Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 44. Rechtsquellen als Ganzes. Widerspruch. Fortsetzung.
des neuen Codex, worin sie enthalten sind, geltend zu
machen. -- Fassen wir also nochmals den allgemeinen
Grundsatz über die Behandlung der drey Rechtsbücher
kurz zusammen, so ist es dieser: Sie sind bestimmt zu
gelten als Ein großes, zusammenhängendes Werk, ihre
nicht völlig gleichzeitige Promulgation ist ohne Einfluß,
und wir können sie, ohne Gefahr eines Irrthums, so be-
handeln, als ob sie gleichzeitig promulgirt worden wä-
ren (h). Aus diesem Grundsatz sind nun besondere Re-
geln abzuleiten für die Behandlung einzelner Widersprüche,
die uns innerhalb der drey Rechtsbücher vorkommen mögen.

§. 44.
Auslegung der Rechtsquellen im Ganzen.
(Widerspruch.)
Fortsetzung.

Zuvörderst gewinnt in diesem Fall die allgemeine Re-
gel, den Widerspruch wo möglich durch Vereinigung in
bloßen Schein aufzulösen (§ 42), eine ganz besondere
Kraft und Bedeutung. Einmal weil die drey Rechtsbü-
cher ein einziges Werk darstellen, worin also die Einheit
des Gedankens schon an sich als der natürliche Zustand
anzusehen ist; dann aber weil Justinian ausdrücklich ver-
sichert, es seyen hier keine Widersprüche vorhanden, und
wo wir solche wahrzunehmen glaubten, sollten wir nur
recht genau (subtili animo) zusehen, so würden wir schon

(h) Löhr a. a. O., S. 201.
18

§. 44. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung.
des neuen Codex, worin ſie enthalten ſind, geltend zu
machen. — Faſſen wir alſo nochmals den allgemeinen
Grundſatz über die Behandlung der drey Rechtsbücher
kurz zuſammen, ſo iſt es dieſer: Sie ſind beſtimmt zu
gelten als Ein großes, zuſammenhängendes Werk, ihre
nicht völlig gleichzeitige Promulgation iſt ohne Einfluß,
und wir können ſie, ohne Gefahr eines Irrthums, ſo be-
handeln, als ob ſie gleichzeitig promulgirt worden wä-
ren (h). Aus dieſem Grundſatz ſind nun beſondere Re-
geln abzuleiten für die Behandlung einzelner Widerſprüche,
die uns innerhalb der drey Rechtsbücher vorkommen moͤgen.

§. 44.
Auslegung der Rechtsquellen im Ganzen.
(Widerſpruch.)
Fortſetzung.

Zuvörderſt gewinnt in dieſem Fall die allgemeine Re-
gel, den Widerſpruch wo möglich durch Vereinigung in
bloßen Schein aufzulöſen (§ 42), eine ganz beſondere
Kraft und Bedeutung. Einmal weil die drey Rechtsbü-
cher ein einziges Werk darſtellen, worin alſo die Einheit
des Gedankens ſchon an ſich als der natürliche Zuſtand
anzuſehen iſt; dann aber weil Juſtinian ausdrücklich ver-
ſichert, es ſeyen hier keine Widerſprüche vorhanden, und
wo wir ſolche wahrzunehmen glaubten, ſollten wir nur
recht genau (subtili animo) zuſehen, ſo würden wir ſchon

(h) Löhr a. a. O., S. 201.
18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0329" n="273"/><fw place="top" type="header">§. 44. Rechtsquellen als Ganzes. Wider&#x017F;pruch. Fort&#x017F;etzung.</fw><lb/>
des neuen Codex, worin &#x017F;ie enthalten &#x017F;ind, geltend zu<lb/>
machen. &#x2014; Fa&#x017F;&#x017F;en wir al&#x017F;o nochmals den allgemeinen<lb/>
Grund&#x017F;atz über die Behandlung der drey Rechtsbücher<lb/>
kurz zu&#x017F;ammen, &#x017F;o i&#x017F;t es die&#x017F;er: Sie &#x017F;ind be&#x017F;timmt zu<lb/>
gelten als Ein großes, zu&#x017F;ammenhängendes Werk, ihre<lb/>
nicht völlig gleichzeitige Promulgation i&#x017F;t ohne Einfluß,<lb/>
und wir können &#x017F;ie, ohne Gefahr eines Irrthums, &#x017F;o be-<lb/>
handeln, als ob &#x017F;ie gleichzeitig promulgirt worden wä-<lb/>
ren <note place="foot" n="(h)"><hi rendition="#g">Löhr</hi> a. a. O., S. 201.</note>. Aus die&#x017F;em Grund&#x017F;atz &#x017F;ind nun be&#x017F;ondere Re-<lb/>
geln abzuleiten für die Behandlung einzelner Wider&#x017F;prüche,<lb/>
die uns innerhalb der drey Rechtsbücher vorkommen mo&#x0364;gen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 44.<lb/><hi rendition="#g">Auslegung der Rechtsquellen im Ganzen.<lb/>
(Wider&#x017F;pruch.)</hi> Fort&#x017F;etzung.</head><lb/>
            <p>Zuvörder&#x017F;t gewinnt in die&#x017F;em Fall die allgemeine Re-<lb/>
gel, den Wider&#x017F;pruch wo möglich durch Vereinigung in<lb/>
bloßen Schein aufzulö&#x017F;en (§ 42), eine ganz be&#x017F;ondere<lb/>
Kraft und Bedeutung. Einmal weil die drey Rechtsbü-<lb/>
cher ein einziges Werk dar&#x017F;tellen, worin al&#x017F;o die Einheit<lb/>
des Gedankens &#x017F;chon an &#x017F;ich als der natürliche Zu&#x017F;tand<lb/>
anzu&#x017F;ehen i&#x017F;t; dann aber weil Ju&#x017F;tinian ausdrücklich ver-<lb/>
&#x017F;ichert, es &#x017F;eyen hier keine Wider&#x017F;prüche vorhanden, und<lb/>
wo wir &#x017F;olche wahrzunehmen glaubten, &#x017F;ollten wir nur<lb/>
recht genau (<hi rendition="#aq">subtili animo</hi>) zu&#x017F;ehen, &#x017F;o würden wir &#x017F;chon<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">18</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[273/0329] §. 44. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. Fortſetzung. des neuen Codex, worin ſie enthalten ſind, geltend zu machen. — Faſſen wir alſo nochmals den allgemeinen Grundſatz über die Behandlung der drey Rechtsbücher kurz zuſammen, ſo iſt es dieſer: Sie ſind beſtimmt zu gelten als Ein großes, zuſammenhängendes Werk, ihre nicht völlig gleichzeitige Promulgation iſt ohne Einfluß, und wir können ſie, ohne Gefahr eines Irrthums, ſo be- handeln, als ob ſie gleichzeitig promulgirt worden wä- ren (h). Aus dieſem Grundſatz ſind nun beſondere Re- geln abzuleiten für die Behandlung einzelner Widerſprüche, die uns innerhalb der drey Rechtsbücher vorkommen moͤgen. §. 44. Auslegung der Rechtsquellen im Ganzen. (Widerſpruch.) Fortſetzung. Zuvörderſt gewinnt in dieſem Fall die allgemeine Re- gel, den Widerſpruch wo möglich durch Vereinigung in bloßen Schein aufzulöſen (§ 42), eine ganz beſondere Kraft und Bedeutung. Einmal weil die drey Rechtsbü- cher ein einziges Werk darſtellen, worin alſo die Einheit des Gedankens ſchon an ſich als der natürliche Zuſtand anzuſehen iſt; dann aber weil Juſtinian ausdrücklich ver- ſichert, es ſeyen hier keine Widerſprüche vorhanden, und wo wir ſolche wahrzunehmen glaubten, ſollten wir nur recht genau (subtili animo) zuſehen, ſo würden wir ſchon (h) Löhr a. a. O., S. 201. 18

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/329
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 273. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/329>, abgerufen am 25.11.2024.