sre juristische Literatur mit der literarischen Bildung der Deutschen überhaupt, und sehen wir zu, ob jene mit dieser gleichen Schritt gehalten hat, das Urtheil wird nicht günstig ausfallen, und wir werden ein ganz anderes Verhältniß finden, als das der Römi- schen Juristen zur Literatur der Römer. In dieser Ansicht liegt keine Herabsetzung, denn unsre Aufgabe ist in der That sehr groß, ohne Vergleichung schwe- rer als die der Römischen Juristen war. Aber eben die Größe dieser Aufgabe sollen wir nicht verkennen aus Bequemlichkeit oder Eigendünkel, wir sollen nicht am Ziel zu seyn glauben, wenn wir noch weit da- von entfernt sind.
Haben wir nun in der That nicht was nöthig ist, damit ein gutes Gesetzbuch entstehe, so dürfen wir nicht glauben, daß das wirkliche Unternehmen eben nichts weiter seyn würde, als eine feylgeschlagene Hoffnung, die uns im schlimmsten Fall nur nicht weiter gebracht hätte. Von der großen Gefahr, die unvermeidlich eintritt, wenn der Zustand einer sehr mangelhaften unbegründeten Kenntniß durch äußere Autorität fixirt wird, ist schon oben (S. 22.) ge- sprochen worden, und diese Gefahr würde hier um so größer seyn, je allgemeiner die Unternehmung wäre und je mehr sie mit dem erwachenden Natio- nalinteresse in Verbindung gebracht würde. Nahe liegende Beyspiele geben in solchen Dingen oft ein weniger deutliches Bild: ich will also, um anschau-
ſre juriſtiſche Literatur mit der literariſchen Bildung der Deutſchen überhaupt, und ſehen wir zu, ob jene mit dieſer gleichen Schritt gehalten hat, das Urtheil wird nicht günſtig ausfallen, und wir werden ein ganz anderes Verhältniß finden, als das der Römi- ſchen Juriſten zur Literatur der Römer. In dieſer Anſicht liegt keine Herabſetzung, denn unſre Aufgabe iſt in der That ſehr groß, ohne Vergleichung ſchwe- rer als die der Römiſchen Juriſten war. Aber eben die Größe dieſer Aufgabe ſollen wir nicht verkennen aus Bequemlichkeit oder Eigendünkel, wir ſollen nicht am Ziel zu ſeyn glauben, wenn wir noch weit da- von entfernt ſind.
Haben wir nun in der That nicht was nöthig iſt, damit ein gutes Geſetzbuch entſtehe, ſo dürfen wir nicht glauben, daß das wirkliche Unternehmen eben nichts weiter ſeyn würde, als eine feylgeſchlagene Hoffnung, die uns im ſchlimmſten Fall nur nicht weiter gebracht hätte. Von der großen Gefahr, die unvermeidlich eintritt, wenn der Zuſtand einer ſehr mangelhaften unbegründeten Kenntniß durch äußere Autorität fixirt wird, iſt ſchon oben (S. 22.) ge- ſprochen worden, und dieſe Gefahr würde hier um ſo größer ſeyn, je allgemeiner die Unternehmung wäre und je mehr ſie mit dem erwachenden Natio- nalintereſſe in Verbindung gebracht würde. Nahe liegende Beyſpiele geben in ſolchen Dingen oft ein weniger deutliches Bild: ich will alſo, um anſchau-
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ſre juriſtiſche Literatur mit der literariſchen Bildung
der Deutſchen überhaupt, und ſehen wir zu, ob jene
mit dieſer gleichen Schritt gehalten hat, das Urtheil
wird nicht günſtig ausfallen, und wir werden ein
ganz anderes Verhältniß finden, als das der Römi-
ſchen Juriſten zur Literatur der Römer. In dieſer
Anſicht liegt keine Herabſetzung, denn unſre Aufgabe
iſt in der That ſehr groß, ohne Vergleichung ſchwe-
rer als die der Römiſchen Juriſten war. Aber eben
die Größe dieſer Aufgabe ſollen wir nicht verkennen
aus Bequemlichkeit oder Eigendünkel, wir ſollen nicht
am Ziel zu ſeyn glauben, wenn wir noch weit da-
von entfernt ſind.
Haben wir nun in der That nicht was nöthig
iſt, damit ein gutes Geſetzbuch entſtehe, ſo dürfen wir
nicht glauben, daß das wirkliche Unternehmen eben
nichts weiter ſeyn würde, als eine feylgeſchlagene
Hoffnung, die uns im ſchlimmſten Fall nur nicht
weiter gebracht hätte. Von der großen Gefahr, die
unvermeidlich eintritt, wenn der Zuſtand einer ſehr
mangelhaften unbegründeten Kenntniß durch äußere
Autorität fixirt wird, iſt ſchon oben (S. 22.) ge-
ſprochen worden, und dieſe Gefahr würde hier um
ſo größer ſeyn, je allgemeiner die Unternehmung
wäre und je mehr ſie mit dem erwachenden Natio-
nalintereſſe in Verbindung gebracht würde. Nahe
liegende Beyſpiele geben in ſolchen Dingen oft ein
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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/60>, abgerufen am 16.07.2024.
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