Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814.Dingen zuvor zu thun berufen sind: dann auch man- Erst wenn wir durch ernstliches Studium voll- 1) Ueber die Art und Weise, wie unsre Vorfahren die Pro- cesse abgekürzet haben; patriotische Phantasien Th. 1. N. 51. 2) Mösers Schreiben eines alten Rechtsgelehrten über das
sogenannte Allegiren, a. a. O. Th. I. N. 22. Dingen zuvor zu thun berufen ſind: dann auch man- Erſt wenn wir durch ernſtliches Studium voll- 1) Ueber die Art und Weiſe, wie unſre Vorfahren die Pro- ceſſe abgekürzet haben; patriotiſche Phantaſien Th. 1. N. 51. 2) Möſers Schreiben eines alten Rechtsgelehrten über das
ſogenannte Allegiren, a. a. O. Th. I. N. 22. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0124" n="114"/> Dingen zuvor zu thun berufen ſind: dann auch man-<lb/> ches iu unſren politiſchen Verhältniſſen. Darum wird<lb/> nicht die Erfahrung anderer Nationen oder Zeiten<lb/> zur Widerlegung angeführt werden können, nicht der<lb/> Zuſtand des bürgerlichen Rechts in England, noch<lb/> der bey unſren Vorfahren. Was unſre Vorfahren<lb/> betrifft, ſo hat <hi rendition="#g">Möſer</hi> in einem trefflichen Aufſatz den<lb/> Unterſchied zwiſchen dem, was er Willkühr, und was er<lb/> Weisheit nennt, entwickelt <note place="foot" n="1)">Ueber die Art und Weiſe, wie unſre Vorfahren die Pro-<lb/> ceſſe abgekürzet haben; patriotiſche Phantaſien Th. 1. <hi rendition="#aq">N. 51.</hi></note>: bey jener konnte Frei-<lb/> heit und Gerechtigkeit beſtehen, ſolange ebenbürtige ge-<lb/> noſſe Richter urtheilten, wir können Weisheit durch-<lb/> aus nicht entbehren. Als Currogat derſelben ver-<lb/> dient in dieſer Rückſicht ſelbſt das Hangen an mittel-<lb/> mäßigen Autoritäten (ſo ſchlecht dieſes in anderer<lb/> Rückſicht iſt) alle Achtung <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#g">Möſers</hi> Schreiben eines alten Rechtsgelehrten über das<lb/> ſogenannte Allegiren, a. a. O. Th. <hi rendition="#aq">I. N. 22.</hi></note>, und kann als ein<lb/> Schutzmittel gegen die verderbliche Verwechslung von<lb/> Willkühr und Weisheit dienen.</p><lb/> <p>Erſt wenn wir durch ernſtliches Studium voll-<lb/> ſtändigere Kenntniß erworben, vorzüglich aber unſren<lb/> geſchichtlichen und politiſchen Sinn mehr geſchärft<lb/> haben, wird ein wahres Urtheil über den überliefer-<lb/> ten Stoff möglich ſeyn. Bis dahin dürfte es gera-<lb/> thener ſeyn, etwas zu zweifeln, ehe wir vorhandenes<lb/> für ſchlaffe Angewohnheit, unkluge Abgeſchiedenheit<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [114/0124]
Dingen zuvor zu thun berufen ſind: dann auch man-
ches iu unſren politiſchen Verhältniſſen. Darum wird
nicht die Erfahrung anderer Nationen oder Zeiten
zur Widerlegung angeführt werden können, nicht der
Zuſtand des bürgerlichen Rechts in England, noch
der bey unſren Vorfahren. Was unſre Vorfahren
betrifft, ſo hat Möſer in einem trefflichen Aufſatz den
Unterſchied zwiſchen dem, was er Willkühr, und was er
Weisheit nennt, entwickelt 1): bey jener konnte Frei-
heit und Gerechtigkeit beſtehen, ſolange ebenbürtige ge-
noſſe Richter urtheilten, wir können Weisheit durch-
aus nicht entbehren. Als Currogat derſelben ver-
dient in dieſer Rückſicht ſelbſt das Hangen an mittel-
mäßigen Autoritäten (ſo ſchlecht dieſes in anderer
Rückſicht iſt) alle Achtung 2), und kann als ein
Schutzmittel gegen die verderbliche Verwechslung von
Willkühr und Weisheit dienen.
Erſt wenn wir durch ernſtliches Studium voll-
ſtändigere Kenntniß erworben, vorzüglich aber unſren
geſchichtlichen und politiſchen Sinn mehr geſchärft
haben, wird ein wahres Urtheil über den überliefer-
ten Stoff möglich ſeyn. Bis dahin dürfte es gera-
thener ſeyn, etwas zu zweifeln, ehe wir vorhandenes
für ſchlaffe Angewohnheit, unkluge Abgeſchiedenheit
1) Ueber die Art und Weiſe, wie unſre Vorfahren die Pro-
ceſſe abgekürzet haben; patriotiſche Phantaſien Th. 1. N. 51.
2) Möſers Schreiben eines alten Rechtsgelehrten über das
ſogenannte Allegiren, a. a. O. Th. I. N. 22.
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