Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.die Zeit, in welcher man selbst lebt, ist ein sicheres D
die Zeit, in welcher man ſelbſt lebt, iſt ein ſicheres D
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0059" n="49"/> die Zeit, in welcher man ſelbſt lebt, iſt ein ſicheres<lb/> Urtheil ſehr ſchwer: doch, wenn nicht alle Zeichen<lb/> trügen, iſt ein lebendigerer Geiſt in unſre Wiſſenſchaft<lb/> gekommen, der ſie künftig wieder zu einer eigenthüm-<lb/> lichen Bildung erheben kann. Nur fertig geworden<lb/> iſt von dieſer Bildung noch ſehr wenig, und aus dieſem<lb/> Grunde läugne ich unſre Fähigkeit, ein löbliches Ge-<lb/> ſetzbuch hervorzubringen. Viele mögen dieſes Urtheil<lb/> für übertrieben halten, aber dieſe fordere ich auf,<lb/> mir unter der nicht geringen Zahl von Syſtemen des<lb/> Römiſch-Deutſchen Rechts eines zu zeigen, welches<lb/> nicht etwa blos zu dieſem oder jenem beſondern<lb/> Zwecke nützlich dienen könne, denn deren haben wir<lb/> viele, ſondern welches als Buch vortrefflich ſey; die-<lb/> ſes Lob aber wird nur dann gelten können, wenn die<lb/> Darſtellung eine eigene, ſelbſtſtändige Form hat, und<lb/> zugleich den Stoff zu lebendiger Anſchauung bringt.<lb/> So z. B. im Römiſchen Rechte würde es darauf an-<lb/> kommen, daß die Methode der alten Juriſten, der<lb/> Geiſt der in den Pandekten lebt, erkennbar wäre,<lb/> und ich würde mich ſehr freuen, dasjenige unſrer<lb/> Syſteme kennen zu lernen, worin dieſes der Fall ſeyn<lb/> möchte. Hat nun dieſe Arbeit bey vielem Fleiße und<lb/> guten Talenten bis jetzt nicht gelingen wollen, ſo be-<lb/> haupte ich, daß in unſrer Zeit ein gutes Geſetzbuch<lb/> noch nicht möglich iſt, denn für dieſes iſt die Arbeit<lb/> nicht anders, nur ſchwerer. Es giebt noch eine an-<lb/> dere Probe für unſre Fähigkeit: vergleichen wir un-<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [49/0059]
die Zeit, in welcher man ſelbſt lebt, iſt ein ſicheres
Urtheil ſehr ſchwer: doch, wenn nicht alle Zeichen
trügen, iſt ein lebendigerer Geiſt in unſre Wiſſenſchaft
gekommen, der ſie künftig wieder zu einer eigenthüm-
lichen Bildung erheben kann. Nur fertig geworden
iſt von dieſer Bildung noch ſehr wenig, und aus dieſem
Grunde läugne ich unſre Fähigkeit, ein löbliches Ge-
ſetzbuch hervorzubringen. Viele mögen dieſes Urtheil
für übertrieben halten, aber dieſe fordere ich auf,
mir unter der nicht geringen Zahl von Syſtemen des
Römiſch-Deutſchen Rechts eines zu zeigen, welches
nicht etwa blos zu dieſem oder jenem beſondern
Zwecke nützlich dienen könne, denn deren haben wir
viele, ſondern welches als Buch vortrefflich ſey; die-
ſes Lob aber wird nur dann gelten können, wenn die
Darſtellung eine eigene, ſelbſtſtändige Form hat, und
zugleich den Stoff zu lebendiger Anſchauung bringt.
So z. B. im Römiſchen Rechte würde es darauf an-
kommen, daß die Methode der alten Juriſten, der
Geiſt der in den Pandekten lebt, erkennbar wäre,
und ich würde mich ſehr freuen, dasjenige unſrer
Syſteme kennen zu lernen, worin dieſes der Fall ſeyn
möchte. Hat nun dieſe Arbeit bey vielem Fleiße und
guten Talenten bis jetzt nicht gelingen wollen, ſo be-
haupte ich, daß in unſrer Zeit ein gutes Geſetzbuch
noch nicht möglich iſt, denn für dieſes iſt die Arbeit
nicht anders, nur ſchwerer. Es giebt noch eine an-
dere Probe für unſre Fähigkeit: vergleichen wir un-
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