Weise. Der wahre Gerichtsgebrauch, als die neueste Ver- arbeitung der früher vorhandenen Rechtsquellen, geht al- lem Übrigen vor. Dann folgen in der Reihe der Anwen- dung die Reichsgesetze. Ferner das canonische Recht. Zu- letzt das Römische Recht. -- Nur die Rangordnung der zwey letzten Stücke bedarf einer genaueren Erörterung.
Ob nämlich das canonische Recht (bey Fragen des Pri- vatrechts) dem Römischen vorgehe, darüber wird sehr ge- stritten. Zwar das ist unzweifelhaft, daß auch hier vor Allem eine Vereinigung versucht werden müsse. Für den Fall aber, da eine solche nicht gelingen will, da vielleicht die Absicht einer Abänderung klar vorliegt, ist folgende Behauptung aufgestellt worden. Beide Rechte, sagt man, gelten nicht aus eigener Kraft, sondern vermittelst der Reception; diese hat bey uns für beide zu derselben Zeit statt gefunden, also sind sie für uns gleichzeitig, keines hat vor dem anderen einen regelmäßigen Vorzug, und in jedem einzelnen Widerspruch kann der Vorzug nur durch einen besonderen Gerichtsgebrauch bestimmt werden (d). -- Allein das canonische Recht hat zu dem Römischen, bey privatrechtlichen Gegenständen, ganz das Verhältniß von Novellen: besonders die Decretalen, in welchen der Con- flict vorzugsweise seinen Sitz hat. In diesem Verhältniß
(d) (Hübner) Berichtigun- gen und Zusätze zu Höpfner S. 14--22. Mühlenbruch I. § 70. -- Richtigere Ansichten finden sich bey Böhmer Jus eccl. prot. Lib. 1. Tit. 2 § 70--73, der die Frage sehr ausführlich erörtert, ohne je- doch zu einem klar bestimmten Resultate zu kommen. Vgl. auch Hofacker I. § 53.
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
Weiſe. Der wahre Gerichtsgebrauch, als die neueſte Ver- arbeitung der früher vorhandenen Rechtsquellen, geht al- lem Übrigen vor. Dann folgen in der Reihe der Anwen- dung die Reichsgeſetze. Ferner das canoniſche Recht. Zu- letzt das Römiſche Recht. — Nur die Rangordnung der zwey letzten Stücke bedarf einer genaueren Erörterung.
Ob nämlich das canoniſche Recht (bey Fragen des Pri- vatrechts) dem Römiſchen vorgehe, darüber wird ſehr ge- ſtritten. Zwar das iſt unzweifelhaft, daß auch hier vor Allem eine Vereinigung verſucht werden müſſe. Für den Fall aber, da eine ſolche nicht gelingen will, da vielleicht die Abſicht einer Abänderung klar vorliegt, iſt folgende Behauptung aufgeſtellt worden. Beide Rechte, ſagt man, gelten nicht aus eigener Kraft, ſondern vermittelſt der Reception; dieſe hat bey uns für beide zu derſelben Zeit ſtatt gefunden, alſo ſind ſie für uns gleichzeitig, keines hat vor dem anderen einen regelmäßigen Vorzug, und in jedem einzelnen Widerſpruch kann der Vorzug nur durch einen beſonderen Gerichtsgebrauch beſtimmt werden (d). — Allein das canoniſche Recht hat zu dem Römiſchen, bey privatrechtlichen Gegenſtänden, ganz das Verhältniß von Novellen: beſonders die Decretalen, in welchen der Con- flict vorzugsweiſe ſeinen Sitz hat. In dieſem Verhältniß
(d) (Hübner) Berichtigun- gen und Zuſätze zu Höpfner S. 14—22. Mühlenbruch I. § 70. — Richtigere Anſichten finden ſich bey Böhmer Jus eccl. prot. Lib. 1. Tit. 2 § 70—73, der die Frage ſehr ausführlich erörtert, ohne je- doch zu einem klar beſtimmten Reſultate zu kommen. Vgl. auch Hofacker I. § 53.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0322"n="266"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">I.</hi> Quellen. Kap. <hirendition="#aq">IV.</hi> Auslegung der Geſetze.</fw><lb/>
Weiſe. Der wahre Gerichtsgebrauch, als die neueſte Ver-<lb/>
arbeitung der früher vorhandenen Rechtsquellen, geht al-<lb/>
lem Übrigen vor. Dann folgen in der Reihe der Anwen-<lb/>
dung die Reichsgeſetze. Ferner das canoniſche Recht. Zu-<lb/>
letzt das Römiſche Recht. — Nur die Rangordnung der<lb/>
zwey letzten Stücke bedarf einer genaueren Erörterung.</p><lb/><p>Ob nämlich das canoniſche Recht (bey Fragen des Pri-<lb/>
vatrechts) dem Römiſchen vorgehe, darüber wird ſehr ge-<lb/>ſtritten. Zwar das iſt unzweifelhaft, daß auch hier vor<lb/>
Allem eine Vereinigung verſucht werden müſſe. Für den<lb/>
Fall aber, da eine ſolche nicht gelingen will, da vielleicht<lb/>
die Abſicht einer Abänderung klar vorliegt, iſt folgende<lb/>
Behauptung aufgeſtellt worden. Beide Rechte, ſagt man,<lb/>
gelten nicht aus eigener Kraft, ſondern vermittelſt der<lb/>
Reception; dieſe hat bey uns für beide zu derſelben Zeit<lb/>ſtatt gefunden, alſo ſind ſie für uns gleichzeitig, keines<lb/>
hat vor dem anderen einen regelmäßigen Vorzug, und in<lb/>
jedem einzelnen Widerſpruch kann der Vorzug nur durch<lb/>
einen beſonderen Gerichtsgebrauch beſtimmt werden <noteplace="foot"n="(d)">(<hirendition="#g">Hübner</hi>) Berichtigun-<lb/>
gen und Zuſätze zu Höpfner S.<lb/>
14—22. <hirendition="#aq"><hirendition="#k">Mühlenbruch</hi> I.</hi> § 70.<lb/>— Richtigere Anſichten finden ſich<lb/>
bey <hirendition="#aq"><hirendition="#k">Böhmer</hi> Jus eccl. prot. Lib. 1.<lb/>
Tit.</hi> 2 § 70—73, der die Frage<lb/>ſehr ausführlich erörtert, ohne je-<lb/>
doch zu einem klar beſtimmten<lb/>
Reſultate zu kommen. Vgl. auch<lb/><hirendition="#aq"><hirendition="#k">Hofacker</hi> I.</hi> § 53.</note>. —<lb/>
Allein das canoniſche Recht hat zu dem Römiſchen, bey<lb/>
privatrechtlichen Gegenſtänden, ganz das Verhältniß von<lb/>
Novellen: beſonders die Decretalen, in welchen der Con-<lb/>
flict vorzugsweiſe ſeinen Sitz hat. In dieſem Verhältniß<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[266/0322]
Buch I. Quellen. Kap. IV. Auslegung der Geſetze.
Weiſe. Der wahre Gerichtsgebrauch, als die neueſte Ver-
arbeitung der früher vorhandenen Rechtsquellen, geht al-
lem Übrigen vor. Dann folgen in der Reihe der Anwen-
dung die Reichsgeſetze. Ferner das canoniſche Recht. Zu-
letzt das Römiſche Recht. — Nur die Rangordnung der
zwey letzten Stücke bedarf einer genaueren Erörterung.
Ob nämlich das canoniſche Recht (bey Fragen des Pri-
vatrechts) dem Römiſchen vorgehe, darüber wird ſehr ge-
ſtritten. Zwar das iſt unzweifelhaft, daß auch hier vor
Allem eine Vereinigung verſucht werden müſſe. Für den
Fall aber, da eine ſolche nicht gelingen will, da vielleicht
die Abſicht einer Abänderung klar vorliegt, iſt folgende
Behauptung aufgeſtellt worden. Beide Rechte, ſagt man,
gelten nicht aus eigener Kraft, ſondern vermittelſt der
Reception; dieſe hat bey uns für beide zu derſelben Zeit
ſtatt gefunden, alſo ſind ſie für uns gleichzeitig, keines
hat vor dem anderen einen regelmäßigen Vorzug, und in
jedem einzelnen Widerſpruch kann der Vorzug nur durch
einen beſonderen Gerichtsgebrauch beſtimmt werden (d). —
Allein das canoniſche Recht hat zu dem Römiſchen, bey
privatrechtlichen Gegenſtänden, ganz das Verhältniß von
Novellen: beſonders die Decretalen, in welchen der Con-
flict vorzugsweiſe ſeinen Sitz hat. In dieſem Verhältniß
(d) (Hübner) Berichtigun-
gen und Zuſätze zu Höpfner S.
14—22. Mühlenbruch I. § 70.
— Richtigere Anſichten finden ſich
bey Böhmer Jus eccl. prot. Lib. 1.
Tit. 2 § 70—73, der die Frage
ſehr ausführlich erörtert, ohne je-
doch zu einem klar beſtimmten
Reſultate zu kommen. Vgl. auch
Hofacker I. § 53.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/322>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.