Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 165. Schenkung. Einschränkungen. 2. Erschwerende Formen.

Justinian hat die drey hier erwähnten Gesetze in sei-
nen Codex aufgenommen; namentlich also auch das Edict
von Constantin, dieses jedoch mit folgenden merkwürdigen
Änderungen. Bey der Vorschrift der Insinuation steht der
neue Zusatz: ubi hoc leges expostulant, welcher darauf
hindeutet, daß Justinian die Insinuation nur noch bey
Schenkungen von mehr als 500 Solidi fordert. Die Vor-
schrift der Tradition ist ganz weggeblieben, ohne Zweifel
weil anderwärts Justinian verordnet hatte, das bloße,
selbst formlose, Versprechen der Tradition solle eingeklagt
werden können (p). Endlich die Vorschrift der schriftlichen
Urkunde ist zwar geblieben, aber mit folgender merkwür-
digen Änderung. Constantin selbst sagt: tabulae .. scien-
tibus plurimis
perscribantur.
Darin liegt eine Hindeu-
tung auf die Zuziehung von Zeugen, wenn auch keine un-
bedingte Vorschrift derselben. Im Theodosischen Codex
sind die Worte scientibus plurimis beybehalten, im Justi-
nianischen aber weggelassen worden (q). Das Eigenthüm-
liche also, was man aus dieser Verordnung geneigt seyn

(p) L. 35 § 5 C. de don. (8. 54.).
(q) Etwas vorher stehen zwar
auch die Worte: neque id oc-
culte aut privatim,
und diese
sind beybehalten. Darin aber liegt
etwas ganz Anderes als die Vor-
schrift von Zeugen. Man kann
offen, ohne Heimlichkeit verfahren,
z. B. indem Freunde und Ver-
wandte die Schenkung wissen, ohne
daß deshalb bey der Abfassung der
Urkunde Zeugen zugezogen wer-
den. -- Ja selbst die Worte scien-
tibus plurimis
enthalten zwar,
mehr als jene, eine Hindeutung
auf Zeugen, aber doch nicht ge-
radezu eine Vorschrift derselben;
denn Viele können um die Schen-
kung wissen, ohne gerade bey dem
Abschluß des Geschäfts als Zeu-
gen zugezogen zu werden.
§. 165. Schenkung. Einſchränkungen. 2. Erſchwerende Formen.

Juſtinian hat die drey hier erwähnten Geſetze in ſei-
nen Codex aufgenommen; namentlich alſo auch das Edict
von Conſtantin, dieſes jedoch mit folgenden merkwürdigen
Änderungen. Bey der Vorſchrift der Inſinuation ſteht der
neue Zuſatz: ubi hoc leges expostulant, welcher darauf
hindeutet, daß Juſtinian die Inſinuation nur noch bey
Schenkungen von mehr als 500 Solidi fordert. Die Vor-
ſchrift der Tradition iſt ganz weggeblieben, ohne Zweifel
weil anderwärts Juſtinian verordnet hatte, das bloße,
ſelbſt formloſe, Verſprechen der Tradition ſolle eingeklagt
werden können (p). Endlich die Vorſchrift der ſchriftlichen
Urkunde iſt zwar geblieben, aber mit folgender merkwür-
digen Änderung. Conſtantin ſelbſt ſagt: tabulae .. scien-
tibus plurimis
perscribantur.
Darin liegt eine Hindeu-
tung auf die Zuziehung von Zeugen, wenn auch keine un-
bedingte Vorſchrift derſelben. Im Theodoſiſchen Codex
ſind die Worte scientibus plurimis beybehalten, im Juſti-
nianiſchen aber weggelaſſen worden (q). Das Eigenthüm-
liche alſo, was man aus dieſer Verordnung geneigt ſeyn

(p) L. 35 § 5 C. de don. (8. 54.).
(q) Etwas vorher ſtehen zwar
auch die Worte: neque id oc-
culte aut privatim,
und dieſe
ſind beybehalten. Darin aber liegt
etwas ganz Anderes als die Vor-
ſchrift von Zeugen. Man kann
offen, ohne Heimlichkeit verfahren,
z. B. indem Freunde und Ver-
wandte die Schenkung wiſſen, ohne
daß deshalb bey der Abfaſſung der
Urkunde Zeugen zugezogen wer-
den. — Ja ſelbſt die Worte scien-
tibus plurimis
enthalten zwar,
mehr als jene, eine Hindeutung
auf Zeugen, aber doch nicht ge-
radezu eine Vorſchrift derſelben;
denn Viele können um die Schen-
kung wiſſen, ohne gerade bey dem
Abſchluß des Geſchäfts als Zeu-
gen zugezogen zu werden.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0217" n="203"/>
            <fw place="top" type="header">§. 165. Schenkung. Ein&#x017F;chränkungen. 2. Er&#x017F;chwerende Formen.</fw><lb/>
            <p>Ju&#x017F;tinian hat die drey hier erwähnten Ge&#x017F;etze in &#x017F;ei-<lb/>
nen Codex aufgenommen; namentlich al&#x017F;o auch das Edict<lb/>
von Con&#x017F;tantin, die&#x017F;es jedoch mit folgenden merkwürdigen<lb/>
Änderungen. Bey der Vor&#x017F;chrift der In&#x017F;inuation &#x017F;teht der<lb/>
neue Zu&#x017F;atz: <hi rendition="#aq">ubi hoc leges expostulant,</hi> welcher darauf<lb/>
hindeutet, daß Ju&#x017F;tinian die In&#x017F;inuation nur noch bey<lb/>
Schenkungen von mehr als 500 <hi rendition="#aq">Solidi</hi> fordert. Die Vor-<lb/>
&#x017F;chrift der Tradition i&#x017F;t ganz weggeblieben, ohne Zweifel<lb/>
weil anderwärts Ju&#x017F;tinian verordnet hatte, das bloße,<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t formlo&#x017F;e, Ver&#x017F;prechen der Tradition &#x017F;olle eingeklagt<lb/>
werden können <note place="foot" n="(p)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 35 § 5 <hi rendition="#i">C. de don.</hi></hi> (8. 54.).</note>. Endlich die Vor&#x017F;chrift der &#x017F;chriftlichen<lb/>
Urkunde i&#x017F;t zwar geblieben, aber mit folgender merkwür-<lb/>
digen Änderung. Con&#x017F;tantin &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;agt: <hi rendition="#aq">tabulae .. <hi rendition="#i">scien-<lb/>
tibus plurimis</hi> perscribantur.</hi> Darin liegt eine Hindeu-<lb/>
tung auf die Zuziehung von Zeugen, wenn auch keine un-<lb/>
bedingte Vor&#x017F;chrift der&#x017F;elben. Im Theodo&#x017F;i&#x017F;chen Codex<lb/>
&#x017F;ind die Worte <hi rendition="#aq">scientibus plurimis</hi> beybehalten, im Ju&#x017F;ti-<lb/>
niani&#x017F;chen aber weggela&#x017F;&#x017F;en worden <note place="foot" n="(q)">Etwas vorher &#x017F;tehen zwar<lb/>
auch die Worte: <hi rendition="#aq">neque id oc-<lb/>
culte aut privatim,</hi> und die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;ind beybehalten. Darin aber liegt<lb/>
etwas ganz Anderes als die Vor-<lb/>
&#x017F;chrift von Zeugen. Man kann<lb/>
offen, ohne Heimlichkeit verfahren,<lb/>
z. B. indem Freunde und Ver-<lb/>
wandte die Schenkung wi&#x017F;&#x017F;en, ohne<lb/>
daß deshalb bey der Abfa&#x017F;&#x017F;ung der<lb/>
Urkunde Zeugen zugezogen wer-<lb/>
den. &#x2014; Ja &#x017F;elb&#x017F;t die Worte <hi rendition="#aq">scien-<lb/>
tibus plurimis</hi> enthalten zwar,<lb/>
mehr als jene, eine Hindeutung<lb/>
auf Zeugen, aber doch nicht ge-<lb/>
radezu eine Vor&#x017F;chrift der&#x017F;elben;<lb/>
denn Viele können um die Schen-<lb/>
kung wi&#x017F;&#x017F;en, ohne gerade bey dem<lb/>
Ab&#x017F;chluß des Ge&#x017F;chäfts als Zeu-<lb/>
gen zugezogen zu werden.</note>. Das Eigenthüm-<lb/>
liche al&#x017F;o, was man aus die&#x017F;er Verordnung geneigt &#x017F;eyn<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0217] §. 165. Schenkung. Einſchränkungen. 2. Erſchwerende Formen. Juſtinian hat die drey hier erwähnten Geſetze in ſei- nen Codex aufgenommen; namentlich alſo auch das Edict von Conſtantin, dieſes jedoch mit folgenden merkwürdigen Änderungen. Bey der Vorſchrift der Inſinuation ſteht der neue Zuſatz: ubi hoc leges expostulant, welcher darauf hindeutet, daß Juſtinian die Inſinuation nur noch bey Schenkungen von mehr als 500 Solidi fordert. Die Vor- ſchrift der Tradition iſt ganz weggeblieben, ohne Zweifel weil anderwärts Juſtinian verordnet hatte, das bloße, ſelbſt formloſe, Verſprechen der Tradition ſolle eingeklagt werden können (p). Endlich die Vorſchrift der ſchriftlichen Urkunde iſt zwar geblieben, aber mit folgender merkwür- digen Änderung. Conſtantin ſelbſt ſagt: tabulae .. scien- tibus plurimis perscribantur. Darin liegt eine Hindeu- tung auf die Zuziehung von Zeugen, wenn auch keine un- bedingte Vorſchrift derſelben. Im Theodoſiſchen Codex ſind die Worte scientibus plurimis beybehalten, im Juſti- nianiſchen aber weggelaſſen worden (q). Das Eigenthüm- liche alſo, was man aus dieſer Verordnung geneigt ſeyn (p) L. 35 § 5 C. de don. (8. 54.). (q) Etwas vorher ſtehen zwar auch die Worte: neque id oc- culte aut privatim, und dieſe ſind beybehalten. Darin aber liegt etwas ganz Anderes als die Vor- ſchrift von Zeugen. Man kann offen, ohne Heimlichkeit verfahren, z. B. indem Freunde und Ver- wandte die Schenkung wiſſen, ohne daß deshalb bey der Abfaſſung der Urkunde Zeugen zugezogen wer- den. — Ja ſelbſt die Worte scien- tibus plurimis enthalten zwar, mehr als jene, eine Hindeutung auf Zeugen, aber doch nicht ge- radezu eine Vorſchrift derſelben; denn Viele können um die Schen- kung wiſſen, ohne gerade bey dem Abſchluß des Geſchäfts als Zeu- gen zugezogen zu werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/217
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/217>, abgerufen am 25.11.2024.