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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Beylage II.
eingeschlagen, besonders indem sie die Vorschrift auf ir-
gend eine einzelne Anwendung der Gewohnheiten zu be-
schränken versuchten; dadurch wurde der Widerstreit mit
anderen Stellen höchstens quantitativ vermindert, nicht
aufgehoben (m). Einige legen alles Gewicht auf das sui
momento:
die Gewohnheit an sich sey nicht besser als ein
Gesetz, es komme also stets nur darauf an, welches von
beiden das neuere sey. Dann wäre der praktische Sinn
nur der, daß jede Gewohnheit durch ein späteres Gesetz
ganz gewiß aufgehoben werde, und nicht etwa dagegen
durch ihre höhere Natur geschützt sey. Etwas so Über-
flüssiges hat aber gewiß Constantin nicht aussprechen wol-
len (n). Endlich deutet Hofacker die Erklärung an, nach
welcher die consuetudo hier nicht ein Gewohnheitsrecht,
sondern nur eine factische, materielle Gewohnheit (wie
z. B. häufige Diebstähle) bezeichne: diese solle ein Gesetz
nicht aufheben (o). Allein dafür würde selbst der beschei-

(m) So z. B. Schweitzer de
desuetudine Lips. 1801. 8. p.
47
-- 57. (Hübner) Berichtigun-
gen und Zusätze zu Höpfner
S. 167. -- Schweitzer beschränkt
die Stelle ganz willkührlich auf
die bloße desuetudo im Gegen-
satz der stets zulässigen obrogatio
durch Gewohnheit: die desuetudo
sey in der Republik gültig gewe-
sen (darauf gehe L. 32 de leg.),
in der Monarchie nicht (L. 2 C.
quae sit l. c.
). -- Hübner sieht
in der Stelle blos das Verbot
einer irrigen Usualinterpretation:
aber durch diese würde ja nicht
die lex überwunden, sondern nur
die abweichende Meynung Desje-
nigen, der diese Auslegung für
irrig hält.
(n) Hilliger ad Donellum I.
10, und ausführlicher Avera-
nius
Interpret. Lib. 2. C.
1.
(o) Hofacker I. § 122: ".. con-
suetudinem h. l. accipi pro con-
suetudine agendi civium
, quae
.. legi prohibitivae obstet."
--
Puchta I. 120. II. 58. 211 -- 215
schlägt einen ähnlichen Weg ein,
indem er die hier erwähnte con-

Beylage II.
eingeſchlagen, beſonders indem ſie die Vorſchrift auf ir-
gend eine einzelne Anwendung der Gewohnheiten zu be-
ſchränken verſuchten; dadurch wurde der Widerſtreit mit
anderen Stellen höchſtens quantitativ vermindert, nicht
aufgehoben (m). Einige legen alles Gewicht auf das sui
momento:
die Gewohnheit an ſich ſey nicht beſſer als ein
Geſetz, es komme alſo ſtets nur darauf an, welches von
beiden das neuere ſey. Dann wäre der praktiſche Sinn
nur der, daß jede Gewohnheit durch ein ſpäteres Geſetz
ganz gewiß aufgehoben werde, und nicht etwa dagegen
durch ihre höhere Natur geſchützt ſey. Etwas ſo Über-
flüſſiges hat aber gewiß Conſtantin nicht ausſprechen wol-
len (n). Endlich deutet Hofacker die Erklärung an, nach
welcher die consuetudo hier nicht ein Gewohnheitsrecht,
ſondern nur eine factiſche, materielle Gewohnheit (wie
z. B. häufige Diebſtähle) bezeichne: dieſe ſolle ein Geſetz
nicht aufheben (o). Allein dafür würde ſelbſt der beſchei-

(m) So z. B. Schweitzer de
desuetudine Lips. 1801. 8. p.
47
— 57. (Hübner) Berichtigun-
gen und Zuſätze zu Höpfner
S. 167. — Schweitzer beſchränkt
die Stelle ganz willkührlich auf
die bloße desuetudo im Gegen-
ſatz der ſtets zuläſſigen obrogatio
durch Gewohnheit: die desuetudo
ſey in der Republik gültig gewe-
ſen (darauf gehe L. 32 de leg.),
in der Monarchie nicht (L. 2 C.
quae sit l. c.
). — Hübner ſieht
in der Stelle blos das Verbot
einer irrigen Uſualinterpretation:
aber durch dieſe würde ja nicht
die lex überwunden, ſondern nur
die abweichende Meynung Desje-
nigen, der dieſe Auslegung für
irrig hält.
(n) Hilliger ad Donellum I.
10, und ausführlicher Avera-
nius
Interpret. Lib. 2. C.
1.
(o) Hofacker I. § 122: „.. con-
suetudinem h. l. accipi pro con-
suetudine agendi civium
, quae
.. legi prohibitivae obstet.”

Puchta I. 120. II. 58. 211 — 215
ſchlägt einen ähnlichen Weg ein,
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[426/0482] Beylage II. eingeſchlagen, beſonders indem ſie die Vorſchrift auf ir- gend eine einzelne Anwendung der Gewohnheiten zu be- ſchränken verſuchten; dadurch wurde der Widerſtreit mit anderen Stellen höchſtens quantitativ vermindert, nicht aufgehoben (m). Einige legen alles Gewicht auf das sui momento: die Gewohnheit an ſich ſey nicht beſſer als ein Geſetz, es komme alſo ſtets nur darauf an, welches von beiden das neuere ſey. Dann wäre der praktiſche Sinn nur der, daß jede Gewohnheit durch ein ſpäteres Geſetz ganz gewiß aufgehoben werde, und nicht etwa dagegen durch ihre höhere Natur geſchützt ſey. Etwas ſo Über- flüſſiges hat aber gewiß Conſtantin nicht ausſprechen wol- len (n). Endlich deutet Hofacker die Erklärung an, nach welcher die consuetudo hier nicht ein Gewohnheitsrecht, ſondern nur eine factiſche, materielle Gewohnheit (wie z. B. häufige Diebſtähle) bezeichne: dieſe ſolle ein Geſetz nicht aufheben (o). Allein dafür würde ſelbſt der beſchei- (m) So z. B. Schweitzer de desuetudine Lips. 1801. 8. p. 47 — 57. (Hübner) Berichtigun- gen und Zuſätze zu Höpfner S. 167. — Schweitzer beſchränkt die Stelle ganz willkührlich auf die bloße desuetudo im Gegen- ſatz der ſtets zuläſſigen obrogatio durch Gewohnheit: die desuetudo ſey in der Republik gültig gewe- ſen (darauf gehe L. 32 de leg.), in der Monarchie nicht (L. 2 C. quae sit l. c.). — Hübner ſieht in der Stelle blos das Verbot einer irrigen Uſualinterpretation: aber durch dieſe würde ja nicht die lex überwunden, ſondern nur die abweichende Meynung Desje- nigen, der dieſe Auslegung für irrig hält. (n) Hilliger ad Donellum I. 10, und ausführlicher Avera- nius Interpret. Lib. 2. C. 1. (o) Hofacker I. § 122: „.. con- suetudinem h. l. accipi pro con- suetudine agendi civium, quae .. legi prohibitivae obstet.” — Puchta I. 120. II. 58. 211 — 215 ſchlägt einen ähnlichen Weg ein, indem er die hier erwähnte con-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/482>, abgerufen am 25.11.2024.