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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
einen solchen Grund anerkannt, obwohl sie die Natur die-
ses Undanks etwas verschieden bestimmen. -- Das Öster-
reichische Gesetz beschränkt diesen Widerruf durch eine drey-
jährige Verjährung, läßt ihn aber (innerhalb dieses Zeit-
raums) unter den Erben beider Theile gelten (§ 948. 949.
1487). -- Das Preußische gestattet ihn nur ausnahmsweise
den Erben des Gebers, beschränkt ihn aber durch keine be-
sondere Verjährung (§ 1151 -- 1161). -- Das Französische
Gesetz beschränkt ihn durch einjährige Verjährung, und
läßt ihn auch, von beiden Seiten, auf die Erben nicht
übergehen (art. 955. 957).

Ein neuer Grund des (partiellen) Widerrufs liegt in
der späteren Verarmung des Gebers. In diesem Fall kann
er Zinsen des geschenkten Geldwerths fordern: nach dem
Preußischen Gesetz Sechs Procente (§ 1123), nach dem
Österreichischen gesetzliche Zinsen (§ 947), das heißt Vier
Procente (§ 995). Das Französische Gesetz kennt diesen
Grund des Widerrufs nicht.

Wenn der Geber zur Zeit der Schenkung kinderlos
war, und nachher Kinder bekommt, kann er nach dem
Preußischen Gesetz diejenige Schenkung widerrufen, welche
durch bloßes Versprechen, nicht durch Tradition, bewirkt
war (§ 1140 -- 1150). -- Das Österreichische Gesetz nimmt
diesen Widerruf nicht an; nur wenn noch Verarmung hin-
zutritt, soll das Recht der gesetzlichen Zinsen auch auf die
Erben übergehen (§ 954). -- Das Französische Gesetz ge-
stattet nicht blos unbedingten Widerruf, sondern es läßt

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
einen ſolchen Grund anerkannt, obwohl ſie die Natur die-
ſes Undanks etwas verſchieden beſtimmen. — Das Öſter-
reichiſche Geſetz beſchränkt dieſen Widerruf durch eine drey-
jährige Verjährung, läßt ihn aber (innerhalb dieſes Zeit-
raums) unter den Erben beider Theile gelten (§ 948. 949.
1487). — Das Preußiſche geſtattet ihn nur ausnahmsweiſe
den Erben des Gebers, beſchränkt ihn aber durch keine be-
ſondere Verjährung (§ 1151 — 1161). — Das Franzöſiſche
Geſetz beſchränkt ihn durch einjährige Verjährung, und
läßt ihn auch, von beiden Seiten, auf die Erben nicht
übergehen (art. 955. 957).

Ein neuer Grund des (partiellen) Widerrufs liegt in
der ſpäteren Verarmung des Gebers. In dieſem Fall kann
er Zinſen des geſchenkten Geldwerths fordern: nach dem
Preußiſchen Geſetz Sechs Procente (§ 1123), nach dem
Öſterreichiſchen geſetzliche Zinſen (§ 947), das heißt Vier
Procente (§ 995). Das Franzöſiſche Geſetz kennt dieſen
Grund des Widerrufs nicht.

Wenn der Geber zur Zeit der Schenkung kinderlos
war, und nachher Kinder bekommt, kann er nach dem
Preußiſchen Geſetz diejenige Schenkung widerrufen, welche
durch bloßes Verſprechen, nicht durch Tradition, bewirkt
war (§ 1140 — 1150). — Das Öſterreichiſche Geſetz nimmt
dieſen Widerruf nicht an; nur wenn noch Verarmung hin-
zutritt, ſoll das Recht der geſetzlichen Zinſen auch auf die
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ſtattet nicht blos unbedingten Widerruf, ſondern es läßt

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[292/0306] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. einen ſolchen Grund anerkannt, obwohl ſie die Natur die- ſes Undanks etwas verſchieden beſtimmen. — Das Öſter- reichiſche Geſetz beſchränkt dieſen Widerruf durch eine drey- jährige Verjährung, läßt ihn aber (innerhalb dieſes Zeit- raums) unter den Erben beider Theile gelten (§ 948. 949. 1487). — Das Preußiſche geſtattet ihn nur ausnahmsweiſe den Erben des Gebers, beſchränkt ihn aber durch keine be- ſondere Verjährung (§ 1151 — 1161). — Das Franzöſiſche Geſetz beſchränkt ihn durch einjährige Verjährung, und läßt ihn auch, von beiden Seiten, auf die Erben nicht übergehen (art. 955. 957). Ein neuer Grund des (partiellen) Widerrufs liegt in der ſpäteren Verarmung des Gebers. In dieſem Fall kann er Zinſen des geſchenkten Geldwerths fordern: nach dem Preußiſchen Geſetz Sechs Procente (§ 1123), nach dem Öſterreichiſchen geſetzliche Zinſen (§ 947), das heißt Vier Procente (§ 995). Das Franzöſiſche Geſetz kennt dieſen Grund des Widerrufs nicht. Wenn der Geber zur Zeit der Schenkung kinderlos war, und nachher Kinder bekommt, kann er nach dem Preußiſchen Geſetz diejenige Schenkung widerrufen, welche durch bloßes Verſprechen, nicht durch Tradition, bewirkt war (§ 1140 — 1150). — Das Öſterreichiſche Geſetz nimmt dieſen Widerruf nicht an; nur wenn noch Verarmung hin- zutritt, ſoll das Recht der geſetzlichen Zinſen auch auf die Erben übergehen (§ 954). — Das Franzöſiſche Geſetz ge- ſtattet nicht blos unbedingten Widerruf, ſondern es läßt

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/306>, abgerufen am 22.11.2024.