Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

merkt zum Grunde liegen 1). Doch dieser Mangel
kann uns gleichgültiger seyn, da er in jedem künfti-
gen Fall leicht zu vermeiden wäre.

Weit wichtiger in dieser Rücksicht, und weit schwe-
rer an sich, ist die Auswahl der Bestimmungen über
die wirklich abgehandelten Gegenstände, also das
Finden der Regel, wodurch künftig die Masse des
einzelnen regiert werden soll. Hier kam es dar-
auf an, selbst im Besitz der leitenden Grundsätze zu
seyn, worauf alle Sicherheit und Wirksamkeit im
Geschäft des Juristen beruht (22), und worin die
Römer so groß als Muster vor uns stehen. Gerade
von dieser Seite aber erscheint die Arbeit der Fran-
zosen am allertraurigsten, wie nunmehr in einigen
Beyspielen gezeigt werden soll.

Ein Hauptfehler, der überall fühlbar wird, ist
dieser. Die Theorie des Vermögensrechts ist im Gan-
zen die Römische. Bekanntlich beruht aber das Rö-
mische Vermögensrecht auf zwey Grundbegriffen, der
dinglichen Rechte nämlich und der Obligationen,
und jeder weiß, wie viel die Römer mit der Schärfe
und Bestimmtheit dieser Begriffe ausrichten. Diese
Grundbegriffe nun sind hier nicht etwa blos nirgends
definirt, was ich gar nicht tadeln wollte, sondern sie
kennen sie gar nicht in dieser Allgemeinheit, und diese

1) Beyspiele wichtiger Materien, die im Code ganz oder größ-
tentheils fehlen, stehen in den Heidelb. Jahrb. 1814 Januar
S. 13.

merkt zum Grunde liegen 1). Doch dieſer Mangel
kann uns gleichgültiger ſeyn, da er in jedem künfti-
gen Fall leicht zu vermeiden wäre.

Weit wichtiger in dieſer Rückſicht, und weit ſchwe-
rer an ſich, iſt die Auswahl der Beſtimmungen über
die wirklich abgehandelten Gegenſtände, alſo das
Finden der Regel, wodurch künftig die Maſſe des
einzelnen regiert werden ſoll. Hier kam es dar-
auf an, ſelbſt im Beſitz der leitenden Grundſätze zu
ſeyn, worauf alle Sicherheit und Wirkſamkeit im
Geſchäft des Juriſten beruht (22), und worin die
Römer ſo groß als Muſter vor uns ſtehen. Gerade
von dieſer Seite aber erſcheint die Arbeit der Fran-
zoſen am allertraurigſten, wie nunmehr in einigen
Beyſpielen gezeigt werden ſoll.

Ein Hauptfehler, der überall fühlbar wird, iſt
dieſer. Die Theorie des Vermögensrechts iſt im Gan-
zen die Römiſche. Bekanntlich beruht aber das Rö-
miſche Vermögensrecht auf zwey Grundbegriffen, der
dinglichen Rechte nämlich und der Obligationen,
und jeder weiß, wie viel die Römer mit der Schärfe
und Beſtimmtheit dieſer Begriffe ausrichten. Dieſe
Grundbegriffe nun ſind hier nicht etwa blos nirgends
definirt, was ich gar nicht tadeln wollte, ſondern ſie
kennen ſie gar nicht in dieſer Allgemeinheit, und dieſe

1) Beyſpiele wichtiger Materien, die im Code ganz oder größ-
tentheils fehlen, ſtehen in den Heidelb. Jahrb. 1814 Januar
S. 13.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="66"/>
merkt zum Grunde liegen <note place="foot" n="1)">Bey&#x017F;piele wichtiger Materien, die im Code ganz oder größ-<lb/>
tentheils fehlen, &#x017F;tehen in den <hi rendition="#g">Heidelb. Jahrb</hi>. 1814 Januar<lb/>
S. 13.</note>. Doch die&#x017F;er Mangel<lb/>
kann uns gleichgültiger &#x017F;eyn, da er in jedem künfti-<lb/>
gen Fall leicht zu vermeiden wäre.</p><lb/>
        <p>Weit wichtiger in die&#x017F;er Rück&#x017F;icht, und weit &#x017F;chwe-<lb/>
rer an &#x017F;ich, i&#x017F;t die Auswahl der Be&#x017F;timmungen über<lb/>
die wirklich abgehandelten Gegen&#x017F;tände, al&#x017F;o das<lb/>
Finden der Regel, wodurch künftig die Ma&#x017F;&#x017F;e des<lb/>
einzelnen regiert werden &#x017F;oll. Hier kam es dar-<lb/>
auf an, &#x017F;elb&#x017F;t im Be&#x017F;itz der leitenden Grund&#x017F;ätze zu<lb/>
&#x017F;eyn, worauf alle Sicherheit und Wirk&#x017F;amkeit im<lb/>
Ge&#x017F;chäft des Juri&#x017F;ten beruht (22), und worin die<lb/>
Römer &#x017F;o groß als Mu&#x017F;ter vor uns &#x017F;tehen. Gerade<lb/>
von die&#x017F;er Seite aber er&#x017F;cheint die Arbeit der Fran-<lb/>
zo&#x017F;en am allertraurig&#x017F;ten, wie nunmehr in einigen<lb/>
Bey&#x017F;pielen gezeigt werden &#x017F;oll.</p><lb/>
        <p>Ein Hauptfehler, der überall fühlbar wird, i&#x017F;t<lb/>
die&#x017F;er. Die Theorie des Vermögensrechts i&#x017F;t im Gan-<lb/>
zen die Römi&#x017F;che. Bekanntlich beruht aber das Rö-<lb/>
mi&#x017F;che Vermögensrecht auf zwey Grundbegriffen, der<lb/>
dinglichen Rechte nämlich und der Obligationen,<lb/>
und jeder weiß, wie viel die Römer mit der Schärfe<lb/>
und Be&#x017F;timmtheit die&#x017F;er Begriffe ausrichten. Die&#x017F;e<lb/>
Grundbegriffe nun &#x017F;ind hier nicht etwa blos nirgends<lb/>
definirt, was ich gar nicht tadeln wollte, &#x017F;ondern &#x017F;ie<lb/>
kennen &#x017F;ie gar nicht in die&#x017F;er Allgemeinheit, und die&#x017F;e<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0076] merkt zum Grunde liegen 1). Doch dieſer Mangel kann uns gleichgültiger ſeyn, da er in jedem künfti- gen Fall leicht zu vermeiden wäre. Weit wichtiger in dieſer Rückſicht, und weit ſchwe- rer an ſich, iſt die Auswahl der Beſtimmungen über die wirklich abgehandelten Gegenſtände, alſo das Finden der Regel, wodurch künftig die Maſſe des einzelnen regiert werden ſoll. Hier kam es dar- auf an, ſelbſt im Beſitz der leitenden Grundſätze zu ſeyn, worauf alle Sicherheit und Wirkſamkeit im Geſchäft des Juriſten beruht (22), und worin die Römer ſo groß als Muſter vor uns ſtehen. Gerade von dieſer Seite aber erſcheint die Arbeit der Fran- zoſen am allertraurigſten, wie nunmehr in einigen Beyſpielen gezeigt werden ſoll. Ein Hauptfehler, der überall fühlbar wird, iſt dieſer. Die Theorie des Vermögensrechts iſt im Gan- zen die Römiſche. Bekanntlich beruht aber das Rö- miſche Vermögensrecht auf zwey Grundbegriffen, der dinglichen Rechte nämlich und der Obligationen, und jeder weiß, wie viel die Römer mit der Schärfe und Beſtimmtheit dieſer Begriffe ausrichten. Dieſe Grundbegriffe nun ſind hier nicht etwa blos nirgends definirt, was ich gar nicht tadeln wollte, ſondern ſie kennen ſie gar nicht in dieſer Allgemeinheit, und dieſe 1) Beyſpiele wichtiger Materien, die im Code ganz oder größ- tentheils fehlen, ſtehen in den Heidelb. Jahrb. 1814 Januar S. 13.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/76
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/76>, abgerufen am 27.04.2024.