Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

gegen das Urtheil 1). In der neuesten Ausgabe
des Landrechts aber ist auch diese beschränkte Anfrage
aufgehoben, und die Interpretation des Richters für
jede Art von Fällen gestattet 2). Dadurch ist denn
allerdings die ganze Lage des Richters anders, als
Friedrich II. sie gedacht zu haben scheint, und dem
ganzen Richteramte wird dadurch ein mehr wissen-
schaftlicher und weniger mechanischer Character zuer-
kannt. Dennoch ist dieses nur eine einzelne Abwei-
chung von der Regel, es soll offenbar nur von den
als selten gedachten Ausnahmen gelten, in welchen
ein unmittelbar bestimmendes Gesetz fehlen würde, ja
ein Fall dieser Art soll, sobald er vorkommt, ange-
zeigt und durch ein neues Gesetz entschieden werden 3).
Die eigentliche Tendenz des bestehenden Gesetzes selbst
also geht auch jetzt noch darauf, daß die einzelnen
Rechtsfälle als solche vollständig aufgezählt, und ein-
zeln entschieden werden. Und gerade darin ist die
Methode des Landrechts der oben beschriebenen, wel-
che wir in den übrig gebliebenen Schriften der
Römischen Juristen finden, entgegen gesetzt; nicht
zum Vortheil des Landrechts, wie es mir scheint.

1) Landrecht Einl. §. 47. 48.
2) Erster Anhang zum Landrecht. Berlin 1803. §. 2.
3) Landrecht Einl. §. 50.

gegen das Urtheil 1). In der neueſten Ausgabe
des Landrechts aber iſt auch dieſe beſchränkte Anfrage
aufgehoben, und die Interpretation des Richters für
jede Art von Fällen geſtattet 2). Dadurch iſt denn
allerdings die ganze Lage des Richters anders, als
Friedrich II. ſie gedacht zu haben ſcheint, und dem
ganzen Richteramte wird dadurch ein mehr wiſſen-
ſchaftlicher und weniger mechaniſcher Character zuer-
kannt. Dennoch iſt dieſes nur eine einzelne Abwei-
chung von der Regel, es ſoll offenbar nur von den
als ſelten gedachten Ausnahmen gelten, in welchen
ein unmittelbar beſtimmendes Geſetz fehlen würde, ja
ein Fall dieſer Art ſoll, ſobald er vorkommt, ange-
zeigt und durch ein neues Geſetz entſchieden werden 3).
Die eigentliche Tendenz des beſtehenden Geſetzes ſelbſt
alſo geht auch jetzt noch darauf, daß die einzelnen
Rechtsfälle als ſolche vollſtändig aufgezählt, und ein-
zeln entſchieden werden. Und gerade darin iſt die
Methode des Landrechts der oben beſchriebenen, wel-
che wir in den übrig gebliebenen Schriften der
Römiſchen Juriſten finden, entgegen geſetzt; nicht
zum Vortheil des Landrechts, wie es mir ſcheint.

1) Landrecht Einl. §. 47. 48.
2) Erſter Anhang zum Landrecht. Berlin 1803. §. 2.
3) Landrecht Einl. §. 50.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0099" n="89"/>
gegen das Urtheil <note place="foot" n="1)">Landrecht Einl. §. 47. 48.</note>. In der neue&#x017F;ten Ausgabe<lb/>
des Landrechts aber i&#x017F;t auch die&#x017F;e be&#x017F;chränkte Anfrage<lb/>
aufgehoben, und die Interpretation des Richters für<lb/>
jede Art von Fällen ge&#x017F;tattet <note place="foot" n="2)">Er&#x017F;ter Anhang zum Landrecht. Berlin 1803. §. 2.</note>. Dadurch i&#x017F;t denn<lb/>
allerdings die ganze Lage des Richters anders, als<lb/>
Friedrich <hi rendition="#aq">II.</hi> &#x017F;ie gedacht zu haben &#x017F;cheint, und dem<lb/>
ganzen Richteramte wird dadurch ein mehr wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaftlicher und weniger mechani&#x017F;cher Character zuer-<lb/>
kannt. Dennoch i&#x017F;t die&#x017F;es nur eine einzelne Abwei-<lb/>
chung von der Regel, es &#x017F;oll offenbar nur von den<lb/>
als &#x017F;elten gedachten Ausnahmen gelten, in welchen<lb/>
ein unmittelbar be&#x017F;timmendes Ge&#x017F;etz fehlen würde, ja<lb/>
ein Fall die&#x017F;er Art &#x017F;oll, &#x017F;obald er vorkommt, ange-<lb/>
zeigt und durch ein neues Ge&#x017F;etz ent&#x017F;chieden werden <note place="foot" n="3)">Landrecht Einl. §. 50.</note>.<lb/>
Die eigentliche Tendenz des be&#x017F;tehenden Ge&#x017F;etzes &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
al&#x017F;o geht auch jetzt noch darauf, daß die einzelnen<lb/>
Rechtsfälle als &#x017F;olche voll&#x017F;tändig aufgezählt, und ein-<lb/>
zeln ent&#x017F;chieden werden. Und gerade darin i&#x017F;t die<lb/>
Methode des Landrechts der oben be&#x017F;chriebenen, wel-<lb/>
che wir in den übrig gebliebenen Schriften der<lb/>
Römi&#x017F;chen Juri&#x017F;ten finden, entgegen ge&#x017F;etzt; nicht<lb/>
zum Vortheil des Landrechts, wie es mir &#x017F;cheint.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[89/0099] gegen das Urtheil 1). In der neueſten Ausgabe des Landrechts aber iſt auch dieſe beſchränkte Anfrage aufgehoben, und die Interpretation des Richters für jede Art von Fällen geſtattet 2). Dadurch iſt denn allerdings die ganze Lage des Richters anders, als Friedrich II. ſie gedacht zu haben ſcheint, und dem ganzen Richteramte wird dadurch ein mehr wiſſen- ſchaftlicher und weniger mechaniſcher Character zuer- kannt. Dennoch iſt dieſes nur eine einzelne Abwei- chung von der Regel, es ſoll offenbar nur von den als ſelten gedachten Ausnahmen gelten, in welchen ein unmittelbar beſtimmendes Geſetz fehlen würde, ja ein Fall dieſer Art ſoll, ſobald er vorkommt, ange- zeigt und durch ein neues Geſetz entſchieden werden 3). Die eigentliche Tendenz des beſtehenden Geſetzes ſelbſt alſo geht auch jetzt noch darauf, daß die einzelnen Rechtsfälle als ſolche vollſtändig aufgezählt, und ein- zeln entſchieden werden. Und gerade darin iſt die Methode des Landrechts der oben beſchriebenen, wel- che wir in den übrig gebliebenen Schriften der Römiſchen Juriſten finden, entgegen geſetzt; nicht zum Vortheil des Landrechts, wie es mir ſcheint. 1) Landrecht Einl. §. 47. 48. 2) Erſter Anhang zum Landrecht. Berlin 1803. §. 2. 3) Landrecht Einl. §. 50.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/99
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/99>, abgerufen am 28.04.2024.