Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.Buch I. Quellen. Kap. IV. Quellen des heutigen R. R. den Institutionen und Digesten derogiren mußte, und da-durch gerade die Stellen des ersten Codex wiederherstellte, die ein Jahr zuvor aufgehoben worden waren. Einen so leichtsinnigen Wechsel des Rechts konnte Justinian unmög- lich herbeyführen wollen (f). Ja er konnte gar nicht an ein Derogiren dieser Art denken, weil er zwischen den Rechtsbüchern keine Widersprüche, sondern nur gänzliche Übereinstimmung annahm. Die einzigen Stellen des neuen Codex, welche wir als derogirend betrachten könnten, ohne zur Annahme jener widersinnigen Abwechslung genöthigt zu seyn, und ohne der von Justinian angenommenen Har- monie zu widersprechen, sind die wenigen, welche zwischen der Gesetzeskraft der Digesten (30. Dec. 533), und der Promulgation des Codex (17. Dec. 534), also in dem Zeitraum von weniger als einem Jahre, erschienen sind (g). Daß diese dem Recht der Digesten vorgehen müssen, ist unzweifelhaft, dieser Vorzug aber folgt schon aus einem anderen, durchgreifenderen Grunde, von welchem sogleich ein ausgedehnter Gebrauch gemacht werden wird, und es ist um ihretwillen nicht nöthig, die spätere Promulgation (f) Dieser Grund wird mit Recht geltend gemacht von Thi- baut a. a. O., S. 83. (g) Solcher Constitutionen zählt
Reland Elf auf (fasti p. 710). Darunter sind aber mehrere, die ihrem kirchlichen oder publicisti- schen Inhalte nach, mit den Di- gesten gar nicht in Widerspruch kommen können. Es bleiben da- her nur folgende Sechs übrig, die das Privatrecht betreffen, und neues Recht einführen wollen: L. 2 C. de jur.propt. cal. (2.59.). L. 29 C. de nupt. (5. 4.). L. 31 C. de test. (6. 23.). L. un. C. de cad. toll. (6. 51.). L. 15 C. de leg. her. (6. 58.). L. un. C. de lat. lib. toll. (7. 6.). Buch I. Quellen. Kap. IV. Quellen des heutigen R. R. den Inſtitutionen und Digeſten derogiren mußte, und da-durch gerade die Stellen des erſten Codex wiederherſtellte, die ein Jahr zuvor aufgehoben worden waren. Einen ſo leichtſinnigen Wechſel des Rechts konnte Juſtinian unmög- lich herbeyführen wollen (f). Ja er konnte gar nicht an ein Derogiren dieſer Art denken, weil er zwiſchen den Rechtsbüchern keine Widerſprüche, ſondern nur gänzliche Übereinſtimmung annahm. Die einzigen Stellen des neuen Codex, welche wir als derogirend betrachten könnten, ohne zur Annahme jener widerſinnigen Abwechslung genöthigt zu ſeyn, und ohne der von Juſtinian angenommenen Har- monie zu widerſprechen, ſind die wenigen, welche zwiſchen der Geſetzeskraft der Digeſten (30. Dec. 533), und der Promulgation des Codex (17. Dec. 534), alſo in dem Zeitraum von weniger als einem Jahre, erſchienen ſind (g). Daß dieſe dem Recht der Digeſten vorgehen müſſen, iſt unzweifelhaft, dieſer Vorzug aber folgt ſchon aus einem anderen, durchgreifenderen Grunde, von welchem ſogleich ein ausgedehnter Gebrauch gemacht werden wird, und es iſt um ihretwillen nicht nöthig, die ſpätere Promulgation (f) Dieſer Grund wird mit Recht geltend gemacht von Thi- baut a. a. O., S. 83. (g) Solcher Conſtitutionen zählt
Reland Elf auf (fasti p. 710). Darunter ſind aber mehrere, die ihrem kirchlichen oder publiciſti- ſchen Inhalte nach, mit den Di- geſten gar nicht in Widerſpruch kommen können. Es bleiben da- her nur folgende Sechs übrig, die das Privatrecht betreffen, und neues Recht einführen wollen: L. 2 C. de jur.propt. cal. (2.59.). L. 29 C. de nupt. (5. 4.). L. 31 C. de test. (6. 23.). L. un. C. de cad. toll. (6. 51.). L. 15 C. de leg. her. (6. 58.). L. un. C. de lat. lib. toll. (7. 6.). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0328" n="272"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Quellen des heutigen R. R.</fw><lb/> den Inſtitutionen und Digeſten derogiren mußte, und da-<lb/> durch gerade die Stellen des erſten Codex wiederherſtellte,<lb/> die ein Jahr zuvor aufgehoben worden waren. Einen ſo<lb/> leichtſinnigen Wechſel des Rechts konnte Juſtinian unmög-<lb/> lich herbeyführen wollen <note place="foot" n="(f)">Dieſer Grund wird mit<lb/> Recht geltend gemacht von <hi rendition="#g">Thi-<lb/> baut</hi> a. a. O., S. 83.</note>. Ja er konnte gar nicht an<lb/> ein Derogiren dieſer Art denken, weil er zwiſchen den<lb/> Rechtsbüchern keine Widerſprüche, ſondern nur gänzliche<lb/> Übereinſtimmung annahm. Die einzigen Stellen des neuen<lb/> Codex, welche wir als derogirend betrachten könnten, ohne<lb/> zur Annahme jener widerſinnigen Abwechslung genöthigt<lb/> zu ſeyn, und ohne der von Juſtinian angenommenen Har-<lb/> monie zu widerſprechen, ſind die wenigen, welche zwiſchen<lb/> der Geſetzeskraft der Digeſten (30. Dec. 533), und der<lb/> Promulgation des Codex (17. Dec. 534), alſo in dem<lb/> Zeitraum von weniger als einem Jahre, erſchienen ſind <note place="foot" n="(g)">Solcher Conſtitutionen zählt<lb/> Reland Elf auf (<hi rendition="#aq">fasti p.</hi> 710).<lb/> Darunter ſind aber mehrere, die<lb/> ihrem kirchlichen oder publiciſti-<lb/> ſchen Inhalte nach, mit den Di-<lb/> geſten gar nicht in Widerſpruch<lb/> kommen können. Es bleiben da-<lb/> her nur folgende Sechs übrig,<lb/> die das Privatrecht betreffen, und<lb/> neues Recht einführen wollen:<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 2 <hi rendition="#i">C. de jur.propt. cal.</hi> (2.59.).<lb/><hi rendition="#i">L.</hi> 29 <hi rendition="#i">C. de nupt.</hi> (5. 4.). <hi rendition="#i">L.</hi> 31<lb/><hi rendition="#i">C. de test.</hi> (6. 23.). <hi rendition="#i">L. un. C.<lb/> de cad. toll.</hi> (6. 51.). <hi rendition="#i">L.</hi> 15<lb/><hi rendition="#i">C. de leg. her.</hi> (6. 58.). <hi rendition="#i">L. un.<lb/> C. de lat. lib. toll.</hi></hi> (7. 6.).</note>.<lb/> Daß dieſe dem Recht der Digeſten vorgehen müſſen, iſt<lb/> unzweifelhaft, dieſer Vorzug aber folgt ſchon aus einem<lb/> anderen, durchgreifenderen Grunde, von welchem ſogleich<lb/> ein ausgedehnter Gebrauch gemacht werden wird, und es<lb/> iſt um ihretwillen nicht nöthig, die ſpätere Promulgation<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [272/0328]
Buch I. Quellen. Kap. IV. Quellen des heutigen R. R.
den Inſtitutionen und Digeſten derogiren mußte, und da-
durch gerade die Stellen des erſten Codex wiederherſtellte,
die ein Jahr zuvor aufgehoben worden waren. Einen ſo
leichtſinnigen Wechſel des Rechts konnte Juſtinian unmög-
lich herbeyführen wollen (f). Ja er konnte gar nicht an
ein Derogiren dieſer Art denken, weil er zwiſchen den
Rechtsbüchern keine Widerſprüche, ſondern nur gänzliche
Übereinſtimmung annahm. Die einzigen Stellen des neuen
Codex, welche wir als derogirend betrachten könnten, ohne
zur Annahme jener widerſinnigen Abwechslung genöthigt
zu ſeyn, und ohne der von Juſtinian angenommenen Har-
monie zu widerſprechen, ſind die wenigen, welche zwiſchen
der Geſetzeskraft der Digeſten (30. Dec. 533), und der
Promulgation des Codex (17. Dec. 534), alſo in dem
Zeitraum von weniger als einem Jahre, erſchienen ſind (g).
Daß dieſe dem Recht der Digeſten vorgehen müſſen, iſt
unzweifelhaft, dieſer Vorzug aber folgt ſchon aus einem
anderen, durchgreifenderen Grunde, von welchem ſogleich
ein ausgedehnter Gebrauch gemacht werden wird, und es
iſt um ihretwillen nicht nöthig, die ſpätere Promulgation
(f) Dieſer Grund wird mit
Recht geltend gemacht von Thi-
baut a. a. O., S. 83.
(g) Solcher Conſtitutionen zählt
Reland Elf auf (fasti p. 710).
Darunter ſind aber mehrere, die
ihrem kirchlichen oder publiciſti-
ſchen Inhalte nach, mit den Di-
geſten gar nicht in Widerſpruch
kommen können. Es bleiben da-
her nur folgende Sechs übrig,
die das Privatrecht betreffen, und
neues Recht einführen wollen:
L. 2 C. de jur.propt. cal. (2.59.).
L. 29 C. de nupt. (5. 4.). L. 31
C. de test. (6. 23.). L. un. C.
de cad. toll. (6. 51.). L. 15
C. de leg. her. (6. 58.). L. un.
C. de lat. lib. toll. (7. 6.).
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