rungen oder Versprechungen einwilligen werde. Nach dem Preussischen Landrecht bestimmt auf gleiche Wei- se, wie nach dem Römischen Rechte, das Gericht un- mittelbar den Erzieher, ohne an den Vormund ge- bunden zu seyn (II. 18. §. 320); und überdem gilt gar kein Recht bestimmter Verwandten auf tutela legi- tima (II. 18. §. 194), was unsrer heutigen Ansicht der Vormundschaft gewiß angemessen ist. Auch in Bestimmung des Begriffs der Vormundschaft geht das Landrecht freyer zu Werke: Vormund heißt ihm derjenige, welcher alle, Curator der, welcher nur ge- wisse Angelegenheiten zu besorgen hat (II. 18. §. 3. 4). Dabey ist die Römische Terminologie mit Recht ganz verlassen, dafür aber innerer Zusammenhang erlangt. So z. B. hat nun auch der Wahnsinnige einen Vormund (II. 18. §. 12), der nach dem Oester- reichischen Gesetzbuch nur einen Curator hat (§. 270). Dieses folgt darin dem Römischen Rechte; aber der Grund des Römischen Rechts, den Schutz der Pupil- len von dem der Wahnsinnigen streng zu unterschei- den, lag darin, daß bey Pupillen und nicht auch bey Wahnsinnigen eine auctoritas möglich war, und dieser Grund existirt nicht mehr. Daß Dinge solcher Art geringfügig und unbedeutend seyen, wird nie- mand behaupten, der aufmerksam den großen Ein- fluß dieser Verknüpfung und Bezeichnung der Be- griffe auf die Rechtssätze selbst beobachtet hat.
Bisher ist von der Construction der Begriffe im
rungen oder Verſprechungen einwilligen werde. Nach dem Preuſſiſchen Landrecht beſtimmt auf gleiche Wei- ſe, wie nach dem Römiſchen Rechte, das Gericht un- mittelbar den Erzieher, ohne an den Vormund ge- bunden zu ſeyn (II. 18. §. 320); und überdem gilt gar kein Recht beſtimmter Verwandten auf tutela legi- tima (II. 18. §. 194), was unſrer heutigen Anſicht der Vormundſchaft gewiß angemeſſen iſt. Auch in Beſtimmung des Begriffs der Vormundſchaft geht das Landrecht freyer zu Werke: Vormund heißt ihm derjenige, welcher alle, Curator der, welcher nur ge- wiſſe Angelegenheiten zu beſorgen hat (II. 18. §. 3. 4). Dabey iſt die Römiſche Terminologie mit Recht ganz verlaſſen, dafür aber innerer Zuſammenhang erlangt. So z. B. hat nun auch der Wahnſinnige einen Vormund (II. 18. §. 12), der nach dem Oeſter- reichiſchen Geſetzbuch nur einen Curator hat (§. 270). Dieſes folgt darin dem Römiſchen Rechte; aber der Grund des Römiſchen Rechts, den Schutz der Pupil- len von dem der Wahnſinnigen ſtreng zu unterſchei- den, lag darin, daß bey Pupillen und nicht auch bey Wahnſinnigen eine auctoritas möglich war, und dieſer Grund exiſtirt nicht mehr. Daß Dinge ſolcher Art geringfügig und unbedeutend ſeyen, wird nie- mand behaupten, der aufmerkſam den großen Ein- fluß dieſer Verknüpfung und Bezeichnung der Be- griffe auf die Rechtsſätze ſelbſt beobachtet hat.
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rungen oder Verſprechungen einwilligen werde. Nach
dem Preuſſiſchen Landrecht beſtimmt auf gleiche Wei-
ſe, wie nach dem Römiſchen Rechte, das Gericht un-
mittelbar den Erzieher, ohne an den Vormund ge-
bunden zu ſeyn (II. 18. §. 320); und überdem gilt gar
kein Recht beſtimmter Verwandten auf tutela legi-
tima (II. 18. §. 194), was unſrer heutigen Anſicht
der Vormundſchaft gewiß angemeſſen iſt. Auch in
Beſtimmung des Begriffs der Vormundſchaft geht
das Landrecht freyer zu Werke: Vormund heißt ihm
derjenige, welcher alle, Curator der, welcher nur ge-
wiſſe Angelegenheiten zu beſorgen hat (II. 18. §. 3.
4). Dabey iſt die Römiſche Terminologie mit Recht
ganz verlaſſen, dafür aber innerer Zuſammenhang
erlangt. So z. B. hat nun auch der Wahnſinnige
einen Vormund (II. 18. §. 12), der nach dem Oeſter-
reichiſchen Geſetzbuch nur einen Curator hat (§. 270).
Dieſes folgt darin dem Römiſchen Rechte; aber der
Grund des Römiſchen Rechts, den Schutz der Pupil-
len von dem der Wahnſinnigen ſtreng zu unterſchei-
den, lag darin, daß bey Pupillen und nicht auch
bey Wahnſinnigen eine auctoritas möglich war, und
dieſer Grund exiſtirt nicht mehr. Daß Dinge ſolcher
Art geringfügig und unbedeutend ſeyen, wird nie-
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Savigny, Friedrich Carl von: Vom Beruf unsrer Zeit für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft. Heidelberg, 1814, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_gesetzgebung_1814/116>, abgerufen am 23.07.2024.
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