Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten. handlung der Theorie einwirkten, ist nicht zu bezweifeln.Ein ähnlich altes und verbreitetes Daseyn ließe sich aller- dings auch bey der Eintheilung nach persona, res, actio denken, und dann wäre ihre Wichtigkeit im Zusammen- hang mit dem Inhalt des Römischen Rechts nicht zu be- zweifeln; es fragt sich nur, ob dieses denkbare auch wahr ist. Zu dieser Annahme aber haben wir nicht den gering- sten historischen Grund, ja sie wird vielmehr dadurch sehr unwahrscheinlich, daß derselbe Gajus ein verwandtes Werk (die res quotidianae) nach einem andern Plane geschrie- ben hat, und daß die Institutionen des Florentinus, in welchen man nach dem gleichen Titel dieselbe Ordnung mit den Institutionen des Gajus erwarten möchte, den- noch eine andere Ordnung befolgen (e). Wir haben also keinen Grund, jener Eintheilung irgend eine allgemeine Verbreitung zuzuschreiben, vielmehr ist es eben so möglich, daß sie blos auf einer individuellen, zufälligen Ansicht des Gajus beruhte, der eben damals gerade so anzuordnen für gut fand, und damit verschwindet völlig das histori- sche Gewicht, welches man darauf zu legen versucht hat (f). (e) Göschen in der Zeitschrift für geschichtliche Rechtswissenschaft B. 1. S. 74 -- 76. (f) Hugo civil. Magaz. B. 5
S. 417. B. 6 S. 284 hat noch ei- nen andern Weg eingeschlagen, jener Eintheilung einen tiefen hi- storischen Grund zu vindiciren. Sie soll nämlich gar nicht in der Rechtswissenschaft entstanden seyn, sondern auf einer allgemeinen Le- bensansicht beruhen, die sich die alten Juristen nur aneigneten, nachdem sie dieselbe bey irgend einem nichtjuristischen Schrift- steller gefunden hatten. Wäre diese Annahme auch mehr als bloße Hypothese, so würde sie doch eher gegen als für den all- gemeinen Gebrauch bey den Rö- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten. handlung der Theorie einwirkten, iſt nicht zu bezweifeln.Ein ähnlich altes und verbreitetes Daſeyn ließe ſich aller- dings auch bey der Eintheilung nach persona, res, actio denken, und dann wäre ihre Wichtigkeit im Zuſammen- hang mit dem Inhalt des Roͤmiſchen Rechts nicht zu be- zweifeln; es fragt ſich nur, ob dieſes denkbare auch wahr iſt. Zu dieſer Annahme aber haben wir nicht den gering- ſten hiſtoriſchen Grund, ja ſie wird vielmehr dadurch ſehr unwahrſcheinlich, daß derſelbe Gajus ein verwandtes Werk (die res quotidianae) nach einem andern Plane geſchrie- ben hat, und daß die Inſtitutionen des Florentinus, in welchen man nach dem gleichen Titel dieſelbe Ordnung mit den Inſtitutionen des Gajus erwarten möchte, den- noch eine andere Ordnung befolgen (e). Wir haben alſo keinen Grund, jener Eintheilung irgend eine allgemeine Verbreitung zuzuſchreiben, vielmehr iſt es eben ſo möglich, daß ſie blos auf einer individuellen, zufälligen Anſicht des Gajus beruhte, der eben damals gerade ſo anzuordnen für gut fand, und damit verſchwindet voͤllig das hiſtori- ſche Gewicht, welches man darauf zu legen verſucht hat (f). (e) Göſchen in der Zeitſchrift für geſchichtliche Rechtswiſſenſchaft B. 1. S. 74 — 76. (f) Hugo civil. Magaz. B. 5
S. 417. B. 6 S. 284 hat noch ei- nen andern Weg eingeſchlagen, jener Eintheilung einen tiefen hi- ſtoriſchen Grund zu vindiciren. Sie ſoll nämlich gar nicht in der Rechtswiſſenſchaft entſtanden ſeyn, ſondern auf einer allgemeinen Le- bensanſicht beruhen, die ſich die alten Juriſten nur aneigneten, nachdem ſie dieſelbe bey irgend einem nichtjuriſtiſchen Schrift- ſteller gefunden hatten. Wäre dieſe Annahme auch mehr als bloße Hypotheſe, ſo würde ſie doch eher gegen als für den all- gemeinen Gebrauch bey den Rö- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0452" n="396"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">I.</hi> Weſen und Arten.</fw><lb/> handlung der Theorie einwirkten, iſt nicht zu bezweifeln.<lb/> Ein ähnlich altes und verbreitetes Daſeyn ließe ſich aller-<lb/> dings auch bey der Eintheilung nach <hi rendition="#aq">persona, res, actio</hi><lb/> denken, und dann wäre ihre Wichtigkeit im Zuſammen-<lb/> hang mit dem Inhalt des Roͤmiſchen Rechts nicht zu be-<lb/> zweifeln; es fragt ſich nur, ob dieſes denkbare auch wahr<lb/> iſt. Zu dieſer Annahme aber haben wir nicht den gering-<lb/> ſten hiſtoriſchen Grund, ja ſie wird vielmehr dadurch ſehr<lb/> unwahrſcheinlich, daß derſelbe Gajus ein verwandtes Werk<lb/> (die <hi rendition="#aq">res quotidianae</hi>) nach einem andern Plane geſchrie-<lb/> ben hat, und daß die Inſtitutionen des Florentinus, in<lb/> welchen man nach dem gleichen Titel dieſelbe Ordnung<lb/> mit den Inſtitutionen des Gajus erwarten möchte, den-<lb/> noch eine andere Ordnung befolgen <note place="foot" n="(e)"><hi rendition="#g">Göſchen</hi> in der Zeitſchrift<lb/> für geſchichtliche Rechtswiſſenſchaft<lb/> B. 1. S. 74 — 76.</note>. Wir haben alſo<lb/> keinen Grund, jener Eintheilung irgend eine allgemeine<lb/> Verbreitung zuzuſchreiben, vielmehr iſt es eben ſo möglich,<lb/> daß ſie blos auf einer individuellen, zufälligen Anſicht des<lb/> Gajus beruhte, der eben damals gerade ſo anzuordnen<lb/> für gut fand, und damit verſchwindet voͤllig das hiſtori-<lb/> ſche Gewicht, welches man darauf zu legen verſucht hat <note xml:id="seg2pn_53_1" next="#seg2pn_53_2" place="foot" n="(f)"><hi rendition="#g">Hugo</hi> civil. Magaz. B. 5<lb/> S. 417. B. 6 S. 284 hat noch ei-<lb/> nen andern Weg eingeſchlagen,<lb/> jener Eintheilung einen tiefen hi-<lb/> ſtoriſchen Grund zu vindiciren.<lb/> Sie ſoll nämlich gar nicht in der<lb/> Rechtswiſſenſchaft entſtanden ſeyn,<lb/> ſondern auf einer allgemeinen Le-<lb/> bensanſicht beruhen, die ſich die<lb/> alten Juriſten nur aneigneten,<lb/> nachdem ſie dieſelbe bey irgend<lb/> einem nichtjuriſtiſchen Schrift-<lb/> ſteller gefunden hatten. Wäre<lb/> dieſe Annahme auch mehr als<lb/> bloße Hypotheſe, ſo würde ſie<lb/> doch eher gegen als für den all-<lb/> gemeinen Gebrauch bey den Rö-</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [396/0452]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
handlung der Theorie einwirkten, iſt nicht zu bezweifeln.
Ein ähnlich altes und verbreitetes Daſeyn ließe ſich aller-
dings auch bey der Eintheilung nach persona, res, actio
denken, und dann wäre ihre Wichtigkeit im Zuſammen-
hang mit dem Inhalt des Roͤmiſchen Rechts nicht zu be-
zweifeln; es fragt ſich nur, ob dieſes denkbare auch wahr
iſt. Zu dieſer Annahme aber haben wir nicht den gering-
ſten hiſtoriſchen Grund, ja ſie wird vielmehr dadurch ſehr
unwahrſcheinlich, daß derſelbe Gajus ein verwandtes Werk
(die res quotidianae) nach einem andern Plane geſchrie-
ben hat, und daß die Inſtitutionen des Florentinus, in
welchen man nach dem gleichen Titel dieſelbe Ordnung
mit den Inſtitutionen des Gajus erwarten möchte, den-
noch eine andere Ordnung befolgen (e). Wir haben alſo
keinen Grund, jener Eintheilung irgend eine allgemeine
Verbreitung zuzuſchreiben, vielmehr iſt es eben ſo möglich,
daß ſie blos auf einer individuellen, zufälligen Anſicht des
Gajus beruhte, der eben damals gerade ſo anzuordnen
für gut fand, und damit verſchwindet voͤllig das hiſtori-
ſche Gewicht, welches man darauf zu legen verſucht hat (f).
(e) Göſchen in der Zeitſchrift
für geſchichtliche Rechtswiſſenſchaft
B. 1. S. 74 — 76.
(f) Hugo civil. Magaz. B. 5
S. 417. B. 6 S. 284 hat noch ei-
nen andern Weg eingeſchlagen,
jener Eintheilung einen tiefen hi-
ſtoriſchen Grund zu vindiciren.
Sie ſoll nämlich gar nicht in der
Rechtswiſſenſchaft entſtanden ſeyn,
ſondern auf einer allgemeinen Le-
bensanſicht beruhen, die ſich die
alten Juriſten nur aneigneten,
nachdem ſie dieſelbe bey irgend
einem nichtjuriſtiſchen Schrift-
ſteller gefunden hatten. Wäre
dieſe Annahme auch mehr als
bloße Hypotheſe, ſo würde ſie
doch eher gegen als für den all-
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