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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
Cognitor oder Procurator zu verhandeln, und zur Ver-
theidigung dieses seines selbständigen Rechts gab man ihm
eine procuratoria exceptio, die ihm der Prätor aus blo-
ßer Nachsicht gegen den Infamen gewiß nicht entziehen
konnte. Justinian hob diese Exception gesetzlich auf, da
sie ohnehin nicht mehr üblich sey (h): das heißt aber nicht
so viel, daß die Infamen hinfort sollten unbeschränkt po-
stuliren dürfen, was ja den deutlichsten Bestimmungen der
Digesten widersprechen würde, sondern es sollte nur noch
die Obrigkeit dieselben zurückweisen dürfen, ohne daß die
Gegenpartey eine solche Exception vorbringen, oder auch
blos als Vorwand zur Verschleppung des Prozesses fer-
ner misbrauchen durfte.

Blos aus dieser zuletzt erwähnten Verordnung Justi-
nians (Note h) erfahren wir gelegentlich, daß eine gleiche
Exception den Infamen auch verhinderte, für sich einen

(h) § 11 J. de except. (4. 13.).
"Eas vero exceptiones, quae
olim procuratoribus propter in-
famiam, vel dantis vel ipsius
procuratoris
, opponebantur:
cum in judiciis frequentari
nullo modo perspeximus, con-
quiescere sancimus: ne dum de
his altercatur, ipsius negotii
disceptatio proteletur."
-- Ma-
rezoll
S. 215--217 faßt die
Absicht und Wirkung dieser neuen
Verordnung richtig auf, erklärt
aber die Worte nullo modo sehr
gezwungen. Der natürliche Sinn
ist wohl dieser: "die erwähnten
exceptiones kamen schon jetzt
sehr wenig vor, woraus erhellt,
daß kein praktisches Bedürfniß für
dieselben vorhanden war; wir he-
ben sie daher nunmehr gesetzlich
auf, damit sie nicht in einzelnen
Fällen hervorgesucht und zur Ver-
schleppung misbraucht werden mö-
gen." Das frequentari nullo
modo
bezeichnet seltnen Gebrauch
eines Rechtsinstituts, und ist noch
verschieden von einer durch Ge-
wohnheitsrecht bewirkten Aufhe-
bung des Instituts selbst. Theo-
philus freylich kann leicht zur An-
nahme dieser letzten verleiten.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
Cognitor oder Procurator zu verhandeln, und zur Ver-
theidigung dieſes ſeines ſelbſtändigen Rechts gab man ihm
eine procuratoria exceptio, die ihm der Prätor aus blo-
ßer Nachſicht gegen den Infamen gewiß nicht entziehen
konnte. Juſtinian hob dieſe Exception geſetzlich auf, da
ſie ohnehin nicht mehr üblich ſey (h): das heißt aber nicht
ſo viel, daß die Infamen hinfort ſollten unbeſchränkt po-
ſtuliren dürfen, was ja den deutlichſten Beſtimmungen der
Digeſten widerſprechen würde, ſondern es ſollte nur noch
die Obrigkeit dieſelben zurückweiſen dürfen, ohne daß die
Gegenpartey eine ſolche Exception vorbringen, oder auch
blos als Vorwand zur Verſchleppung des Prozeſſes fer-
ner misbrauchen durfte.

Blos aus dieſer zuletzt erwähnten Verordnung Juſti-
nians (Note h) erfahren wir gelegentlich, daß eine gleiche
Exception den Infamen auch verhinderte, für ſich einen

(h) § 11 J. de except. (4. 13.).
„Eas vero exceptiones, quae
olim procuratoribus propter in-
famiam, vel dantis vel ipsius
procuratoris
, opponebantur:
cum in judiciis frequentari
nullo modo perspeximus, con-
quiescere sancimus: ne dum de
his altercatur, ipsius negotii
disceptatio proteletur.”
Ma-
rezoll
S. 215—217 faßt die
Abſicht und Wirkung dieſer neuen
Verordnung richtig auf, erklärt
aber die Worte nullo modo ſehr
gezwungen. Der natürliche Sinn
iſt wohl dieſer: „die erwähnten
exceptiones kamen ſchon jetzt
ſehr wenig vor, woraus erhellt,
daß kein praktiſches Bedürfniß für
dieſelben vorhanden war; wir he-
ben ſie daher nunmehr geſetzlich
auf, damit ſie nicht in einzelnen
Fällen hervorgeſucht und zur Ver-
ſchleppung misbraucht werden mö-
gen.“ Das frequentari nullo
modo
bezeichnet ſeltnen Gebrauch
eines Rechtsinſtituts, und iſt noch
verſchieden von einer durch Ge-
wohnheitsrecht bewirkten Aufhe-
bung des Inſtituts ſelbſt. Theo-
philus freylich kann leicht zur An-
nahme dieſer letzten verleiten.
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[218/0232] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. Cognitor oder Procurator zu verhandeln, und zur Ver- theidigung dieſes ſeines ſelbſtändigen Rechts gab man ihm eine procuratoria exceptio, die ihm der Prätor aus blo- ßer Nachſicht gegen den Infamen gewiß nicht entziehen konnte. Juſtinian hob dieſe Exception geſetzlich auf, da ſie ohnehin nicht mehr üblich ſey (h): das heißt aber nicht ſo viel, daß die Infamen hinfort ſollten unbeſchränkt po- ſtuliren dürfen, was ja den deutlichſten Beſtimmungen der Digeſten widerſprechen würde, ſondern es ſollte nur noch die Obrigkeit dieſelben zurückweiſen dürfen, ohne daß die Gegenpartey eine ſolche Exception vorbringen, oder auch blos als Vorwand zur Verſchleppung des Prozeſſes fer- ner misbrauchen durfte. Blos aus dieſer zuletzt erwähnten Verordnung Juſti- nians (Note h) erfahren wir gelegentlich, daß eine gleiche Exception den Infamen auch verhinderte, für ſich einen (h) § 11 J. de except. (4. 13.). „Eas vero exceptiones, quae olim procuratoribus propter in- famiam, vel dantis vel ipsius procuratoris, opponebantur: cum in judiciis frequentari nullo modo perspeximus, con- quiescere sancimus: ne dum de his altercatur, ipsius negotii disceptatio proteletur.” — Ma- rezoll S. 215—217 faßt die Abſicht und Wirkung dieſer neuen Verordnung richtig auf, erklärt aber die Worte nullo modo ſehr gezwungen. Der natürliche Sinn iſt wohl dieſer: „die erwähnten exceptiones kamen ſchon jetzt ſehr wenig vor, woraus erhellt, daß kein praktiſches Bedürfniß für dieſelben vorhanden war; wir he- ben ſie daher nunmehr geſetzlich auf, damit ſie nicht in einzelnen Fällen hervorgeſucht und zur Ver- ſchleppung misbraucht werden mö- gen.“ Das frequentari nullo modo bezeichnet ſeltnen Gebrauch eines Rechtsinſtituts, und iſt noch verſchieden von einer durch Ge- wohnheitsrecht bewirkten Aufhe- bung des Inſtituts ſelbſt. Theo- philus freylich kann leicht zur An- nahme dieſer letzten verleiten.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/232>, abgerufen am 24.11.2024.