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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 71. Anomalische Rechte. Allgemeine Natur.

B. In eigenem Namen. Dieser Fall gehört allein
hierher zu unsren anomalischen Rechten, und um seinet-
willen sind bis jetzt auch die verwandten Fälle festgestellt
worden, weil er nur in dieser Umgebung nach seiner Ei-
genthümlichkeit richtig aufgefaßt werden kann. -- In der
Regel nun kann der Sohn in eigenem Namen deswegen
nicht klagen, weil er keine eigenen Rechte haben kann,
die durch Klage zu verfolgen wären (o): er kann nicht
vindiciren weil er kein Eigenthum hat, keine Schuldklage
anstellen weil er nicht Gläubiger seyn kann. Der Grund
dieser Unfähigkeit ist also materieller Art, und liegt nicht
etwa in einer besondern Ausschließung des Sohnes von
gerichtlichen Geschäften: daher kann derselbe aus solchen
Thatsachen, die während der väterlichen Gewalt vorfallen,
in der Regel auch nach deren Auflösung nicht klagen (p).
-- Allein es giebt wichtige ausgenommene Fälle, in wel-
chen der filiusfamilias in eigenem Namen klagen kann,

(o) L. 13 § 2 quod vi (43. 24.).
"Idem ait, adversus filiumfa-
milias in re peculiari neminem
clam videri fecisse: namque
si scit eum filiumfamilias esse,
non videtur ejus celandi gratia
fecisse, quem certum est nul-
lam secum actionem habere.
"
(p) So z. B. wenn dem Sohn
eine Sache aus dem Peculium
gestohlen wird, so erwirbt die
furti actio der Vater, nicht der
Sohn, weil der Diebstahl nur dem
Vater ein Recht verletzt hat; auch
die Emancipation kann hieran
Nichts ändern. Gesetzt aber, der
Sohn hatte ein Pferd gemiethet,
und dieses stehlen lassen, so ist
weder dem Vater noch dem Sohn
ein Recht verletzt; allein der Sohn
ist dem Vermiether zur Entschä-
digung verpflichtet, und deswegen
wird auf ihn, eben so wie auf
einen Miether der sui juris ist,
die furti actio übertragen (L. 14
§ 16 de furtis
47. 2.), und diese
kann er nach aufgelöster väterli-
cher Gewalt selbständig anstellen,
weil seine Schuld gegen den Ver-
miether stets fortdauert. (Wäh-
7*
§. 71. Anomaliſche Rechte. Allgemeine Natur.

B. In eigenem Namen. Dieſer Fall gehört allein
hierher zu unſren anomaliſchen Rechten, und um ſeinet-
willen ſind bis jetzt auch die verwandten Fälle feſtgeſtellt
worden, weil er nur in dieſer Umgebung nach ſeiner Ei-
genthümlichkeit richtig aufgefaßt werden kann. — In der
Regel nun kann der Sohn in eigenem Namen deswegen
nicht klagen, weil er keine eigenen Rechte haben kann,
die durch Klage zu verfolgen wären (o): er kann nicht
vindiciren weil er kein Eigenthum hat, keine Schuldklage
anſtellen weil er nicht Gläubiger ſeyn kann. Der Grund
dieſer Unfähigkeit iſt alſo materieller Art, und liegt nicht
etwa in einer beſondern Ausſchließung des Sohnes von
gerichtlichen Geſchäften: daher kann derſelbe aus ſolchen
Thatſachen, die während der väterlichen Gewalt vorfallen,
in der Regel auch nach deren Aufloͤſung nicht klagen (p).
— Allein es giebt wichtige ausgenommene Fälle, in wel-
chen der filiusfamilias in eigenem Namen klagen kann,

(o) L. 13 § 2 quod vi (43. 24.).
„Idem ait, adversus filiumfa-
milias in re peculiari neminem
clam videri fecisse: namque
si scit eum filiumfamilias esse,
non videtur ejus celandi gratia
fecisse, quem certum est nul-
lam secum actionem habere.
(p) So z. B. wenn dem Sohn
eine Sache aus dem Peculium
geſtohlen wird, ſo erwirbt die
furti actio der Vater, nicht der
Sohn, weil der Diebſtahl nur dem
Vater ein Recht verletzt hat; auch
die Emancipation kann hieran
Nichts ändern. Geſetzt aber, der
Sohn hatte ein Pferd gemiethet,
und dieſes ſtehlen laſſen, ſo iſt
weder dem Vater noch dem Sohn
ein Recht verletzt; allein der Sohn
iſt dem Vermiether zur Entſchä-
digung verpflichtet, und deswegen
wird auf ihn, eben ſo wie auf
einen Miether der sui juris iſt,
die furti actio übertragen (L. 14
§ 16 de furtis
47. 2.), und dieſe
kann er nach aufgelöſter väterli-
cher Gewalt ſelbſtändig anſtellen,
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miether ſtets fortdauert. (Wäh-
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[99/0113] §. 71. Anomaliſche Rechte. Allgemeine Natur. B. In eigenem Namen. Dieſer Fall gehört allein hierher zu unſren anomaliſchen Rechten, und um ſeinet- willen ſind bis jetzt auch die verwandten Fälle feſtgeſtellt worden, weil er nur in dieſer Umgebung nach ſeiner Ei- genthümlichkeit richtig aufgefaßt werden kann. — In der Regel nun kann der Sohn in eigenem Namen deswegen nicht klagen, weil er keine eigenen Rechte haben kann, die durch Klage zu verfolgen wären (o): er kann nicht vindiciren weil er kein Eigenthum hat, keine Schuldklage anſtellen weil er nicht Gläubiger ſeyn kann. Der Grund dieſer Unfähigkeit iſt alſo materieller Art, und liegt nicht etwa in einer beſondern Ausſchließung des Sohnes von gerichtlichen Geſchäften: daher kann derſelbe aus ſolchen Thatſachen, die während der väterlichen Gewalt vorfallen, in der Regel auch nach deren Aufloͤſung nicht klagen (p). — Allein es giebt wichtige ausgenommene Fälle, in wel- chen der filiusfamilias in eigenem Namen klagen kann, (o) L. 13 § 2 quod vi (43. 24.). „Idem ait, adversus filiumfa- milias in re peculiari neminem clam videri fecisse: namque si scit eum filiumfamilias esse, non videtur ejus celandi gratia fecisse, quem certum est nul- lam secum actionem habere.” (p) So z. B. wenn dem Sohn eine Sache aus dem Peculium geſtohlen wird, ſo erwirbt die furti actio der Vater, nicht der Sohn, weil der Diebſtahl nur dem Vater ein Recht verletzt hat; auch die Emancipation kann hieran Nichts ändern. Geſetzt aber, der Sohn hatte ein Pferd gemiethet, und dieſes ſtehlen laſſen, ſo iſt weder dem Vater noch dem Sohn ein Recht verletzt; allein der Sohn iſt dem Vermiether zur Entſchä- digung verpflichtet, und deswegen wird auf ihn, eben ſo wie auf einen Miether der sui juris iſt, die furti actio übertragen (L. 14 § 16 de furtis 47. 2.), und dieſe kann er nach aufgelöſter väterli- cher Gewalt ſelbſtändig anſtellen, weil ſeine Schuld gegen den Ver- miether ſtets fortdauert. (Wäh- 7*

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/113>, abgerufen am 25.11.2024.