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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
der Obligationen, erwarten, daß die Sponsalien in jenem
Alter vielmehr gänzlich unterbleiben müßten. Daß man
sie dennoch, und zwar dem Unmündigen allein, gestattete,
erklärt sich wohl aus der ganz ungefährlichen Natur einer
Handlung, die durch einseitige Willkühr jederzeit wieder
entkräftet werden kann. Die einzige Gefahr war etwa
die, daß vielleicht derselbe Unmündige abermals Sponsa-
lien eingieng, ohne die ersten gekündigt zu haben, auf
welche Handlung allerdings die Infamie folgte (§ 77. IV.).

In den bisher abgehandelten Fällen (mit Ausnahme
der Delicte) kam unser Grundsatz rein zur Anwendung;
in den folgenden Fällen sind durch eigenthümliche Schwie-
rigkeiten einige Ausdehnungen der sonst geltenden Fähig-
keit veranlaßt worden.

VII. Erwerb einer Erbschaft. Dieser ist stets
mit der Übernahme von Obligationen verbunden. Daher
kann der Unmündige nie allein diese Handlung vornehmen,
wohl aber (vom achten Lebensjahr an) stets mit dem Tu-
tor, selbst wenn er so jung und unentwickelt ist, daß er
die Wichtigkeit dieser Handlung nicht begreift (r). Dieses
Alles liegt in der reinen Anwendung unsres Grundsatzes.


(r) § 1 J. de auctor. (1. 21.),
L. 9 L. 8 pr. de adqu. her. (29.
2.), L. 9 § 3. 4 de auctor. (26.
8.), L. 1 C. ad Sc. Tert. (6. 56.):
"Licet liberi .. ita demum per
se
heredes existant, si fari pos-
sint" rel.
Hier heißt das per se
nicht etwa: für sich allein -- denn
so können es auch die älteren Un-
mündigen nicht; sondern: durch
ihre Mitwirkung. Wahrscheinlich
sind die Worte eingeschoben, um
die Stellen mit den sogleich zu
erwähnenden späteren Erleichte-
rungen in Einklang zu bringen.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
der Obligationen, erwarten, daß die Sponſalien in jenem
Alter vielmehr gänzlich unterbleiben müßten. Daß man
ſie dennoch, und zwar dem Unmündigen allein, geſtattete,
erklärt ſich wohl aus der ganz ungefährlichen Natur einer
Handlung, die durch einſeitige Willkühr jederzeit wieder
entkräftet werden kann. Die einzige Gefahr war etwa
die, daß vielleicht derſelbe Unmündige abermals Sponſa-
lien eingieng, ohne die erſten gekündigt zu haben, auf
welche Handlung allerdings die Infamie folgte (§ 77. IV.).

In den bisher abgehandelten Fällen (mit Ausnahme
der Delicte) kam unſer Grundſatz rein zur Anwendung;
in den folgenden Fällen ſind durch eigenthümliche Schwie-
rigkeiten einige Ausdehnungen der ſonſt geltenden Fähig-
keit veranlaßt worden.

VII. Erwerb einer Erbſchaft. Dieſer iſt ſtets
mit der Übernahme von Obligationen verbunden. Daher
kann der Unmündige nie allein dieſe Handlung vornehmen,
wohl aber (vom achten Lebensjahr an) ſtets mit dem Tu-
tor, ſelbſt wenn er ſo jung und unentwickelt iſt, daß er
die Wichtigkeit dieſer Handlung nicht begreift (r). Dieſes
Alles liegt in der reinen Anwendung unſres Grundſatzes.


(r) § 1 J. de auctor. (1. 21.),
L. 9 L. 8 pr. de adqu. her. (29.
2.), L. 9 § 3. 4 de auctor. (26.
8.), L. 1 C. ad Sc. Tert. (6. 56.):
„Licet liberi .. ita demum per
se
heredes existant, si fari pos-
sint” rel.
Hier heißt das per se
nicht etwa: für ſich allein — denn
ſo können es auch die älteren Un-
mündigen nicht; ſondern: durch
ihre Mitwirkung. Wahrſcheinlich
ſind die Worte eingeſchoben, um
die Stellen mit den ſogleich zu
erwähnenden ſpäteren Erleichte-
rungen in Einklang zu bringen.
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[46/0058] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. der Obligationen, erwarten, daß die Sponſalien in jenem Alter vielmehr gänzlich unterbleiben müßten. Daß man ſie dennoch, und zwar dem Unmündigen allein, geſtattete, erklärt ſich wohl aus der ganz ungefährlichen Natur einer Handlung, die durch einſeitige Willkühr jederzeit wieder entkräftet werden kann. Die einzige Gefahr war etwa die, daß vielleicht derſelbe Unmündige abermals Sponſa- lien eingieng, ohne die erſten gekündigt zu haben, auf welche Handlung allerdings die Infamie folgte (§ 77. IV.). In den bisher abgehandelten Fällen (mit Ausnahme der Delicte) kam unſer Grundſatz rein zur Anwendung; in den folgenden Fällen ſind durch eigenthümliche Schwie- rigkeiten einige Ausdehnungen der ſonſt geltenden Fähig- keit veranlaßt worden. VII. Erwerb einer Erbſchaft. Dieſer iſt ſtets mit der Übernahme von Obligationen verbunden. Daher kann der Unmündige nie allein dieſe Handlung vornehmen, wohl aber (vom achten Lebensjahr an) ſtets mit dem Tu- tor, ſelbſt wenn er ſo jung und unentwickelt iſt, daß er die Wichtigkeit dieſer Handlung nicht begreift (r). Dieſes Alles liegt in der reinen Anwendung unſres Grundſatzes. (r) § 1 J. de auctor. (1. 21.), L. 9 L. 8 pr. de adqu. her. (29. 2.), L. 9 § 3. 4 de auctor. (26. 8.), L. 1 C. ad Sc. Tert. (6. 56.): „Licet liberi .. ita demum per se heredes existant, si fari pos- sint” rel. Hier heißt das per se nicht etwa: für ſich allein — denn ſo können es auch die älteren Un- mündigen nicht; ſondern: durch ihre Mitwirkung. Wahrſcheinlich ſind die Worte eingeſchoben, um die Stellen mit den ſogleich zu erwähnenden ſpäteren Erleichte- rungen in Einklang zu bringen.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/58>, abgerufen am 06.05.2024.