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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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dere werden dieses Verhältniß vielmehr als eine Un-
vollkommenheit des Landrechts betrachten.

Sehen wir aber auf die innere Entstehung des
Landrechts, so wird auch dadurch unsre Ansicht bestä-
tigt, nach welcher in dieser Zeit kein Gesetzbuch unter-
nommen werden sollte. Der Plan, nach welchem ge-
arbeitet wurde, liegt vor Aller Augen. Das Justi-
nianische Recht sollte dergestalt Grundlage des Gan-
zen seyn, daß davon nur aus besonderen Gründen
abgewichen werden sollte. Diese Gründe wurden
darin gesetzt, wenn ein Satz des Römischen Rechts
aus der stoischen Philosophie, oder der besondern Ver-
fassung, z. B. der Politik der Kaiser, oder aus den
spitzfindigen Fictionen und Subtilitäten der alten Ju-
risten entstanden wäre 1). Dadurch zerfällt das
Römische Recht im Verhältniß zum Landrecht in zwey
Theile, einen anwendbaren als Regel, und einen un-
anwendbaren als Ausnahme, und es entstand die
doppelte Aufgabe, die Ausnahme gehörig abzuson-
dern, und die Regel gründlich zu verstehen. Näm-
lich was in der That auf stoischer Philosophie oder

Provinzen gar nicht. Es gilt also da das besondere Recht in sei-
ner alten Form.
1) Entwurf des Gesetzbuchs Th. 1. Abth. 1. S. 5. 6. Kleins
Annalen B. 8. S. XXVI -- XXIX. Simon S. 197 -- 199. Meh-
rere der wichtigsten Neuerungen wurden noch in der allerletzten
Revision des Landrechts weggelassen. Simon S. 235.

dere werden dieſes Verhältniß vielmehr als eine Un-
vollkommenheit des Landrechts betrachten.

Sehen wir aber auf die innere Entſtehung des
Landrechts, ſo wird auch dadurch unſre Anſicht beſtä-
tigt, nach welcher in dieſer Zeit kein Geſetzbuch unter-
nommen werden ſollte. Der Plan, nach welchem ge-
arbeitet wurde, liegt vor Aller Augen. Das Juſti-
nianiſche Recht ſollte dergeſtalt Grundlage des Gan-
zen ſeyn, daß davon nur aus beſonderen Gründen
abgewichen werden ſollte. Dieſe Gründe wurden
darin geſetzt, wenn ein Satz des Römiſchen Rechts
aus der ſtoiſchen Philoſophie, oder der beſondern Ver-
faſſung, z. B. der Politik der Kaiſer, oder aus den
ſpitzfindigen Fictionen und Subtilitäten der alten Ju-
riſten entſtanden wäre 1). Dadurch zerfällt das
Römiſche Recht im Verhältniß zum Landrecht in zwey
Theile, einen anwendbaren als Regel, und einen un-
anwendbaren als Ausnahme, und es entſtand die
doppelte Aufgabe, die Ausnahme gehörig abzuſon-
dern, und die Regel gründlich zu verſtehen. Näm-
lich was in der That auf ſtoiſcher Philoſophie oder

Provinzen gar nicht. Es gilt alſo da das beſondere Recht in ſei-
ner alten Form.
1) Entwurf des Geſetzbuchs Th. 1. Abth. 1. S. 5. 6. Kleins
Annalen B. 8. S. XXVI — XXIX. Simon S. 197 — 199. Meh-
rere der wichtigſten Neuerungen wurden noch in der allerletzten
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[84/0094] dere werden dieſes Verhältniß vielmehr als eine Un- vollkommenheit des Landrechts betrachten. Sehen wir aber auf die innere Entſtehung des Landrechts, ſo wird auch dadurch unſre Anſicht beſtä- tigt, nach welcher in dieſer Zeit kein Geſetzbuch unter- nommen werden ſollte. Der Plan, nach welchem ge- arbeitet wurde, liegt vor Aller Augen. Das Juſti- nianiſche Recht ſollte dergeſtalt Grundlage des Gan- zen ſeyn, daß davon nur aus beſonderen Gründen abgewichen werden ſollte. Dieſe Gründe wurden darin geſetzt, wenn ein Satz des Römiſchen Rechts aus der ſtoiſchen Philoſophie, oder der beſondern Ver- faſſung, z. B. der Politik der Kaiſer, oder aus den ſpitzfindigen Fictionen und Subtilitäten der alten Ju- riſten entſtanden wäre 1). Dadurch zerfällt das Römiſche Recht im Verhältniß zum Landrecht in zwey Theile, einen anwendbaren als Regel, und einen un- anwendbaren als Ausnahme, und es entſtand die doppelte Aufgabe, die Ausnahme gehörig abzuſon- dern, und die Regel gründlich zu verſtehen. Näm- lich was in der That auf ſtoiſcher Philoſophie oder 2) 1) Entwurf des Geſetzbuchs Th. 1. Abth. 1. S. 5. 6. Kleins Annalen B. 8. S. XXVI — XXIX. Simon S. 197 — 199. Meh- rere der wichtigſten Neuerungen wurden noch in der allerletzten Reviſion des Landrechts weggelaſſen. Simon S. 235. 2) Provinzen gar nicht. Es gilt alſo da das beſondere Recht in ſei- ner alten Form.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/94>, abgerufen am 28.04.2024.