In dieser (noch blos hypothetischen) Aufzählung aller denkbaren Status kommt einer derselben zweymal vor: die Freyheit (oder Abwesenheit des Sklavenstandes) als Grund- bedingung aller Theilnahme am öffentlichen Recht, und dann wiederum dieselbe als Gegensatz der Sklaverey, welche eine eigenthümliche Art der häuslichen Abhängigkeit, also ein Familienverhältniß bildet. Bey dieser Lage der Sache war es natürlich, einen dieser beiden Gesichtspunkte als den überwiegenden zu betrachten. Dann aber mußten zwey Gründe dahin führen, dieses Übergewicht vielmehr den staatsrechtlichen als den privatrechtlichen Status zuzuschrei- ben: erstlich die größere Wichtigkeit des öffentlichen Rechts überhaupt: zweytens, und noch mehr, die Betrachtung, daß der Begriff des Sklavenstandes (des Gegensatzes der Frey- heit) umfassender ist als der Begriff der häuslichen Herr- schaft über die Sklaven (dominica potestas). Denn der Sklavenstand umfaßt auch die herrenlosen Sklaven (§ 55. a und § 65), die dominica potestas nur diejenigen Sklaven, welche gerade im Eigenthum eines Herrn stehen. Daher erscheint die staatsrechtliche Auffassung der Freyheit (mit ihrem Gegensatz, der Sklaverey) schon deshalb als vor- herrschend, weil durch sie allein der Gegenstand erschöpft wird, anstatt daß die privatrechtliche Auffassung nur auf einen einseitigen und unvollständigen Begriff des Sklaven- standes führt. Von dieser Bemerkung wird weiter unten, bey der Capitis deminutio, Gebrauch gemacht werden.
Status und Capitis deminutio.
In dieſer (noch blos hypothetiſchen) Aufzählung aller denkbaren Status kommt einer derſelben zweymal vor: die Freyheit (oder Abweſenheit des Sklavenſtandes) als Grund- bedingung aller Theilnahme am öffentlichen Recht, und dann wiederum dieſelbe als Gegenſatz der Sklaverey, welche eine eigenthümliche Art der häuslichen Abhängigkeit, alſo ein Familienverhältniß bildet. Bey dieſer Lage der Sache war es natürlich, einen dieſer beiden Geſichtspunkte als den überwiegenden zu betrachten. Dann aber mußten zwey Gründe dahin führen, dieſes Übergewicht vielmehr den ſtaatsrechtlichen als den privatrechtlichen Status zuzuſchrei- ben: erſtlich die größere Wichtigkeit des öffentlichen Rechts überhaupt: zweytens, und noch mehr, die Betrachtung, daß der Begriff des Sklavenſtandes (des Gegenſatzes der Frey- heit) umfaſſender iſt als der Begriff der häuslichen Herr- ſchaft über die Sklaven (dominica potestas). Denn der Sklavenſtand umfaßt auch die herrenloſen Sklaven (§ 55. a und § 65), die dominica potestas nur diejenigen Sklaven, welche gerade im Eigenthum eines Herrn ſtehen. Daher erſcheint die ſtaatsrechtliche Auffaſſung der Freyheit (mit ihrem Gegenſatz, der Sklaverey) ſchon deshalb als vor- herrſchend, weil durch ſie allein der Gegenſtand erſchoͤpft wird, anſtatt daß die privatrechtliche Auffaſſung nur auf einen einſeitigen und unvollſtändigen Begriff des Sklaven- ſtandes führt. Von dieſer Bemerkung wird weiter unten, bey der Capitis deminutio, Gebrauch gemacht werden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0473"n="459"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">Status</hi> und <hirendition="#aq">Capitis deminutio.</hi></fw><lb/><p>In dieſer (noch blos hypothetiſchen) Aufzählung aller<lb/>
denkbaren <hirendition="#aq">Status</hi> kommt einer derſelben zweymal vor: die<lb/>
Freyheit (oder Abweſenheit des Sklavenſtandes) als Grund-<lb/>
bedingung aller Theilnahme am öffentlichen Recht, und<lb/>
dann wiederum dieſelbe als Gegenſatz der Sklaverey, welche<lb/>
eine eigenthümliche Art der häuslichen Abhängigkeit, alſo<lb/>
ein Familienverhältniß bildet. Bey dieſer Lage der Sache<lb/>
war es natürlich, einen dieſer beiden Geſichtspunkte als<lb/>
den überwiegenden zu betrachten. Dann aber mußten zwey<lb/>
Gründe dahin führen, dieſes Übergewicht vielmehr den<lb/>ſtaatsrechtlichen als den privatrechtlichen <hirendition="#aq">Status</hi> zuzuſchrei-<lb/>
ben: erſtlich die größere Wichtigkeit des öffentlichen Rechts<lb/>
überhaupt: zweytens, und noch mehr, die Betrachtung, daß<lb/>
der Begriff des Sklavenſtandes (des Gegenſatzes der Frey-<lb/>
heit) umfaſſender iſt als der Begriff der häuslichen Herr-<lb/>ſchaft über die Sklaven <hirendition="#aq">(dominica potestas).</hi> Denn der<lb/>
Sklavenſtand umfaßt auch die herrenloſen Sklaven (§ 55. <hirendition="#aq">a</hi><lb/>
und § 65), die <hirendition="#aq">dominica potestas</hi> nur diejenigen Sklaven,<lb/>
welche gerade im Eigenthum eines Herrn ſtehen. Daher<lb/>
erſcheint die ſtaatsrechtliche Auffaſſung der Freyheit (mit<lb/>
ihrem Gegenſatz, der Sklaverey) ſchon deshalb als vor-<lb/>
herrſchend, weil durch ſie allein der Gegenſtand erſchoͤpft<lb/>
wird, anſtatt daß die privatrechtliche Auffaſſung nur auf<lb/>
einen einſeitigen und unvollſtändigen Begriff des Sklaven-<lb/>ſtandes führt. Von dieſer Bemerkung wird weiter unten,<lb/>
bey der <hirendition="#aq">Capitis deminutio,</hi> Gebrauch gemacht werden.</p></div><lb/></div></div></body></text></TEI>
[459/0473]
Status und Capitis deminutio.
In dieſer (noch blos hypothetiſchen) Aufzählung aller
denkbaren Status kommt einer derſelben zweymal vor: die
Freyheit (oder Abweſenheit des Sklavenſtandes) als Grund-
bedingung aller Theilnahme am öffentlichen Recht, und
dann wiederum dieſelbe als Gegenſatz der Sklaverey, welche
eine eigenthümliche Art der häuslichen Abhängigkeit, alſo
ein Familienverhältniß bildet. Bey dieſer Lage der Sache
war es natürlich, einen dieſer beiden Geſichtspunkte als
den überwiegenden zu betrachten. Dann aber mußten zwey
Gründe dahin führen, dieſes Übergewicht vielmehr den
ſtaatsrechtlichen als den privatrechtlichen Status zuzuſchrei-
ben: erſtlich die größere Wichtigkeit des öffentlichen Rechts
überhaupt: zweytens, und noch mehr, die Betrachtung, daß
der Begriff des Sklavenſtandes (des Gegenſatzes der Frey-
heit) umfaſſender iſt als der Begriff der häuslichen Herr-
ſchaft über die Sklaven (dominica potestas). Denn der
Sklavenſtand umfaßt auch die herrenloſen Sklaven (§ 55. a
und § 65), die dominica potestas nur diejenigen Sklaven,
welche gerade im Eigenthum eines Herrn ſtehen. Daher
erſcheint die ſtaatsrechtliche Auffaſſung der Freyheit (mit
ihrem Gegenſatz, der Sklaverey) ſchon deshalb als vor-
herrſchend, weil durch ſie allein der Gegenſtand erſchoͤpft
wird, anſtatt daß die privatrechtliche Auffaſſung nur auf
einen einſeitigen und unvollſtändigen Begriff des Sklaven-
ſtandes führt. Von dieſer Bemerkung wird weiter unten,
bey der Capitis deminutio, Gebrauch gemacht werden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/473>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.