Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. I. Wesen und Arten.
danke an die durch die Blutsverwandtschaft begründete Fortsetzung der Individualität (§ 53) von Einfluß ist.
Nach einer zweyten möglichen Behandlung wird das, was bisher Privatvermögen war, bey dem Tod des In- habers in Staatsvermögen verwandelt. Dieses findet sich nicht selten in den Staaten des Orients. Aber auch im christlichen Europa tritt häufig dieses Verfahren ein, wie- wohl auf weit beschränktere Weise; nämlich überall wo Erbschaftssteuern eingeführt sind, deren eigentliches We- sen in einer Theilung der Erbschaft zwischen dem Staat und anderen Erben besteht.
Uns geht hier nur die erste mögliche Lösung der Auf- gabe an, nicht blos weil sie im Römischen Recht aner- kannt ist, sondern auch weil sie allein dem Privatrecht angehört, mit welchem wir uns ausschließend zu beschäf- tigen haben. Bey dieser nun entsteht vor allem die wich- tige Frage, in welcher juristischen Form jener Übergang des erledigten Vermögens auf neue Privat-Inhaber be- wirkt werden soll. Die Verschiedenheiten, welche in die- ser Hinsicht wahrgenommen werden, hängen nicht etwa von verschiedenen Principien ab, zwischen welchen zu wäh- len wäre, sondern vielmehr von der mehr oder weniger gründlichen Auffassung und Lösung der Aufgabe selbst. Es wäre denkbar, daß eine Gesetzgebung sich auf Bestimmun- gen beschränkte, wodurch die einzelnen Bestandtheile des Vermögens, insoferne sie Etwas werth sind, auch wirklich an die Personen gebracht würden, welchen das erledigte
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
danke an die durch die Blutsverwandtſchaft begründete Fortſetzung der Individualität (§ 53) von Einfluß iſt.
Nach einer zweyten möglichen Behandlung wird das, was bisher Privatvermögen war, bey dem Tod des In- habers in Staatsvermögen verwandelt. Dieſes findet ſich nicht ſelten in den Staaten des Orients. Aber auch im chriſtlichen Europa tritt häufig dieſes Verfahren ein, wie- wohl auf weit beſchränktere Weiſe; nämlich überall wo Erbſchaftsſteuern eingeführt ſind, deren eigentliches We- ſen in einer Theilung der Erbſchaft zwiſchen dem Staat und anderen Erben beſteht.
Uns geht hier nur die erſte mögliche Löſung der Auf- gabe an, nicht blos weil ſie im Römiſchen Recht aner- kannt iſt, ſondern auch weil ſie allein dem Privatrecht angehört, mit welchem wir uns ausſchließend zu beſchäf- tigen haben. Bey dieſer nun entſteht vor allem die wich- tige Frage, in welcher juriſtiſchen Form jener Übergang des erledigten Vermögens auf neue Privat-Inhaber be- wirkt werden ſoll. Die Verſchiedenheiten, welche in die- ſer Hinſicht wahrgenommen werden, hängen nicht etwa von verſchiedenen Principien ab, zwiſchen welchen zu wäh- len wäre, ſondern vielmehr von der mehr oder weniger gründlichen Auffaſſung und Löſung der Aufgabe ſelbſt. Es wäre denkbar, daß eine Geſetzgebung ſich auf Beſtimmun- gen beſchränkte, wodurch die einzelnen Beſtandtheile des Vermögens, inſoferne ſie Etwas werth ſind, auch wirklich an die Perſonen gebracht würden, welchen das erledigte
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. I. Weſen und Arten.
danke an die durch die Blutsverwandtſchaft begründete
Fortſetzung der Individualität (§ 53) von Einfluß iſt.
Nach einer zweyten möglichen Behandlung wird das,
was bisher Privatvermögen war, bey dem Tod des In-
habers in Staatsvermögen verwandelt. Dieſes findet ſich
nicht ſelten in den Staaten des Orients. Aber auch im
chriſtlichen Europa tritt häufig dieſes Verfahren ein, wie-
wohl auf weit beſchränktere Weiſe; nämlich überall wo
Erbſchaftsſteuern eingeführt ſind, deren eigentliches We-
ſen in einer Theilung der Erbſchaft zwiſchen dem Staat
und anderen Erben beſteht.
Uns geht hier nur die erſte mögliche Löſung der Auf-
gabe an, nicht blos weil ſie im Römiſchen Recht aner-
kannt iſt, ſondern auch weil ſie allein dem Privatrecht
angehört, mit welchem wir uns ausſchließend zu beſchäf-
tigen haben. Bey dieſer nun entſteht vor allem die wich-
tige Frage, in welcher juriſtiſchen Form jener Übergang
des erledigten Vermögens auf neue Privat-Inhaber be-
wirkt werden ſoll. Die Verſchiedenheiten, welche in die-
ſer Hinſicht wahrgenommen werden, hängen nicht etwa
von verſchiedenen Principien ab, zwiſchen welchen zu wäh-
len wäre, ſondern vielmehr von der mehr oder weniger
gründlichen Auffaſſung und Löſung der Aufgabe ſelbſt. Es
wäre denkbar, daß eine Geſetzgebung ſich auf Beſtimmun-
gen beſchränkte, wodurch die einzelnen Beſtandtheile des
Vermögens, inſoferne ſie Etwas werth ſind, auch wirklich
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/438>, abgerufen am 25.11.2024.
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