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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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§. 108. Altersstufen. Infantes. (Fortsetzung.)

Allein damit war hier das praktische Bedürfniß noch
lange nicht befriedigt. Der Erwerb der Erbschaft unter-
scheidet sich von jedem andern Erwerb dadurch, daß er
ein höchst persönliches Geschäft ist. Darum konnte zu kei-
ner Zeit ein Sklave die dem Herrn deferirte Erbschaft für
diesen erwerben, anstatt daß er ihm durch Mancipation
oder Stipulation allerdings erwerben konnte. Eben so
konnte dieser Erwerb niemals durch freye Mittelspersonen
bewirkt werden, selbst nachdem diese zu vielen anderen
Erwerbungen zugelassen worden waren. War also der
berufene Erbe noch in der Kindheit, so konnte für ihn
weder der Tutor durch eigenes Handeln, noch auch ein
Sklave, aushelfen, und diese wichtigste unter allen Er-
werbungen hätte also überhaupt bey Kindern unterbleiben
müssen, lediglich zu Ehren der strengen Rechtsform. --
Dieselbe Schwierigkeit trat ein bey denjenigen Infantes,
die noch in väterlicher Gewalt standen, nur kam bey die-
sen im älteren Recht der Anfall einer Erbschaft seltner
vor; er wurde erst häufig und wichtig seit dem Sc. Or-
phitianum
und den neueren Kaisergesetzen (s). Wie war
nun in diesen Fällen zu helfen?

Paulus schlägt eine Auskunft vor, die von folgender

(s) Nach Agnationsrecht näm-
lich konnte dem filiusfamilias
keine Erbschaft zufallen, weil der
Vater dem Verstorbenen stets um
einen Grad näher stand. Durch
Testament war es zwar möglich,
aber die Erbeinsetzung eines Kin-
des von Seiten eines Fremden
ist wohl überhaupt nicht häufig;
vollends wenn dieses Kind in vä-
terlicher Gewalt stand, war es
einfacher sogleich den Vater ein-
zusetzen.
§. 108. Altersſtufen. Infantes. (Fortſetzung.)

Allein damit war hier das praktiſche Bedürfniß noch
lange nicht befriedigt. Der Erwerb der Erbſchaft unter-
ſcheidet ſich von jedem andern Erwerb dadurch, daß er
ein höchſt perſoͤnliches Geſchäft iſt. Darum konnte zu kei-
ner Zeit ein Sklave die dem Herrn deferirte Erbſchaft für
dieſen erwerben, anſtatt daß er ihm durch Mancipation
oder Stipulation allerdings erwerben konnte. Eben ſo
konnte dieſer Erwerb niemals durch freye Mittelsperſonen
bewirkt werden, ſelbſt nachdem dieſe zu vielen anderen
Erwerbungen zugelaſſen worden waren. War alſo der
berufene Erbe noch in der Kindheit, ſo konnte für ihn
weder der Tutor durch eigenes Handeln, noch auch ein
Sklave, aushelfen, und dieſe wichtigſte unter allen Er-
werbungen hätte alſo überhaupt bey Kindern unterbleiben
müſſen, lediglich zu Ehren der ſtrengen Rechtsform. —
Dieſelbe Schwierigkeit trat ein bey denjenigen Infantes,
die noch in väterlicher Gewalt ſtanden, nur kam bey die-
ſen im älteren Recht der Anfall einer Erbſchaft ſeltner
vor; er wurde erſt häufig und wichtig ſeit dem Sc. Or-
phitianum
und den neueren Kaiſergeſetzen (s). Wie war
nun in dieſen Fällen zu helfen?

Paulus ſchlägt eine Auskunft vor, die von folgender

(s) Nach Agnationsrecht näm-
lich konnte dem filiusfamilias
keine Erbſchaft zufallen, weil der
Vater dem Verſtorbenen ſtets um
einen Grad näher ſtand. Durch
Teſtament war es zwar möglich,
aber die Erbeinſetzung eines Kin-
des von Seiten eines Fremden
iſt wohl überhaupt nicht häufig;
vollends wenn dieſes Kind in vä-
terlicher Gewalt ſtand, war es
einfacher ſogleich den Vater ein-
zuſetzen.
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[47/0059] §. 108. Altersſtufen. Infantes. (Fortſetzung.) Allein damit war hier das praktiſche Bedürfniß noch lange nicht befriedigt. Der Erwerb der Erbſchaft unter- ſcheidet ſich von jedem andern Erwerb dadurch, daß er ein höchſt perſoͤnliches Geſchäft iſt. Darum konnte zu kei- ner Zeit ein Sklave die dem Herrn deferirte Erbſchaft für dieſen erwerben, anſtatt daß er ihm durch Mancipation oder Stipulation allerdings erwerben konnte. Eben ſo konnte dieſer Erwerb niemals durch freye Mittelsperſonen bewirkt werden, ſelbſt nachdem dieſe zu vielen anderen Erwerbungen zugelaſſen worden waren. War alſo der berufene Erbe noch in der Kindheit, ſo konnte für ihn weder der Tutor durch eigenes Handeln, noch auch ein Sklave, aushelfen, und dieſe wichtigſte unter allen Er- werbungen hätte alſo überhaupt bey Kindern unterbleiben müſſen, lediglich zu Ehren der ſtrengen Rechtsform. — Dieſelbe Schwierigkeit trat ein bey denjenigen Infantes, die noch in väterlicher Gewalt ſtanden, nur kam bey die- ſen im älteren Recht der Anfall einer Erbſchaft ſeltner vor; er wurde erſt häufig und wichtig ſeit dem Sc. Or- phitianum und den neueren Kaiſergeſetzen (s). Wie war nun in dieſen Fällen zu helfen? Paulus ſchlägt eine Auskunft vor, die von folgender (s) Nach Agnationsrecht näm- lich konnte dem filiusfamilias keine Erbſchaft zufallen, weil der Vater dem Verſtorbenen ſtets um einen Grad näher ſtand. Durch Teſtament war es zwar möglich, aber die Erbeinſetzung eines Kin- des von Seiten eines Fremden iſt wohl überhaupt nicht häufig; vollends wenn dieſes Kind in vä- terlicher Gewalt ſtand, war es einfacher ſogleich den Vater ein- zuſetzen.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/59>, abgerufen am 06.05.2024.