Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.Irrthum und Unwissenheit. einen starken praktischen Unterschied anordnen zwischen denPupillen und Minderjährigen. Nun ist aber der Unter- schied zwischen Befreyung ipso jure und durch Restitution ungleich geringer, als der zwischen Befreyung überhaupt und Nichtbefreyung. Der Gesetzgeber konnte also unmög- lich jenen geringeren Unterschied mit Wichtigkeit behandeln, und den größeren mit Stillschweigen übergehen, also zwei- felhaft lassen; er konnte nicht von den Minderjährigen sa- gen, sie seyen strenge an die Beobachtung der 30 Jahre gebunden, wenn sie sich von dieser Strenge sogleich wieder durch Restitution los machen konnten. Zweytens zeigt der ganze Ausdruck, daß der Gesetzgeber etwas Neues, Uner- wartetes anordnen wollte, Etwas das ohne diese Vorschrift nicht so gewesen seyn würde. Dieses paßt ganz zu unsrer Erklärung, denn die hier zusammen gestellten Personen hat- ten in der That einen sehr ausgedehnten Anspruch auf Restitution, der ihnen unzweifelhaft auch gegen die dreißig- jährige Verjährung geholfen haben würde, wenn nicht hier die Restitution ausdrücklich verboten worden wäre. Zu der entgegengesetzten Erklärung paßt jener Ausdruck gar nicht, da Niemand daran denken konnte, den Frauen u. s. w. gegen die dreyßigjährige Verjährung eine Befreyung ipso jure zu geben, die sie selbst gegen kürzere Verjährungen niemals gehabt hatten (g). (g) Burchardi S. 136 stellt
dagegen die Behauptung auf, die Abwesenden und Soldaten hätten allerdings oft ipso jure Befreyung gehabt, und er führt zum Beweise mehrere Stellen an, die in der That nicht ausdrücklich von Restitution sprechen. Allein es ist eine ganz Irrthum und Unwiſſenheit. einen ſtarken praktiſchen Unterſchied anordnen zwiſchen denPupillen und Minderjährigen. Nun iſt aber der Unter- ſchied zwiſchen Befreyung ipso jure und durch Reſtitution ungleich geringer, als der zwiſchen Befreyung überhaupt und Nichtbefreyung. Der Geſetzgeber konnte alſo unmoͤg- lich jenen geringeren Unterſchied mit Wichtigkeit behandeln, und den größeren mit Stillſchweigen übergehen, alſo zwei- felhaft laſſen; er konnte nicht von den Minderjährigen ſa- gen, ſie ſeyen ſtrenge an die Beobachtung der 30 Jahre gebunden, wenn ſie ſich von dieſer Strenge ſogleich wieder durch Reſtitution los machen konnten. Zweytens zeigt der ganze Ausdruck, daß der Geſetzgeber etwas Neues, Uner- wartetes anordnen wollte, Etwas das ohne dieſe Vorſchrift nicht ſo geweſen ſeyn würde. Dieſes paßt ganz zu unſrer Erklärung, denn die hier zuſammen geſtellten Perſonen hat- ten in der That einen ſehr ausgedehnten Anſpruch auf Reſtitution, der ihnen unzweifelhaft auch gegen die dreißig- jährige Verjährung geholfen haben würde, wenn nicht hier die Reſtitution ausdrücklich verboten worden wäre. Zu der entgegengeſetzten Erklärung paßt jener Ausdruck gar nicht, da Niemand daran denken konnte, den Frauen u. ſ. w. gegen die dreyßigjährige Verjährung eine Befreyung ipso jure zu geben, die ſie ſelbſt gegen kürzere Verjährungen niemals gehabt hatten (g). (g) Burchardi S. 136 ſtellt
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Irrthum und Unwiſſenheit.
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Pupillen und Minderjährigen. Nun iſt aber der Unter-
ſchied zwiſchen Befreyung ipso jure und durch Reſtitution
ungleich geringer, als der zwiſchen Befreyung überhaupt
und Nichtbefreyung. Der Geſetzgeber konnte alſo unmoͤg-
lich jenen geringeren Unterſchied mit Wichtigkeit behandeln,
und den größeren mit Stillſchweigen übergehen, alſo zwei-
felhaft laſſen; er konnte nicht von den Minderjährigen ſa-
gen, ſie ſeyen ſtrenge an die Beobachtung der 30 Jahre
gebunden, wenn ſie ſich von dieſer Strenge ſogleich wieder
durch Reſtitution los machen konnten. Zweytens zeigt der
ganze Ausdruck, daß der Geſetzgeber etwas Neues, Uner-
wartetes anordnen wollte, Etwas das ohne dieſe Vorſchrift
nicht ſo geweſen ſeyn würde. Dieſes paßt ganz zu unſrer
Erklärung, denn die hier zuſammen geſtellten Perſonen hat-
ten in der That einen ſehr ausgedehnten Anſpruch auf
Reſtitution, der ihnen unzweifelhaft auch gegen die dreißig-
jährige Verjährung geholfen haben würde, wenn nicht hier
die Reſtitution ausdrücklich verboten worden wäre. Zu
der entgegengeſetzten Erklärung paßt jener Ausdruck gar
nicht, da Niemand daran denken konnte, den Frauen u. ſ. w.
gegen die dreyßigjährige Verjährung eine Befreyung ipso
jure zu geben, die ſie ſelbſt gegen kürzere Verjährungen
niemals gehabt hatten (g).
(g) Burchardi S. 136 ſtellt
dagegen die Behauptung auf, die
Abweſenden und Soldaten hätten
allerdings oft ipso jure Befreyung
gehabt, und er führt zum Beweiſe
mehrere Stellen an, die in der That
nicht ausdrücklich von Reſtitution
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