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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 59. Abweichende Meynungen über die Klassification.
rungen augenscheinlich herbeygeführt werden mußte. Diese
Ordnung des Gajus nun haben wir nach zwey Gesichts-
punkten zu prüfen: nach ihrer Entstehung und Verbrei-
tung, und nach dem innern Werthe.

Was den ersten Gesichtspunkt (den historischen) betrifft,
so hat man nicht selten angenommen oder stillschweigend
vorausgesetzt, die Eintheilung in persona, res, actio, als
die drey Gegenstände der Rechtsregeln (c), sey eine uralte
und allgemein Römische, indem sie in allen oder den mei-
sten Systemen Römischer Juristen wirklich befolgt worden
sey (d). In der That kommen solche typische Gegensätze
im Römischen Recht vor, deren altes und fest begründe-
tes Daseyn aus dem überall wiederkehrenden, stets gleich-
förmigen Sprachgebrauch unzweifelhaft wird. Dahin ge-
hört das vi, clam, precario, die drey Arten der Abhän-
gigkeit nach potestas, manus, mancipium, die drey capitis
deminutiones,
die drey Stände der cives, latini, peregrini.
Daß solche Gegensätze eine tiefe Wurzel in den Rechtsan-
sichten selbst hatten, und daß sie wiederum auf die Be-

(c) So ist diese Eintheilung zu
verstehen, indem Gajus I. § 8
sagt: "Omne jus quo utimur
vel ad personas pertinet, vel
ad res, vel ad actiones,"
gerade
so wie er § 1 gesagt hatte: "Popu-
lus itaque Romanus partim suo
proprio, partim communi om-
nium hominum jure utitur."
Persona, res, actio
sind ihm also
Gegenstände der Rechtsregeln,
nicht der Befugnisse, oder (nach
einem bekannten Sprachgebrauch)
es ist ihm eine Eintheilung des
objectiven Rechts, nicht des sub-
jectiven.
(d) Hugo nahm früher eine
solche Allgemeinheit für die den
Namen Institutiones führenden
Werke Römischer Juristen an, spä-
ter erklärte er sie für zweifelhaft.
Civ. Magazin B. 5 S. 403. 404,
B. 6 S. 286. 287. 337.

§. 59. Abweichende Meynungen über die Klaſſification.
rungen augenſcheinlich herbeygeführt werden mußte. Dieſe
Ordnung des Gajus nun haben wir nach zwey Geſichts-
punkten zu prüfen: nach ihrer Entſtehung und Verbrei-
tung, und nach dem innern Werthe.

Was den erſten Geſichtspunkt (den hiſtoriſchen) betrifft,
ſo hat man nicht ſelten angenommen oder ſtillſchweigend
vorausgeſetzt, die Eintheilung in persona, res, actio, als
die drey Gegenſtände der Rechtsregeln (c), ſey eine uralte
und allgemein Roͤmiſche, indem ſie in allen oder den mei-
ſten Syſtemen Roͤmiſcher Juriſten wirklich befolgt worden
ſey (d). In der That kommen ſolche typiſche Gegenſätze
im Roͤmiſchen Recht vor, deren altes und feſt begründe-
tes Daſeyn aus dem überall wiederkehrenden, ſtets gleich-
foͤrmigen Sprachgebrauch unzweifelhaft wird. Dahin ge-
hoͤrt das vi, clam, precario, die drey Arten der Abhän-
gigkeit nach potestas, manus, mancipium, die drey capitis
deminutiones,
die drey Stände der cives, latini, peregrini.
Daß ſolche Gegenſätze eine tiefe Wurzel in den Rechtsan-
ſichten ſelbſt hatten, und daß ſie wiederum auf die Be-

(c) So iſt dieſe Eintheilung zu
verſtehen, indem Gajus I. § 8
ſagt: „Omne jus quo utimur
vel ad personas pertinet, vel
ad res, vel ad actiones,”
gerade
ſo wie er § 1 geſagt hatte: „Popu-
lus itaque Romanus partim suo
proprio, partim communi om-
nium hominum jure utitur.
Persona, res, actio
ſind ihm alſo
Gegenſtände der Rechtsregeln,
nicht der Befugniſſe, oder (nach
einem bekannten Sprachgebrauch)
es iſt ihm eine Eintheilung des
objectiven Rechts, nicht des ſub-
jectiven.
(d) Hugo nahm früher eine
ſolche Allgemeinheit für die den
Namen Institutiones führenden
Werke Römiſcher Juriſten an, ſpä-
ter erklärte er ſie für zweifelhaft.
Civ. Magazin B. 5 S. 403. 404,
B. 6 S. 286. 287. 337.
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[395/0451] §. 59. Abweichende Meynungen über die Klaſſification. rungen augenſcheinlich herbeygeführt werden mußte. Dieſe Ordnung des Gajus nun haben wir nach zwey Geſichts- punkten zu prüfen: nach ihrer Entſtehung und Verbrei- tung, und nach dem innern Werthe. Was den erſten Geſichtspunkt (den hiſtoriſchen) betrifft, ſo hat man nicht ſelten angenommen oder ſtillſchweigend vorausgeſetzt, die Eintheilung in persona, res, actio, als die drey Gegenſtände der Rechtsregeln (c), ſey eine uralte und allgemein Roͤmiſche, indem ſie in allen oder den mei- ſten Syſtemen Roͤmiſcher Juriſten wirklich befolgt worden ſey (d). In der That kommen ſolche typiſche Gegenſätze im Roͤmiſchen Recht vor, deren altes und feſt begründe- tes Daſeyn aus dem überall wiederkehrenden, ſtets gleich- foͤrmigen Sprachgebrauch unzweifelhaft wird. Dahin ge- hoͤrt das vi, clam, precario, die drey Arten der Abhän- gigkeit nach potestas, manus, mancipium, die drey capitis deminutiones, die drey Stände der cives, latini, peregrini. Daß ſolche Gegenſätze eine tiefe Wurzel in den Rechtsan- ſichten ſelbſt hatten, und daß ſie wiederum auf die Be- (c) So iſt dieſe Eintheilung zu verſtehen, indem Gajus I. § 8 ſagt: „Omne jus quo utimur vel ad personas pertinet, vel ad res, vel ad actiones,” gerade ſo wie er § 1 geſagt hatte: „Popu- lus itaque Romanus partim suo proprio, partim communi om- nium hominum jure utitur.” Persona, res, actio ſind ihm alſo Gegenſtände der Rechtsregeln, nicht der Befugniſſe, oder (nach einem bekannten Sprachgebrauch) es iſt ihm eine Eintheilung des objectiven Rechts, nicht des ſub- jectiven. (d) Hugo nahm früher eine ſolche Allgemeinheit für die den Namen Institutiones führenden Werke Römiſcher Juriſten an, ſpä- ter erklärte er ſie für zweifelhaft. Civ. Magazin B. 5 S. 403. 404, B. 6 S. 286. 287. 337.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/451>, abgerufen am 03.05.2024.