Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.§. 42. Rechtsquellen als Ganzes. Widerspruch. neuern Rechtsregel die wirkliche Vernichtung der älternverbunden war. Wenn wir nun eine Regel für den ge- genwärtigen Rechtszustand suchen, so kann diese nur aus den noch bestehenden, nicht aus den bereits vernichteten, hergenommen werden (b). Durch diesen Grund aber ist zugleich eine natürliche Beschränkung der erwähnten Re- gel gegeben. Wenn nämlich neben der älteren Regel eine Ausnahme derselben bestand, so ist die Aufhebung nicht nothwendig auch auf diese Ausnahme mit zu beziehen: vielmehr besteht die Ausnahme auch neben der neueren Regel fort, wenn sie nicht noch besonders aufgehoben ist (c). Die Anwendung der Hauptregel geschieht auf folgende (b) Man kann daher diese Art des Widerspruchs nur insoferne zu den mangelhaften Zuständen rechnen, als man das ältere Ge- setz selbst noch für einen Bestand- theil der Rechtsquellen (und zwar nun nothwendig für einen abge- storbenen) ansieht; der Zustand der noch gültigen Rechtsquellen selbst ist darum nicht mangelhaft zu nennen. Daher liegt auch in der Behauptung eines solchen Widerspruchs kein Tadel des Rechtszustandes, anstatt daß die Annahme mangelhafter einzelner Gesetze (§ 35--37) stets einen Tadel in sich schließt. (c) L. 80 de R. J. (50. 17.)
"In toto jure generi per spe- ciem derogatur, et illud potis- simum habetur quod ad spe- ciem directum est." L. 41 de poenis (48. 19.) "... nec ambi- gitur, in cetero omni jure spe- ciem generi derogare ..." (der übrige Theil dieser Stelle ist schon oben § 37 Note d benutzt wor- den). -- Ob die Aufhebung auch auf die Ausnahme gehen soll, kann nur aus dem Inhalt des neue- ren Gesetzes erkannt werden. -- Man darf den hier als Beschrän- kung der Hauptregel aufgestellten Grundsatz nicht auf alle speci- elle Bestimmungen des früheren Rechts beziehen, sondern nur auf diejenigen, die den Ausnahmecha- racter an sich tragen: also nicht auf solche specielle Bestimmungen, welche selbst nur Folgerungen aus der früheren Regel waren. -- Vgl. überhaupt Thibaut civilist. Abhandlungen Num. 7, wo je- ner Grundsatz befriedigend behan- delt ist. §. 42. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch. neuern Rechtsregel die wirkliche Vernichtung der älternverbunden war. Wenn wir nun eine Regel für den ge- genwärtigen Rechtszuſtand ſuchen, ſo kann dieſe nur aus den noch beſtehenden, nicht aus den bereits vernichteten, hergenommen werden (b). Durch dieſen Grund aber iſt zugleich eine natürliche Beſchränkung der erwähnten Re- gel gegeben. Wenn nämlich neben der älteren Regel eine Ausnahme derſelben beſtand, ſo iſt die Aufhebung nicht nothwendig auch auf dieſe Ausnahme mit zu beziehen: vielmehr beſteht die Ausnahme auch neben der neueren Regel fort, wenn ſie nicht noch beſonders aufgehoben iſt (c). Die Anwendung der Hauptregel geſchieht auf folgende (b) Man kann daher dieſe Art des Widerſpruchs nur inſoferne zu den mangelhaften Zuſtänden rechnen, als man das ältere Ge- ſetz ſelbſt noch für einen Beſtand- theil der Rechtsquellen (und zwar nun nothwendig für einen abge- ſtorbenen) anſieht; der Zuſtand der noch gültigen Rechtsquellen ſelbſt iſt darum nicht mangelhaft zu nennen. Daher liegt auch in der Behauptung eines ſolchen Widerſpruchs kein Tadel des Rechtszuſtandes, anſtatt daß die Annahme mangelhafter einzelner Geſetze (§ 35—37) ſtets einen Tadel in ſich ſchließt. (c) L. 80 de R. J. (50. 17.)
„In toto jure generi per spe- ciem derogatur, et illud potis- simum habetur quod ad spe- ciem directum est.” L. 41 de poenis (48. 19.) „… nec ambi- gitur, in cetero omni jure spe- ciem generi derogare …” (der übrige Theil dieſer Stelle iſt ſchon oben § 37 Note d benutzt wor- den). — Ob die Aufhebung auch auf die Ausnahme gehen ſoll, kann nur aus dem Inhalt des neue- ren Geſetzes erkannt werden. — Man darf den hier als Beſchrän- kung der Hauptregel aufgeſtellten Grundſatz nicht auf alle ſpeci- elle Beſtimmungen des früheren Rechts beziehen, ſondern nur auf diejenigen, die den Ausnahmecha- racter an ſich tragen: alſo nicht auf ſolche ſpecielle Beſtimmungen, welche ſelbſt nur Folgerungen aus der früheren Regel waren. — Vgl. überhaupt Thibaut civiliſt. Abhandlungen Num. 7, wo je- ner Grundſatz befriedigend behan- delt iſt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0321" n="265"/><fw place="top" type="header">§. 42. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch.</fw><lb/> neuern Rechtsregel die wirkliche Vernichtung der ältern<lb/> verbunden war. Wenn wir nun eine Regel für den ge-<lb/> genwärtigen Rechtszuſtand ſuchen, ſo kann dieſe nur aus<lb/> den noch beſtehenden, nicht aus den bereits vernichteten,<lb/> hergenommen werden <note place="foot" n="(b)">Man kann daher dieſe Art<lb/> des Widerſpruchs nur inſoferne<lb/> zu den mangelhaften Zuſtänden<lb/> rechnen, als man das ältere Ge-<lb/> ſetz ſelbſt noch für einen Beſtand-<lb/> theil der Rechtsquellen (und zwar<lb/> nun nothwendig für einen abge-<lb/> ſtorbenen) anſieht; der Zuſtand<lb/> der noch gültigen Rechtsquellen<lb/> ſelbſt iſt darum nicht mangelhaft<lb/> zu nennen. Daher liegt auch in<lb/> der Behauptung eines ſolchen<lb/> Widerſpruchs kein Tadel des<lb/> Rechtszuſtandes, anſtatt daß die<lb/> Annahme mangelhafter einzelner<lb/> Geſetze (§ 35—37) ſtets einen<lb/> Tadel in ſich ſchließt.</note>. Durch dieſen Grund aber iſt<lb/> zugleich eine natürliche Beſchränkung der erwähnten Re-<lb/> gel gegeben. Wenn nämlich neben der älteren Regel eine<lb/> Ausnahme derſelben beſtand, ſo iſt die Aufhebung nicht<lb/> nothwendig auch auf dieſe Ausnahme mit zu beziehen:<lb/> vielmehr beſteht die Ausnahme auch neben der neueren<lb/> Regel fort, wenn ſie nicht noch beſonders aufgehoben iſt <note place="foot" n="(c)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 80 <hi rendition="#i">de R. J.</hi> (50. 17.)<lb/> „In toto jure generi per spe-<lb/> ciem derogatur, et illud potis-<lb/> simum habetur quod ad spe-<lb/> ciem directum est.” <hi rendition="#i">L.</hi> 41 <hi rendition="#i">de<lb/> poenis</hi> (48. 19.) „… nec ambi-<lb/> gitur, in cetero omni jure spe-<lb/> ciem generi derogare …”</hi> (der<lb/> übrige Theil dieſer Stelle iſt ſchon<lb/> oben § 37 Note <hi rendition="#aq">d</hi> benutzt wor-<lb/> den). — Ob die Aufhebung auch<lb/> auf die Ausnahme gehen ſoll, kann<lb/> nur aus dem Inhalt des neue-<lb/> ren Geſetzes erkannt werden. —<lb/> Man darf den hier als Beſchrän-<lb/> kung der Hauptregel aufgeſtellten<lb/> Grundſatz nicht auf alle <hi rendition="#g">ſpeci-<lb/> elle</hi> Beſtimmungen des früheren<lb/> Rechts beziehen, ſondern nur auf<lb/> diejenigen, die den Ausnahmecha-<lb/> racter an ſich tragen: alſo nicht<lb/> auf ſolche ſpecielle Beſtimmungen,<lb/> welche ſelbſt nur Folgerungen aus<lb/> der früheren Regel waren. —<lb/> Vgl. überhaupt <hi rendition="#g">Thibaut</hi> civiliſt.<lb/> Abhandlungen Num. 7, wo je-<lb/> ner Grundſatz befriedigend behan-<lb/> delt iſt.</note>.</p><lb/> <p>Die Anwendung der Hauptregel geſchieht auf folgende<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [265/0321]
§. 42. Rechtsquellen als Ganzes. Widerſpruch.
neuern Rechtsregel die wirkliche Vernichtung der ältern
verbunden war. Wenn wir nun eine Regel für den ge-
genwärtigen Rechtszuſtand ſuchen, ſo kann dieſe nur aus
den noch beſtehenden, nicht aus den bereits vernichteten,
hergenommen werden (b). Durch dieſen Grund aber iſt
zugleich eine natürliche Beſchränkung der erwähnten Re-
gel gegeben. Wenn nämlich neben der älteren Regel eine
Ausnahme derſelben beſtand, ſo iſt die Aufhebung nicht
nothwendig auch auf dieſe Ausnahme mit zu beziehen:
vielmehr beſteht die Ausnahme auch neben der neueren
Regel fort, wenn ſie nicht noch beſonders aufgehoben iſt (c).
Die Anwendung der Hauptregel geſchieht auf folgende
(b) Man kann daher dieſe Art
des Widerſpruchs nur inſoferne
zu den mangelhaften Zuſtänden
rechnen, als man das ältere Ge-
ſetz ſelbſt noch für einen Beſtand-
theil der Rechtsquellen (und zwar
nun nothwendig für einen abge-
ſtorbenen) anſieht; der Zuſtand
der noch gültigen Rechtsquellen
ſelbſt iſt darum nicht mangelhaft
zu nennen. Daher liegt auch in
der Behauptung eines ſolchen
Widerſpruchs kein Tadel des
Rechtszuſtandes, anſtatt daß die
Annahme mangelhafter einzelner
Geſetze (§ 35—37) ſtets einen
Tadel in ſich ſchließt.
(c) L. 80 de R. J. (50. 17.)
„In toto jure generi per spe-
ciem derogatur, et illud potis-
simum habetur quod ad spe-
ciem directum est.” L. 41 de
poenis (48. 19.) „… nec ambi-
gitur, in cetero omni jure spe-
ciem generi derogare …” (der
übrige Theil dieſer Stelle iſt ſchon
oben § 37 Note d benutzt wor-
den). — Ob die Aufhebung auch
auf die Ausnahme gehen ſoll, kann
nur aus dem Inhalt des neue-
ren Geſetzes erkannt werden. —
Man darf den hier als Beſchrän-
kung der Hauptregel aufgeſtellten
Grundſatz nicht auf alle ſpeci-
elle Beſtimmungen des früheren
Rechts beziehen, ſondern nur auf
diejenigen, die den Ausnahmecha-
racter an ſich tragen: alſo nicht
auf ſolche ſpecielle Beſtimmungen,
welche ſelbſt nur Folgerungen aus
der früheren Regel waren. —
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