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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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§. 22. Aussprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg.
häufig dieses Jus civile auch bezeichnet wird als Lex und
quod legis vicem obtinet (x), und wenn die alten Juri-
sten bey einzelnen Rechtsquellen mit Sorgfalt bemerken,
daß dieses letzte von ihnen gesagt werden könne (y). Es
hatte aber dieser rein praktische Unterschied folgenden tie-
feren Grund. Durch Volksschlüsse, Senatusconsulte, Kai-
serconstitutionen wurde in der That neues Recht erzeugt.
Der Prätor dagegen sprach in seinem Edict nicht aus,
was hinfort Recht seyn solle (wozu er gar nicht befugt
war), sondern was er als Recht ansehn und handhaben
werde, so daß er blos seine eigene amtliche Thätigkeit
voraus ankündigte. Daher wurden jene Rechtsregeln als
ipso jure, diese als jurisdictione, tuitione Praetoris gül-
tig, bezeichnet. Dieser Gegensatz wird noch klarer hervor-
treten durch die Vergleichung mit anderen, schon vorge-
kommenen Gegensätzen. -- Daß das Jus honorarium ganz

schränkte Wirksamkeit konnte in
jedem Theil des Reichs eintreten.
Das Edict einer Obrigkeit dage-
gen hatte schon seiner Natur nach
nur Gültigkeit in den Gränzen
des Bezirks, worin der Urheber
desselben Gerichtsbarkeit hatte.
(x) Gajus IV § 118. "Ex-
ceptiones ... omnes vel ex le-
gibus, vel ex his quae legis
vicem obtinent substantiam
capiunt, vel ex jurisdictione
Praetoris proditae sunt." L. 14
de condit. inst.
(28. 7.). --
Dasselbe, was hier Gajus zufäl-
lig von den Exceptionen sagt,
gilt eben so auch von den Klagen.
(y) Legis vicem haben: 1) die
Senatusconsulte. Gajus I § 4. --
2) die Kaiserconstitutionen. Ga-
jus
I §. 5. L. 1 pr. de const.

(1. 4.). (Ja sogar die imperia-
les contractus. L. 26 C. de don.
int. vir.
5. 16.) -- 3) Die Re-
sponsa. Gajus I § 7. -- 4) Das
Gewohnheitsrecht. L. 32 § 1. L.
33 de leg. (1. 3.) "pro lege"
L. 38 eod. "vim legis" L. 3 C.
quae sit longa consu.
(8. 53)
"legis vicem." §. 9 J. de j. nat.
(1. 2.) "legem imitantur."

§. 22. Ausſprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg.
häufig dieſes Jus civile auch bezeichnet wird als Lex und
quod legis vicem obtinet (x), und wenn die alten Juri-
ſten bey einzelnen Rechtsquellen mit Sorgfalt bemerken,
daß dieſes letzte von ihnen geſagt werden könne (y). Es
hatte aber dieſer rein praktiſche Unterſchied folgenden tie-
feren Grund. Durch Volksſchlüſſe, Senatusconſulte, Kai-
ſerconſtitutionen wurde in der That neues Recht erzeugt.
Der Prätor dagegen ſprach in ſeinem Edict nicht aus,
was hinfort Recht ſeyn ſolle (wozu er gar nicht befugt
war), ſondern was er als Recht anſehn und handhaben
werde, ſo daß er blos ſeine eigene amtliche Thätigkeit
voraus ankündigte. Daher wurden jene Rechtsregeln als
ipso jure, dieſe als jurisdictione, tuitione Praetoris gül-
tig, bezeichnet. Dieſer Gegenſatz wird noch klarer hervor-
treten durch die Vergleichung mit anderen, ſchon vorge-
kommenen Gegenſätzen. — Daß das Jus honorarium ganz

ſchränkte Wirkſamkeit konnte in
jedem Theil des Reichs eintreten.
Das Edict einer Obrigkeit dage-
gen hatte ſchon ſeiner Natur nach
nur Gültigkeit in den Gränzen
des Bezirks, worin der Urheber
deſſelben Gerichtsbarkeit hatte.
(x) Gajus IV § 118. „Ex-
ceptiones … omnes vel ex le-
gibus, vel ex his quae legis
vicem obtinent substantiam
capiunt, vel ex jurisdictione
Praetoris proditae sunt.” L. 14
de condit. inst.
(28. 7.). —
Daſſelbe, was hier Gajus zufäl-
lig von den Exceptionen ſagt,
gilt eben ſo auch von den Klagen.
(y) Legis vicem haben: 1) die
Senatusconſulte. Gajus I § 4. —
2) die Kaiſerconſtitutionen. Ga-
jus
I §. 5. L. 1 pr. de const.

(1. 4.). (Ja ſogar die imperia-
les contractus. L. 26 C. de don.
int. vir.
5. 16.) — 3) Die Re-
ſponſa. Gajus I § 7. — 4) Das
Gewohnheitsrecht. L. 32 § 1. L.
33 de leg. (1. 3.) „pro lege”
L. 38 eod. „vim legis” L. 3 C.
quae sit longa consu.
(8. 53)
„legis vicem.” §. 9 J. de j. nat.
(1. 2.) „legem imitantur.”
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[117/0173] §. 22. Ausſprüche der Römer über die Rechtsquellen im Allg. häufig dieſes Jus civile auch bezeichnet wird als Lex und quod legis vicem obtinet (x), und wenn die alten Juri- ſten bey einzelnen Rechtsquellen mit Sorgfalt bemerken, daß dieſes letzte von ihnen geſagt werden könne (y). Es hatte aber dieſer rein praktiſche Unterſchied folgenden tie- feren Grund. Durch Volksſchlüſſe, Senatusconſulte, Kai- ſerconſtitutionen wurde in der That neues Recht erzeugt. Der Prätor dagegen ſprach in ſeinem Edict nicht aus, was hinfort Recht ſeyn ſolle (wozu er gar nicht befugt war), ſondern was er als Recht anſehn und handhaben werde, ſo daß er blos ſeine eigene amtliche Thätigkeit voraus ankündigte. Daher wurden jene Rechtsregeln als ipso jure, dieſe als jurisdictione, tuitione Praetoris gül- tig, bezeichnet. Dieſer Gegenſatz wird noch klarer hervor- treten durch die Vergleichung mit anderen, ſchon vorge- kommenen Gegenſätzen. — Daß das Jus honorarium ganz (w) (x) Gajus IV § 118. „Ex- ceptiones … omnes vel ex le- gibus, vel ex his quae legis vicem obtinent substantiam capiunt, vel ex jurisdictione Praetoris proditae sunt.” L. 14 de condit. inst. (28. 7.). — Daſſelbe, was hier Gajus zufäl- lig von den Exceptionen ſagt, gilt eben ſo auch von den Klagen. (y) Legis vicem haben: 1) die Senatusconſulte. Gajus I § 4. — 2) die Kaiſerconſtitutionen. Ga- jus I §. 5. L. 1 pr. de const. (1. 4.). (Ja ſogar die imperia- les contractus. L. 26 C. de don. int. vir. 5. 16.) — 3) Die Re- ſponſa. Gajus I § 7. — 4) Das Gewohnheitsrecht. L. 32 § 1. L. 33 de leg. (1. 3.) „pro lege” L. 38 eod. „vim legis” L. 3 C. quae sit longa consu. (8. 53) „legis vicem.” §. 9 J. de j. nat. (1. 2.) „legem imitantur.” (w) ſchränkte Wirkſamkeit konnte in jedem Theil des Reichs eintreten. Das Edict einer Obrigkeit dage- gen hatte ſchon ſeiner Natur nach nur Gültigkeit in den Gränzen des Bezirks, worin der Urheber deſſelben Gerichtsbarkeit hatte.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/173>, abgerufen am 04.05.2024.