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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840.

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Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
diesem Zeitalter erwartet werden durfte. -- Das wich-
tigste praktische Interesse, welches sich an diesen Gegen-
satz knüpfte, bestand nun aber darin, daß die Anwend-
barkeit beider Rechtssysteme von dem Standesverhältniß
der einzelnen Person abhing. Die eigenthümlichen Rechts-
verhältnisse des Jus civile waren nur zugänglich den Rö-
mischen Bürgern, späterhin theilweise auch den Latinen,
durchaus nicht den Peregrinen: die des Jus gentium wa-
ren allen Menschen zugänglich, die nur nicht überhaupt
als rechtlos galten. -- Ein ähnlicher Unterschied der Em-
pfänglichkeit für die Anwendung der Rechtsregeln findet
sich auch bey den Grundstücken, indem die Institute und
Regeln des Sachenrechts entweder nur in Italien, oder
auch in den Provinzen anwendbar waren, je nachdem sie
dem Jus civile angehörten (wie die Mancipation und Usu-
capion), oder dem Jus gentium (wie die Tradition). --
Man kann dabey noch die Frage aufwerfen, wie sich die-
ser Gegensatz zu dem des geschriebenen und ungeschriebe-
nen Rechts verhalte. Gewöhnlich wird dieser letzte nur
bey Gelegenheit des Jus civile erwähnt, so daß er als
eine Unterabtheilung desselben erscheint. Allein ein innerer
Grund zu dieser Beschränkung ist nicht vorhanden, und
da die Erkenntniß des Jus gentium auf der fortgehenden
Sammlung und Vergleichung mehrerer fremden Rechte
beruht, also auf einem Verfahren, wobey eine schriftliche
Urkunde undenkbar ist, wenngleich dabey die geschriebenen
Gesetze fremder Völker benutzt werden konnten, so gehört

Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R.
dieſem Zeitalter erwartet werden durfte. — Das wich-
tigſte praktiſche Intereſſe, welches ſich an dieſen Gegen-
ſatz knüpfte, beſtand nun aber darin, daß die Anwend-
barkeit beider Rechtsſyſteme von dem Standesverhältniß
der einzelnen Perſon abhing. Die eigenthümlichen Rechts-
verhältniſſe des Jus civile waren nur zugänglich den Rö-
miſchen Bürgern, ſpäterhin theilweiſe auch den Latinen,
durchaus nicht den Peregrinen: die des Jus gentium wa-
ren allen Menſchen zugänglich, die nur nicht überhaupt
als rechtlos galten. — Ein ähnlicher Unterſchied der Em-
pfänglichkeit für die Anwendung der Rechtsregeln findet
ſich auch bey den Grundſtücken, indem die Inſtitute und
Regeln des Sachenrechts entweder nur in Italien, oder
auch in den Provinzen anwendbar waren, je nachdem ſie
dem Jus civile angehörten (wie die Mancipation und Uſu-
capion), oder dem Jus gentium (wie die Tradition). —
Man kann dabey noch die Frage aufwerfen, wie ſich die-
ſer Gegenſatz zu dem des geſchriebenen und ungeſchriebe-
nen Rechts verhalte. Gewöhnlich wird dieſer letzte nur
bey Gelegenheit des Jus civile erwähnt, ſo daß er als
eine Unterabtheilung deſſelben erſcheint. Allein ein innerer
Grund zu dieſer Beſchränkung iſt nicht vorhanden, und
da die Erkenntniß des Jus gentium auf der fortgehenden
Sammlung und Vergleichung mehrerer fremden Rechte
beruht, alſo auf einem Verfahren, wobey eine ſchriftliche
Urkunde undenkbar iſt, wenngleich dabey die geſchriebenen
Geſetze fremder Völker benutzt werden konnten, ſo gehört

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[114/0170] Buch I. Quellen. Kap. III. Quellen des heutigen R. R. dieſem Zeitalter erwartet werden durfte. — Das wich- tigſte praktiſche Intereſſe, welches ſich an dieſen Gegen- ſatz knüpfte, beſtand nun aber darin, daß die Anwend- barkeit beider Rechtsſyſteme von dem Standesverhältniß der einzelnen Perſon abhing. Die eigenthümlichen Rechts- verhältniſſe des Jus civile waren nur zugänglich den Rö- miſchen Bürgern, ſpäterhin theilweiſe auch den Latinen, durchaus nicht den Peregrinen: die des Jus gentium wa- ren allen Menſchen zugänglich, die nur nicht überhaupt als rechtlos galten. — Ein ähnlicher Unterſchied der Em- pfänglichkeit für die Anwendung der Rechtsregeln findet ſich auch bey den Grundſtücken, indem die Inſtitute und Regeln des Sachenrechts entweder nur in Italien, oder auch in den Provinzen anwendbar waren, je nachdem ſie dem Jus civile angehörten (wie die Mancipation und Uſu- capion), oder dem Jus gentium (wie die Tradition). — Man kann dabey noch die Frage aufwerfen, wie ſich die- ſer Gegenſatz zu dem des geſchriebenen und ungeſchriebe- nen Rechts verhalte. Gewöhnlich wird dieſer letzte nur bey Gelegenheit des Jus civile erwähnt, ſo daß er als eine Unterabtheilung deſſelben erſcheint. Allein ein innerer Grund zu dieſer Beſchränkung iſt nicht vorhanden, und da die Erkenntniß des Jus gentium auf der fortgehenden Sammlung und Vergleichung mehrerer fremden Rechte beruht, alſo auf einem Verfahren, wobey eine ſchriftliche Urkunde undenkbar iſt, wenngleich dabey die geſchriebenen Geſetze fremder Völker benutzt werden konnten, ſo gehört

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 1. Berlin, 1840, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system01_1840/170>, abgerufen am 03.05.2024.