Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Brüderlichen Liebe. Jch aber mein guter Freund/ sagt Paphnutius, bin durch Schickung GOt-tes in Erfahrung kommen/ daß du an Verdiensten uns gleich seyest/ die wir in den Einöden wohnen/ und den Leib mit grosser Strengiskeit pla- gen. Siehe derowegen/ mein lieber Bruder/ weil du so hoch von GOtt geachtet wirst/ als auch vielleicht kaum die jenige/ so GOtt am liebsten seynd; und weilen es der Ursprung aller Heiligkeit ist/ daß man gern wolle heilig seyn/ so bitte ich versaume dich selbsten nicht: dieß eintzige ist dir übrig daß du nemblich dich selbsten verlaugnest/ dein Creutz auffnehmest/ und Chri- stum folgest. Kaum hatte Paphnutius seine Red geendiget/ siehe/ da wirfft er seine in der Hand habende Pfeiffen dahin/ und damit er dem Willen GOttes nachleben mögte/ folget dem mehr-gemeldten Einsidler auff dem Fuß nach/ nicht anders/ als wann er von GOtt selbsten diesen Rath em- pfangen hätte. Hat also drey Jahr lang ein himmlichses Leben geführet auff Erden/ und ist nachmals unter die Schaar der Engeln auffgenom- men worden/ mit denen er das Lob GOTTES in alle Ewigkeit mit Frewden singet. 10. Hierauß ist zu ermessen/ wie verdienstlich bey dem Allerhöchsten gethan
Von der Bruͤderlichen Liebe. Jch aber mein guter Freund/ ſagt Paphnutius, bin durch Schickung GOt-tes in Erfahrung kommen/ daß du an Verdienſten uns gleich ſeyeſt/ die wir in den Einoͤden wohnen/ und den Leib mit groſſer Strengiſkeit pla- gen. Siehe derowegen/ mein lieber Bruder/ weil du ſo hoch von GOtt geachtet wirſt/ als auch vielleicht kaum die jenige/ ſo GOtt am liebſten ſeynd; und weilen es der Urſprung aller Heiligkeit iſt/ daß man gern wolle heilig ſeyn/ ſo bitte ich verſaume dich ſelbſten nicht: dieß eintzige iſt dir uͤbrig daß du nemblich dich ſelbſten verlaugneſt/ dein Creutz auffnehmeſt/ und Chri- ſtum folgeſt. Kaum hatte Paphnutius ſeine Red geendiget/ ſiehe/ da wirfft er ſeine in der Hand habende Pfeiffen dahin/ und damit er dem Willen GOttes nachleben moͤgte/ folget dem mehr-gemeldten Einſidler auff dem Fuß nach/ nicht anders/ als wann er von GOtt ſelbſten dieſen Rath em- pfangen haͤtte. Hat alſo drey Jahr lang ein himmlichſes Leben gefuͤhret auff Erden/ und iſt nachmals unter die Schaar der Engeln auffgenom- men worden/ mit denen er das Lob GOTTES in alle Ewigkeit mit Frewden ſinget. 10. Hierauß iſt zu ermeſſen/ wie verdienſtlich bey dem Allerhoͤchſten gethan
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Von der Bruͤderlichen Liebe.
Jch aber mein guter Freund/ ſagt Paphnutius, bin durch Schickung GOt-
tes in Erfahrung kommen/ daß du an Verdienſten uns gleich ſeyeſt/ die
wir in den Einoͤden wohnen/ und den Leib mit groſſer Strengiſkeit pla-
gen. Siehe derowegen/ mein lieber Bruder/ weil du ſo hoch von GOtt
geachtet wirſt/ als auch vielleicht kaum die jenige/ ſo GOtt am liebſten
ſeynd; und weilen es der Urſprung aller Heiligkeit iſt/ daß man gern wolle
heilig ſeyn/ ſo bitte ich verſaume dich ſelbſten nicht: dieß eintzige iſt dir uͤbrig
daß du nemblich dich ſelbſten verlaugneſt/ dein Creutz auffnehmeſt/ und Chri-
ſtum folgeſt. Kaum hatte Paphnutius ſeine Red geendiget/ ſiehe/ da
wirfft er ſeine in der Hand habende Pfeiffen dahin/ und damit er dem Willen
GOttes nachleben moͤgte/ folget dem mehr-gemeldten Einſidler auff dem
Fuß nach/ nicht anders/ als wann er von GOtt ſelbſten dieſen Rath em-
pfangen haͤtte. Hat alſo drey Jahr lang ein himmlichſes Leben gefuͤhret auff
Erden/ und iſt nachmals unter die Schaar der Engeln auffgenom-
men worden/ mit denen er das Lob GOTTES in alle Ewigkeit mit
Frewden ſinget.
10. Hierauß iſt zu ermeſſen/ wie verdienſtlich bey dem Allerhoͤchſten
GOtt ſeynd die Wercke der Bruͤderlichen-Liebe. Dahero ſoll billig ein
jeder allen moͤglichen Fleiß anwenden/ und keine Gelegenheit hinſtreichen
laſſen/ bey deren er ſeinem Naͤchſten umb GOttes Willen die huͤlffliche
Hand bieten koͤnne. Solte aber einer ſo heroiſche Werck der Liebe/ wie die-
ſer Moͤrder nicht verrichten koͤnnen; ſo uͤbe derſelbige ſolche Werck der Liebe/
die ſeinem Standt und Vermoͤgen gemaͤß ſeynd; inſonderheit/ daß er/ wie
oben geſagt iſt/ GOtt eyfferig fuͤr ſeinen Naͤchſten bitte; und damit ſich kei-
ner einbilde/ daß dergleichen Gebett dem Bettende keinen oder wenigen
Nutzen beybringen doͤrffte; derhalben nehme er wahr/ was folget: Nach-
dem ein Prieſter zu ſeinem Beich-Kind/ ſo mit einer toͤdtlichen Kranckheit
behafftet/ geruffen worden; hat er ſelbiges ſeinen ſchwaͤhren begangenen La-
ſtern halber verzweifflend gefunden/ und derowegen alſo angeredet: Jch
will mich umb deinetwillen aller meiner guten Werck und Verdienſten mei-
nes gantzen Lebens berauben/ und dir ſelbige uͤberlaſſen: du aber hergegen be-
raube dich aller deiner Suͤnden/ und uͤberlaß mir ſelbige; ich will deine
Miſſethaten vor GOTT verantworten/ und darfuͤr Buß thuen/ der-
halben verzweiffle nicht; und da dem Krancken dieſer Tauſch gefal-
len; hat er ihme weiters zugeſprochen und geſagt: Siehe/ nun
biſt du verbunden mir zu offenbahren/ was du immer fuͤr Ubels
gethan
Hiſtoria
Ex Spec.
Exempl.
v. Deſp.
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