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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
enthält (§ 155); oder auch allein stehend, wenn nämlich
dem Geber das redliche Bewußtseyn, oder der Titel fehlt,
so daß eine Usucapion überhaupt in dem Empfänger aller-
erst anfängt, und mit ihr zugleich auch die b. f. posses-
sio,
die also in diesem Fall nicht als ein übertragenes
Recht betrachtet werden kann, und auch nicht durch acces-
sio possessionis
unterstützt und erleichtert wird.

Nun entsteht aber die wichtige Frage, ob dieser Fall
auch als eigentliche Schenkung zu betrachten ist, in dem
Sinn daß darauf die Nothwendigkeit der Insinuation, das
Verbot in der Ehe, der Widerruf wegen Undankbarkeit,
anzuwenden sind.

Das würde dann die Folge haben, daß die Schenkung
einer fremden Sache, da wo sie in das Gebiet jener ein-
schränkenden Regeln fiele, auch nicht einmal als Usuca-
pionstitel tauglich wäre. Dieses möchte man nun in der
That anzunehmen aus folgendem Grunde geneigt seyn.
Wenn ein Ehemann seine eigene Sache der Frau schenkt,
so unterbleibt nicht nur der unmittelbare Übergang des
Eigenthums, sondern es tritt auch keine Usucapion als
Aushülfe für jenen Mangel ein; die Frau hat vielmehr
keine civilis possessio (d), das heißt sie kann gar nicht
usucapiren (e). Der Grund liegt darin, daß es der Frau

(d) Savigny Recht des Be-
sitzes § 7.
(e) L. 1 § 2 pro don. (41. 6.).
"Si inter virum et uxorem do-
natio facta sit, cessat usuca-
pio."
Das geht zunächst und am
einfachsten auf den hier angenom-
menen Fall, da der Geber Eigen-
thümer der Sache ist. Selbst im
Fall der Scheidung (heißt es
weiter) fängt keine Usucapion an,
außer "si eam maritus conces-

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
enthält (§ 155); oder auch allein ſtehend, wenn nämlich
dem Geber das redliche Bewußtſeyn, oder der Titel fehlt,
ſo daß eine Uſucapion überhaupt in dem Empfänger aller-
erſt anfängt, und mit ihr zugleich auch die b. f. posses-
sio,
die alſo in dieſem Fall nicht als ein übertragenes
Recht betrachtet werden kann, und auch nicht durch acces-
sio possessionis
unterſtützt und erleichtert wird.

Nun entſteht aber die wichtige Frage, ob dieſer Fall
auch als eigentliche Schenkung zu betrachten iſt, in dem
Sinn daß darauf die Nothwendigkeit der Inſinuation, das
Verbot in der Ehe, der Widerruf wegen Undankbarkeit,
anzuwenden ſind.

Das würde dann die Folge haben, daß die Schenkung
einer fremden Sache, da wo ſie in das Gebiet jener ein-
ſchränkenden Regeln fiele, auch nicht einmal als Uſuca-
pionstitel tauglich wäre. Dieſes möchte man nun in der
That anzunehmen aus folgendem Grunde geneigt ſeyn.
Wenn ein Ehemann ſeine eigene Sache der Frau ſchenkt,
ſo unterbleibt nicht nur der unmittelbare Übergang des
Eigenthums, ſondern es tritt auch keine Uſucapion als
Aushülfe für jenen Mangel ein; die Frau hat vielmehr
keine civilis possessio (d), das heißt ſie kann gar nicht
uſucapiren (e). Der Grund liegt darin, daß es der Frau

(d) Savigny Recht des Be-
ſitzes § 7.
(e) L. 1 § 2 pro don. (41. 6.).
„Si inter virum et uxorem do-
natio facta sit, cessat usuca-
pio.”
Das geht zunächſt und am
einfachſten auf den hier angenom-
menen Fall, da der Geber Eigen-
thümer der Sache iſt. Selbſt im
Fall der Scheidung (heißt es
weiter) fängt keine Uſucapion an,
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[112/0126] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. enthält (§ 155); oder auch allein ſtehend, wenn nämlich dem Geber das redliche Bewußtſeyn, oder der Titel fehlt, ſo daß eine Uſucapion überhaupt in dem Empfänger aller- erſt anfängt, und mit ihr zugleich auch die b. f. posses- sio, die alſo in dieſem Fall nicht als ein übertragenes Recht betrachtet werden kann, und auch nicht durch acces- sio possessionis unterſtützt und erleichtert wird. Nun entſteht aber die wichtige Frage, ob dieſer Fall auch als eigentliche Schenkung zu betrachten iſt, in dem Sinn daß darauf die Nothwendigkeit der Inſinuation, das Verbot in der Ehe, der Widerruf wegen Undankbarkeit, anzuwenden ſind. Das würde dann die Folge haben, daß die Schenkung einer fremden Sache, da wo ſie in das Gebiet jener ein- ſchränkenden Regeln fiele, auch nicht einmal als Uſuca- pionstitel tauglich wäre. Dieſes möchte man nun in der That anzunehmen aus folgendem Grunde geneigt ſeyn. Wenn ein Ehemann ſeine eigene Sache der Frau ſchenkt, ſo unterbleibt nicht nur der unmittelbare Übergang des Eigenthums, ſondern es tritt auch keine Uſucapion als Aushülfe für jenen Mangel ein; die Frau hat vielmehr keine civilis possessio (d), das heißt ſie kann gar nicht uſucapiren (e). Der Grund liegt darin, daß es der Frau (d) Savigny Recht des Be- ſitzes § 7. (e) L. 1 § 2 pro don. (41. 6.). „Si inter virum et uxorem do- natio facta sit, cessat usuca- pio.” Das geht zunächſt und am einfachſten auf den hier angenom- menen Fall, da der Geber Eigen- thümer der Sache iſt. Selbſt im Fall der Scheidung (heißt es weiter) fängt keine Uſucapion an, außer „si eam maritus conces-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/126>, abgerufen am 04.05.2024.