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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 61. Anfang der Rechtsfähigkeit.
burt von Wichtigkeit, sondern auch im Interesse der Mut-
ter, welcher manche wichtige Vortheile durch die Geburt
von Kindern entstehen konnten, und zwar auf zweyerley
Weise: bald indem sie dadurch Begünstigungen erlangte
in Vergleichung mit sonst geltenden allgemeinen Rechtsre-
geln (a), bald indem sie von einer Zurücksetzung gegen all-
gemeine Rechtsregeln befreyt wurde. Das erste kann man
Belohnungen der Kinderzeugung nennen, das zweyte aber
Befreyung von Strafen für den Mangel an Kindern. Bey-
spiele der Belohnungen für die Mutter sind diese. Erst-
lich die hereditas im Vermögen der Kinder nach dem Sc.
Tertullianum:
diese war eine Begünstigung gegen die bis
dahin bestehende Intestaterbfolge, und die Mutter sollte
dieses Vorrecht nur genießen, wenn sie drey Kinder (eine
Freygelassene Vier) geboren hatte (b). Zweytens der Er-
werb der Civität für jede Latina, die drey Kinder gebo-
ren hatte (c). Endlich die Befreyung von der Tutel, un-
ter welcher sonst alle Frauen ihres Geschlechts wegen ste-
hen sollten (d). -- Als Befreyung von einer Strafe wurde

(a) Hier kommt also der Be-
griff von jus singulare zur An-
wendung (§ 16).
(b) § 2. 4 J. de Sc. Tertull.
(3. 3.). Paulus IV.
9. § 1.
(c) Ulpian. III. § 1, nach ei-
nem Senatusconsult.
(d) Gajus I. § 194. 195. Ul-
pian
. XXIX.
§ 3. -- Viele Fälle
solcher Belohnungen und Straf-
befreyungen gehören nicht hier-
her, indem sie voraussetzen, daß
das Kind noch lebe, oder doch
längere Zeit gelebt habe, in wel-
chen Fällen gar nicht das Bedürf-
niß der Unterscheidung wahrer und
scheinbarer Geburten vorkommt.
Vgl. pr. J. de excus. (1. 25.).
Ulpian. III. § 3. XV. XVI.
§ 1.
Daher erscheint bey dem Vater
diese Frage nur in seltenen An-
wendungen, und hat also gar nicht
dieselbe Wichtigkeit wie bey der
Mutter. Eine solche Anwendung

§. 61. Anfang der Rechtsfähigkeit.
burt von Wichtigkeit, ſondern auch im Intereſſe der Mut-
ter, welcher manche wichtige Vortheile durch die Geburt
von Kindern entſtehen konnten, und zwar auf zweyerley
Weiſe: bald indem ſie dadurch Begünſtigungen erlangte
in Vergleichung mit ſonſt geltenden allgemeinen Rechtsre-
geln (a), bald indem ſie von einer Zurückſetzung gegen all-
gemeine Rechtsregeln befreyt wurde. Das erſte kann man
Belohnungen der Kinderzeugung nennen, das zweyte aber
Befreyung von Strafen für den Mangel an Kindern. Bey-
ſpiele der Belohnungen für die Mutter ſind dieſe. Erſt-
lich die hereditas im Vermögen der Kinder nach dem Sc.
Tertullianum:
dieſe war eine Begünſtigung gegen die bis
dahin beſtehende Inteſtaterbfolge, und die Mutter ſollte
dieſes Vorrecht nur genießen, wenn ſie drey Kinder (eine
Freygelaſſene Vier) geboren hatte (b). Zweytens der Er-
werb der Civität für jede Latina, die drey Kinder gebo-
ren hatte (c). Endlich die Befreyung von der Tutel, un-
ter welcher ſonſt alle Frauen ihres Geſchlechts wegen ſte-
hen ſollten (d). — Als Befreyung von einer Strafe wurde

(a) Hier kommt alſo der Be-
griff von jus singulare zur An-
wendung (§ 16).
(b) § 2. 4 J. de Sc. Tertull.
(3. 3.). Paulus IV.
9. § 1.
(c) Ulpian. III. § 1, nach ei-
nem Senatusconſult.
(d) Gajus I. § 194. 195. Ul-
pian
. XXIX.
§ 3. — Viele Fälle
ſolcher Belohnungen und Straf-
befreyungen gehören nicht hier-
her, indem ſie vorausſetzen, daß
das Kind noch lebe, oder doch
längere Zeit gelebt habe, in wel-
chen Fällen gar nicht das Bedürf-
niß der Unterſcheidung wahrer und
ſcheinbarer Geburten vorkommt.
Vgl. pr. J. de excus. (1. 25.).
Ulpian. III. § 3. XV. XVI.
§ 1.
Daher erſcheint bey dem Vater
dieſe Frage nur in ſeltenen An-
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Mutter. Eine ſolche Anwendung
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[5/0019] §. 61. Anfang der Rechtsfähigkeit. burt von Wichtigkeit, ſondern auch im Intereſſe der Mut- ter, welcher manche wichtige Vortheile durch die Geburt von Kindern entſtehen konnten, und zwar auf zweyerley Weiſe: bald indem ſie dadurch Begünſtigungen erlangte in Vergleichung mit ſonſt geltenden allgemeinen Rechtsre- geln (a), bald indem ſie von einer Zurückſetzung gegen all- gemeine Rechtsregeln befreyt wurde. Das erſte kann man Belohnungen der Kinderzeugung nennen, das zweyte aber Befreyung von Strafen für den Mangel an Kindern. Bey- ſpiele der Belohnungen für die Mutter ſind dieſe. Erſt- lich die hereditas im Vermögen der Kinder nach dem Sc. Tertullianum: dieſe war eine Begünſtigung gegen die bis dahin beſtehende Inteſtaterbfolge, und die Mutter ſollte dieſes Vorrecht nur genießen, wenn ſie drey Kinder (eine Freygelaſſene Vier) geboren hatte (b). Zweytens der Er- werb der Civität für jede Latina, die drey Kinder gebo- ren hatte (c). Endlich die Befreyung von der Tutel, un- ter welcher ſonſt alle Frauen ihres Geſchlechts wegen ſte- hen ſollten (d). — Als Befreyung von einer Strafe wurde (a) Hier kommt alſo der Be- griff von jus singulare zur An- wendung (§ 16). (b) § 2. 4 J. de Sc. Tertull. (3. 3.). Paulus IV. 9. § 1. (c) Ulpian. III. § 1, nach ei- nem Senatusconſult. (d) Gajus I. § 194. 195. Ul- pian. XXIX. § 3. — Viele Fälle ſolcher Belohnungen und Straf- befreyungen gehören nicht hier- her, indem ſie vorausſetzen, daß das Kind noch lebe, oder doch längere Zeit gelebt habe, in wel- chen Fällen gar nicht das Bedürf- niß der Unterſcheidung wahrer und ſcheinbarer Geburten vorkommt. Vgl. pr. J. de excus. (1. 25.). Ulpian. III. § 3. XV. XVI. § 1. Daher erſcheint bey dem Vater dieſe Frage nur in ſeltenen An- wendungen, und hat alſo gar nicht dieſelbe Wichtigkeit wie bey der Mutter. Eine ſolche Anwendung

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/19>, abgerufen am 28.03.2024.