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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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§. 176. Schenkung. Neuere Gesetzgebungen.
kung ist nur die Einschränkung gemacht, daß sie nicht auf
das künftige Vermögen gerichtet seyn darf (art. 943) (d).
-- Wenn nun aber die erwähnten Formen beobachtet wer-
den, so ist dadurch Alles, was nöthig ist, geschehen; Tra-
dition wird nicht erfordert, und es geht auch ohne sie das
Eigenthum der vor dem Notar verschenkten Sache unmit-
telbar über (art. 938).

Das Preußische Gesetz hat unter allen die strengsten
Formen. Jede Schenkung kann gerichtlich vorgenommen
werden; dann ist auch das bloße Versprechen klagbar
(§ 1063. 1064. 1069). Außerdem ist die Tradition nöthig,
und bey Grundstücken auch noch eine schriftliche Urkunde;
dennoch kann eine solche außergerichtliche Schenkung bin-
nen Sechs Monaten ganz willkührlich widerrufen werden
(§ 1065 -- 1068. 1090). Unabhängig von diesen Formen
kann selbst die gerichtliche Schenkung drey Jahre lang wi-
derrufen werden, wenn sie mehr als die Hälfte des Ver-
mögens zum Gegenstand hat (§ 1091 fg.).

III. Der Widerruf aus besonderen Gründen hat sich
auf folgende Weise gestaltet (e).

Grobe Undankbarkeit haben alle drey Gesetzbücher als

(d) Auch dieses nicht eigentlich
wegen des gefährlichen Übermaa-
ßes, sondern als eine Folge der
Regel des art. 944, welche Schen-
kungen für ungültig erklärt, wenn
ihre Bedingungen ganz in der
Willkühr des Gebers stehen; von
dieser Willkühr aber hängt es ab,
künftiges Vermögen gar nicht zu
erwerben. Toullier T. 5 § 223.
224.
(e) Ich spreche hier absichtlich
nur von dem Widerrufsrecht des
Gebers selbst, nicht von dem der
Creditoren und Pflichttheilsberech-
tigten, da diese letzten nur im Zu-
sammenhang anderer Rechtsinsti-
tute verstanden werden können.
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§. 176. Schenkung. Neuere Geſetzgebungen.
kung iſt nur die Einſchränkung gemacht, daß ſie nicht auf
das künftige Vermögen gerichtet ſeyn darf (art. 943) (d).
— Wenn nun aber die erwähnten Formen beobachtet wer-
den, ſo iſt dadurch Alles, was nöthig iſt, geſchehen; Tra-
dition wird nicht erfordert, und es geht auch ohne ſie das
Eigenthum der vor dem Notar verſchenkten Sache unmit-
telbar über (art. 938).

Das Preußiſche Geſetz hat unter allen die ſtrengſten
Formen. Jede Schenkung kann gerichtlich vorgenommen
werden; dann iſt auch das bloße Verſprechen klagbar
(§ 1063. 1064. 1069). Außerdem iſt die Tradition nöthig,
und bey Grundſtücken auch noch eine ſchriftliche Urkunde;
dennoch kann eine ſolche außergerichtliche Schenkung bin-
nen Sechs Monaten ganz willkührlich widerrufen werden
(§ 1065 — 1068. 1090). Unabhängig von dieſen Formen
kann ſelbſt die gerichtliche Schenkung drey Jahre lang wi-
derrufen werden, wenn ſie mehr als die Hälfte des Ver-
mögens zum Gegenſtand hat (§ 1091 fg.).

III. Der Widerruf aus beſonderen Gründen hat ſich
auf folgende Weiſe geſtaltet (e).

Grobe Undankbarkeit haben alle drey Geſetzbücher als

(d) Auch dieſes nicht eigentlich
wegen des gefährlichen Übermaa-
ßes, ſondern als eine Folge der
Regel des art. 944, welche Schen-
kungen für ungültig erklärt, wenn
ihre Bedingungen ganz in der
Willkühr des Gebers ſtehen; von
dieſer Willkühr aber hängt es ab,
künftiges Vermögen gar nicht zu
erwerben. Toullier T. 5 § 223.
224.
(e) Ich ſpreche hier abſichtlich
nur von dem Widerrufsrecht des
Gebers ſelbſt, nicht von dem der
Creditoren und Pflichttheilsberech-
tigten, da dieſe letzten nur im Zu-
ſammenhang anderer Rechtsinſti-
tute verſtanden werden können.
19*
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[291/0305] §. 176. Schenkung. Neuere Geſetzgebungen. kung iſt nur die Einſchränkung gemacht, daß ſie nicht auf das künftige Vermögen gerichtet ſeyn darf (art. 943) (d). — Wenn nun aber die erwähnten Formen beobachtet wer- den, ſo iſt dadurch Alles, was nöthig iſt, geſchehen; Tra- dition wird nicht erfordert, und es geht auch ohne ſie das Eigenthum der vor dem Notar verſchenkten Sache unmit- telbar über (art. 938). Das Preußiſche Geſetz hat unter allen die ſtrengſten Formen. Jede Schenkung kann gerichtlich vorgenommen werden; dann iſt auch das bloße Verſprechen klagbar (§ 1063. 1064. 1069). Außerdem iſt die Tradition nöthig, und bey Grundſtücken auch noch eine ſchriftliche Urkunde; dennoch kann eine ſolche außergerichtliche Schenkung bin- nen Sechs Monaten ganz willkührlich widerrufen werden (§ 1065 — 1068. 1090). Unabhängig von dieſen Formen kann ſelbſt die gerichtliche Schenkung drey Jahre lang wi- derrufen werden, wenn ſie mehr als die Hälfte des Ver- mögens zum Gegenſtand hat (§ 1091 fg.). III. Der Widerruf aus beſonderen Gründen hat ſich auf folgende Weiſe geſtaltet (e). Grobe Undankbarkeit haben alle drey Geſetzbücher als (d) Auch dieſes nicht eigentlich wegen des gefährlichen Übermaa- ßes, ſondern als eine Folge der Regel des art. 944, welche Schen- kungen für ungültig erklärt, wenn ihre Bedingungen ganz in der Willkühr des Gebers ſtehen; von dieſer Willkühr aber hängt es ab, künftiges Vermögen gar nicht zu erwerben. Toullier T. 5 § 223. 224. (e) Ich ſpreche hier abſichtlich nur von dem Widerrufsrecht des Gebers ſelbſt, nicht von dem der Creditoren und Pflichttheilsberech- tigten, da dieſe letzten nur im Zu- ſammenhang anderer Rechtsinſti- tute verſtanden werden können. 19*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/305>, abgerufen am 22.05.2024.