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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
wirkung des Jus civile auf das Jus gentium geradezu
aus in folgender Stelle (de partit. orat. C. 37) "atque
etiam hoc imprimis, ut nostros mores legesque tueamur,
quodammodo naturali jure praescriptum est."
Es kann
jedoch diese Rückwirkung, wie sich von selbst versteht, nur
denjenigen Regeln des Jus civile zugeschrieben werden,
welche die Natur eines absoluten Rechts (§ 16) an sich tragen.

Der zweyte bedeutende Gegensatz war der von Jus
civile
und honorarium (v). Dessen praktische Wichtigkeit
aber lag nicht etwa darin, daß dieses an sich weniger
wirksam, und z. B. in Collisionsfällen nachstehend gewesen
wäre, was durchaus nicht angenommen werden darf, son-
dern darin, daß die Gültigkeit desselben auf den Amts-
sprengel und die Amtszeit seines Urhebers beschränkt blieb,
anstatt daß jede zum Jus civile gehörende Form in allen
Theilen des Reichs und zu allen Zeiten zu wirken fähig
war (w). In diesem Sinne ist es zu nehmen, wenn sehr

(v) L. 7 pr. de J. et J. (1. 1.).
L. 2 § 10 de orig. jur. (1. 2.).
§ 7 J. de j. nat. (1. 2.). -- Jus
civile
hat also überhaupt sehr
verschiedene Bedeutungen. Es
heißt: 1) Privatrecht (§ 1); 2) po-
sitives Recht irgend eines Staa-
tes: 3) insbesondere das der Rö-
mer § 1. 2. 3. J. de j. nat. (1.
2.). L. 6 pr. L. 9 de J. et J.

(1. 1.); 4) noch enger, das Rö-
mische Recht mit Ausschluß des
honorarium L. 7 de J. et J.
(1. 1.); 5) noch enger dasjenige,
was keinen spezielleren Namen
führt. L. 2 § 5. 6. 8. 12 de orig.
jur.
(1. 2.).
(w) Ich sage also nicht, daß
es überall wirkte, sondern daß
es dazu an sich fähig war. So
z. B. wirkten die Edictalgesetze
der Kaiser zwar in der Regel
überall im Reich, aber sie konn-
ten durch ihren Inhalt auch auf
eine einzelne Provinz oder Stadt
beschränkt sein. Die Responsa
und ursprünglich auch die Re-
scripte, wirkten nur in der ein-
zelnen Sache, also höchst be-
schränkt, aber diese ihre be-

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
wirkung des Jus civile auf das Jus gentium geradezu
aus in folgender Stelle (de partit. orat. C. 37) „atque
etiam hoc imprimis, ut nostros mores legesque tueamur,
quodammodo naturali jure praescriptum est.”
Es kann
jedoch dieſe Rückwirkung, wie ſich von ſelbſt verſteht, nur
denjenigen Regeln des Jus civile zugeſchrieben werden,
welche die Natur eines abſoluten Rechts (§ 16) an ſich tragen.

Der zweyte bedeutende Gegenſatz war der von Jus
civile
und honorarium (v). Deſſen praktiſche Wichtigkeit
aber lag nicht etwa darin, daß dieſes an ſich weniger
wirkſam, und z. B. in Colliſionsfällen nachſtehend geweſen
wäre, was durchaus nicht angenommen werden darf, ſon-
dern darin, daß die Gültigkeit deſſelben auf den Amts-
ſprengel und die Amtszeit ſeines Urhebers beſchränkt blieb,
anſtatt daß jede zum Jus civile gehörende Form in allen
Theilen des Reichs und zu allen Zeiten zu wirken fähig
war (w). In dieſem Sinne iſt es zu nehmen, wenn ſehr

(v) L. 7 pr. de J. et J. (1. 1.).
L. 2 § 10 de orig. jur. (1. 2.).
§ 7 J. de j. nat. (1. 2.). — Jus
civile
hat alſo überhaupt ſehr
verſchiedene Bedeutungen. Es
heißt: 1) Privatrecht (§ 1); 2) po-
ſitives Recht irgend eines Staa-
tes: 3) insbeſondere das der Rö-
mer § 1. 2. 3. J. de j. nat. (1.
2.). L. 6 pr. L. 9 de J. et J.

(1. 1.); 4) noch enger, das Rö-
miſche Recht mit Ausſchluß des
honorarium L. 7 de J. et J.
(1. 1.); 5) noch enger dasjenige,
was keinen ſpezielleren Namen
führt. L. 2 § 5. 6. 8. 12 de orig.
jur.
(1. 2.).
(w) Ich ſage alſo nicht, daß
es überall wirkte, ſondern daß
es dazu an ſich fähig war. So
z. B. wirkten die Edictalgeſetze
der Kaiſer zwar in der Regel
überall im Reich, aber ſie konn-
ten durch ihren Inhalt auch auf
eine einzelne Provinz oder Stadt
beſchränkt ſein. Die Reſponſa
und urſprünglich auch die Re-
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ſchränkt, aber dieſe ihre be-
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[116/0172] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. wirkung des Jus civile auf das Jus gentium geradezu aus in folgender Stelle (de partit. orat. C. 37) „atque etiam hoc imprimis, ut nostros mores legesque tueamur, quodammodo naturali jure praescriptum est.” Es kann jedoch dieſe Rückwirkung, wie ſich von ſelbſt verſteht, nur denjenigen Regeln des Jus civile zugeſchrieben werden, welche die Natur eines abſoluten Rechts (§ 16) an ſich tragen. Der zweyte bedeutende Gegenſatz war der von Jus civile und honorarium (v). Deſſen praktiſche Wichtigkeit aber lag nicht etwa darin, daß dieſes an ſich weniger wirkſam, und z. B. in Colliſionsfällen nachſtehend geweſen wäre, was durchaus nicht angenommen werden darf, ſon- dern darin, daß die Gültigkeit deſſelben auf den Amts- ſprengel und die Amtszeit ſeines Urhebers beſchränkt blieb, anſtatt daß jede zum Jus civile gehörende Form in allen Theilen des Reichs und zu allen Zeiten zu wirken fähig war (w). In dieſem Sinne iſt es zu nehmen, wenn ſehr (v) L. 7 pr. de J. et J. (1. 1.). L. 2 § 10 de orig. jur. (1. 2.). § 7 J. de j. nat. (1. 2.). — Jus civile hat alſo überhaupt ſehr verſchiedene Bedeutungen. Es heißt: 1) Privatrecht (§ 1); 2) po- ſitives Recht irgend eines Staa- tes: 3) insbeſondere das der Rö- mer § 1. 2. 3. J. de j. nat. (1. 2.). L. 6 pr. L. 9 de J. et J. (1. 1.); 4) noch enger, das Rö- miſche Recht mit Ausſchluß des honorarium L. 7 de J. et J. (1. 1.); 5) noch enger dasjenige, was keinen ſpezielleren Namen führt. L. 2 § 5. 6. 8. 12 de orig. jur. (1. 2.). (w) Ich ſage alſo nicht, daß es überall wirkte, ſondern daß es dazu an ſich fähig war. So z. B. wirkten die Edictalgeſetze der Kaiſer zwar in der Regel überall im Reich, aber ſie konn- ten durch ihren Inhalt auch auf eine einzelne Provinz oder Stadt beſchränkt ſein. Die Reſponſa und urſprünglich auch die Re- ſcripte, wirkten nur in der ein- zelnen Sache, alſo höchſt be- ſchränkt, aber dieſe ihre be-

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/172>, abgerufen am 03.05.2024.