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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

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Natur nach ganz willkührlich sind (L. 1. T. 2. Ch.
1.). Aber eben deshalb war es doppelt nöthig zu
bestimmen, was für Folgen die Vernachlässigung die-
ser Formen haben sollte. Mehrere Gerichtshöfe mach-
ten auf diese Nothwendigkeit aufmerksam 1), den-
noch enthält der Code davon gar nichts. Man
sollte nun denken, in Paris sey man über die Sache
selbst so sicher und einig gewesen, daß man eine
ausdrückliche Bestimmung für überflüssig gehalten
hätte; keinesweges. Cambaceres nimmt an, die
Nichtbeobachtung jeder Form erzeuge Nullität, d. h.
sie vernichte alle Beweiskraft der Urkunde. Tron-
chet
dagegen meynt, bey Geburt und Tod komme
auf die Formen gar nichts an, und Falsum allein
könne entkräften: bey Ehe hingegen, lasse sich aller-
dings eine solche Nullität wegen fehlender Form den-
ken. 2) Simeon aber nimmt an, die nichtbeobach-
tete Form entkräfte niemals den Beweis, also auch
nicht bey Ehe. 3) Ist nun diese Meynung richtig,
so gehörten alle diese Formen gar nicht in den Co-
de, sondern in die bloße Instruction der Beamten,
die Fassung des Code also spricht eigentlich gegen
diese Meynung. Die Sache ist aber um so schlim-
mer, da diese Formen bey den Todtenlisten wenig-

1) Lyon und Rouen, bey Crussaire p. 43. 52.
2) Conference T. 1. p. 204. 267.
3) Motifs T. 2. p. 115.

Natur nach ganz willkührlich ſind (L. 1. T. 2. Ch.
1.). Aber eben deshalb war es doppelt nöthig zu
beſtimmen, was für Folgen die Vernachläſſigung die-
ſer Formen haben ſollte. Mehrere Gerichtshöfe mach-
ten auf dieſe Nothwendigkeit aufmerkſam 1), den-
noch enthält der Code davon gar nichts. Man
ſollte nun denken, in Paris ſey man über die Sache
ſelbſt ſo ſicher und einig geweſen, daß man eine
ausdrückliche Beſtimmung für überflüſſig gehalten
hätte; keinesweges. Cambaceres nimmt an, die
Nichtbeobachtung jeder Form erzeuge Nullität, d. h.
ſie vernichte alle Beweiskraft der Urkunde. Tron-
chet
dagegen meynt, bey Geburt und Tod komme
auf die Formen gar nichts an, und Falſum allein
könne entkräften: bey Ehe hingegen, laſſe ſich aller-
dings eine ſolche Nullität wegen fehlender Form den-
ken. 2) Simeon aber nimmt an, die nichtbeobach-
tete Form entkräfte niemals den Beweis, alſo auch
nicht bey Ehe. 3) Iſt nun dieſe Meynung richtig,
ſo gehörten alle dieſe Formen gar nicht in den Co-
de, ſondern in die bloße Inſtruction der Beamten,
die Faſſung des Code alſo ſpricht eigentlich gegen
dieſe Meynung. Die Sache iſt aber um ſo ſchlim-
mer, da dieſe Formen bey den Todtenliſten wenig-

1) Lyon und Rouen, bey Crussaire p. 43. 52.
2) Confèrence T. 1. p. 204. 267.
3) Motifs T. 2. p. 115.
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[68/0078] Natur nach ganz willkührlich ſind (L. 1. T. 2. Ch. 1.). Aber eben deshalb war es doppelt nöthig zu beſtimmen, was für Folgen die Vernachläſſigung die- ſer Formen haben ſollte. Mehrere Gerichtshöfe mach- ten auf dieſe Nothwendigkeit aufmerkſam 1), den- noch enthält der Code davon gar nichts. Man ſollte nun denken, in Paris ſey man über die Sache ſelbſt ſo ſicher und einig geweſen, daß man eine ausdrückliche Beſtimmung für überflüſſig gehalten hätte; keinesweges. Cambaceres nimmt an, die Nichtbeobachtung jeder Form erzeuge Nullität, d. h. ſie vernichte alle Beweiskraft der Urkunde. Tron- chet dagegen meynt, bey Geburt und Tod komme auf die Formen gar nichts an, und Falſum allein könne entkräften: bey Ehe hingegen, laſſe ſich aller- dings eine ſolche Nullität wegen fehlender Form den- ken. 2) Simeon aber nimmt an, die nichtbeobach- tete Form entkräfte niemals den Beweis, alſo auch nicht bey Ehe. 3) Iſt nun dieſe Meynung richtig, ſo gehörten alle dieſe Formen gar nicht in den Co- de, ſondern in die bloße Inſtruction der Beamten, die Faſſung des Code alſo ſpricht eigentlich gegen dieſe Meynung. Die Sache iſt aber um ſo ſchlim- mer, da dieſe Formen bey den Todtenliſten wenig- 1) Lyon und Rouen, bey Crussaire p. 43. 52. 2) Confèrence T. 1. p. 204. 267. 3) Motifs T. 2. p. 115.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/78>, abgerufen am 28.04.2024.