. Neuere Geſetzgebungen.
ſogar in dieſem einzigen Fall die Schenkung de plein droit
nichtig werden, ohne daß es dazu eines Widerrufs bedarf
(art. 960). Dieſes letzte jedoch mit einer ſehr natürlichen
Ausnahme; wenn nämlich unter kinderloſen Ehegatten eine
Schenkung vorgenommen wird, und nachher aus derſelben
Ehe Kinder geboren werden, ſo wird dadurch die Schen-
kung nicht von ſelbſt nichtig; jedoch bleibt das allgemeine
Widerrufsrecht der Ehegatten vorbehalten (art. 1096).

Endlich hat das Franzöſiſche Geſetz allein aus dem
Römiſchen Recht den Widerruf wegen verweigerter Er-
füllung der bey der Schenkung auferlegten Verpflichtungen
aufgenommen (art. 954). Dieſe Aufnahme iſt den beiden
anderen Geſetzen fremd.



In dieſen poſitiven Beſtimmungen alſo findet ſich zwi-
ſchen dem Römiſchen Recht und den neueren Geſetzen theils
Übereinſtimmung, theils Verſchiedenheit. Dagegen enthal-
ten dieſe nur ſehr Weniges von den ſorgfältigen Beſtim-
mungen, die das Römiſche Recht theils über den Begriff
der Schenkung, theils über ihre Erſcheinung in einzelnen
Rechtsgeſchäften, giebt. Hierin alſo möchten ſie wohl aus
dem Römiſchen Recht ergänzt werden können; jedoch nur
inſofern nicht eine einzelne Beſtimmung derſelben mit einer
ſolchen Ergänzung im Widerſpruch ſtehen würde. Auch
ſolche Fälle kommen vor; nicht ſowohl, weil die neueren
Geſetzgeber eine Abweichung vom Römiſchen Recht räth-
lich gefunden hätten, als weil man ſich dieſe Verhältniſſe

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[293/0307] §. 176. Schenkung. Neuere Geſetzgebungen. ſogar in dieſem einzigen Fall die Schenkung de plein droit nichtig werden, ohne daß es dazu eines Widerrufs bedarf (art. 960). Dieſes letzte jedoch mit einer ſehr natürlichen Ausnahme; wenn nämlich unter kinderloſen Ehegatten eine Schenkung vorgenommen wird, und nachher aus derſelben Ehe Kinder geboren werden, ſo wird dadurch die Schen- kung nicht von ſelbſt nichtig; jedoch bleibt das allgemeine Widerrufsrecht der Ehegatten vorbehalten (art. 1096). Endlich hat das Franzöſiſche Geſetz allein aus dem Römiſchen Recht den Widerruf wegen verweigerter Er- füllung der bey der Schenkung auferlegten Verpflichtungen aufgenommen (art. 954). Dieſe Aufnahme iſt den beiden anderen Geſetzen fremd. In dieſen poſitiven Beſtimmungen alſo findet ſich zwi- ſchen dem Römiſchen Recht und den neueren Geſetzen theils Übereinſtimmung, theils Verſchiedenheit. Dagegen enthal- ten dieſe nur ſehr Weniges von den ſorgfältigen Beſtim- mungen, die das Römiſche Recht theils über den Begriff der Schenkung, theils über ihre Erſcheinung in einzelnen Rechtsgeſchäften, giebt. Hierin alſo möchten ſie wohl aus dem Römiſchen Recht ergänzt werden können; jedoch nur inſofern nicht eine einzelne Beſtimmung derſelben mit einer ſolchen Ergänzung im Widerſpruch ſtehen würde. Auch ſolche Fälle kommen vor; nicht ſowohl, weil die neueren Geſetzgeber eine Abweichung vom Römiſchen Recht räth- lich gefunden hätten, als weil man ſich dieſe Verhältniſſe

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/307>, abgerufen am 22.11.2024.