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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen.
angesehen die wichtige Regel, nach welcher Frauen durch
die Geburt von Drey oder Vier Kindern (Drey bey Frey-
gebornen, Vier bey Freygelassenen) das Recht zur Er-
werbung von Testamentserbschaften erlangten; die dadurch
aufgehobene Unfähigkeit war Strafe, da vor der Lex Julia,
nach allgemeinen Rechtsregeln, die Fähigkeit der Frauen
von dieser Seite her keiner Einschränkung unterworfen ge-
wesen war. -- Man möchte glauben, der Begriff der wah-
ren Geburt wäre überall derselbe, ohne Unterscheidung
dieser daran geknüpften Wirkungen. So ist es aber in
der That nicht; vielmehr wurde es bey der Befreyung
von Strafen damit weniger genau genommen, als bey
den Belohnungen, und bey der eigenen Rechtsfähigkeit des
Kindes: ohne Zweifel, weil jene Strafen überhaupt etwas
Gehässiges hatten, weshalb man sie einzuschränken suchte,
soweit es die Worte der Gesetze nur immer zuließen.

Erst nach dieser Vorbereitung ist es möglich, den oben
aufgestellten Begriff wahrer Geburt in seine Elemente zu
zerlegen. Es gehört dazu: 1) Trennung von der Mut-
ter, 2) vollständige Trennung, 3) Leben des Gebor-
nen nach der vollständigen Trennung, 4) menschliche
Natur desselben.

1) Das Kind muß von der Mutter getrennt seyn,
also außerhalb derselben existirt haben. Die zu dieser
Trennung angewendeten Mittel sind gleichgültig; daher ist

auch auf den Vater findet sich bey
Ulpian. XV. "et quandoque li-
beros habuerint
, ejusdem par-
tis proprietatem."

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
angeſehen die wichtige Regel, nach welcher Frauen durch
die Geburt von Drey oder Vier Kindern (Drey bey Frey-
gebornen, Vier bey Freygelaſſenen) das Recht zur Er-
werbung von Teſtamentserbſchaften erlangten; die dadurch
aufgehobene Unfähigkeit war Strafe, da vor der Lex Julia,
nach allgemeinen Rechtsregeln, die Fähigkeit der Frauen
von dieſer Seite her keiner Einſchränkung unterworfen ge-
weſen war. — Man möchte glauben, der Begriff der wah-
ren Geburt wäre überall derſelbe, ohne Unterſcheidung
dieſer daran geknüpften Wirkungen. So iſt es aber in
der That nicht; vielmehr wurde es bey der Befreyung
von Strafen damit weniger genau genommen, als bey
den Belohnungen, und bey der eigenen Rechtsfähigkeit des
Kindes: ohne Zweifel, weil jene Strafen überhaupt etwas
Gehäſſiges hatten, weshalb man ſie einzuſchränken ſuchte,
ſoweit es die Worte der Geſetze nur immer zuließen.

Erſt nach dieſer Vorbereitung iſt es moͤglich, den oben
aufgeſtellten Begriff wahrer Geburt in ſeine Elemente zu
zerlegen. Es gehört dazu: 1) Trennung von der Mut-
ter, 2) vollſtändige Trennung, 3) Leben des Gebor-
nen nach der vollſtändigen Trennung, 4) menſchliche
Natur deſſelben.

1) Das Kind muß von der Mutter getrennt ſeyn,
alſo außerhalb derſelben exiſtirt haben. Die zu dieſer
Trennung angewendeten Mittel ſind gleichgültig; daher iſt

auch auf den Vater findet ſich bey
Ulpian. XV. „et quandoque li-
beros habuerint
, ejusdem par-
tis proprietatem.”
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[6/0020] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. angeſehen die wichtige Regel, nach welcher Frauen durch die Geburt von Drey oder Vier Kindern (Drey bey Frey- gebornen, Vier bey Freygelaſſenen) das Recht zur Er- werbung von Teſtamentserbſchaften erlangten; die dadurch aufgehobene Unfähigkeit war Strafe, da vor der Lex Julia, nach allgemeinen Rechtsregeln, die Fähigkeit der Frauen von dieſer Seite her keiner Einſchränkung unterworfen ge- weſen war. — Man möchte glauben, der Begriff der wah- ren Geburt wäre überall derſelbe, ohne Unterſcheidung dieſer daran geknüpften Wirkungen. So iſt es aber in der That nicht; vielmehr wurde es bey der Befreyung von Strafen damit weniger genau genommen, als bey den Belohnungen, und bey der eigenen Rechtsfähigkeit des Kindes: ohne Zweifel, weil jene Strafen überhaupt etwas Gehäſſiges hatten, weshalb man ſie einzuſchränken ſuchte, ſoweit es die Worte der Geſetze nur immer zuließen. Erſt nach dieſer Vorbereitung iſt es moͤglich, den oben aufgeſtellten Begriff wahrer Geburt in ſeine Elemente zu zerlegen. Es gehört dazu: 1) Trennung von der Mut- ter, 2) vollſtändige Trennung, 3) Leben des Gebor- nen nach der vollſtändigen Trennung, 4) menſchliche Natur deſſelben. 1) Das Kind muß von der Mutter getrennt ſeyn, alſo außerhalb derſelben exiſtirt haben. Die zu dieſer Trennung angewendeten Mittel ſind gleichgültig; daher iſt (d) (d) auch auf den Vater findet ſich bey Ulpian. XV. „et quandoque li- beros habuerint, ejusdem par- tis proprietatem.”

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/20>, abgerufen am 26.04.2024.