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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Siebente Geistliche Lection
gethan hast/ damit ich wisse/ welche Sünden ich zu büssen schuldig seye.
Hierauff hat er gantz freymütig den gantzen Lauff seines Lebens sambt
allen begangenen Lastern/ so viel an ihm gewesen/ dem Priester kund gethan/
welcher ihnen alsbald gefragt/ ob er mit ihm über alle diese Sünde ein
wahre Reu und leyd habe/ und ob er verlange durch ihn/ wann er dessen
Gewalt habe/ von allen loßgesprochen zu werden; deme der Krancke zur
Antwort gegeben/ daß er solches gäntzlich verlange: nach diesen Worten hat
ihm alsobald der Priester die absolution mitgetheilet/ mit der er ein wenig her-
nach gestorben ist. Nach einer Monats Frist ist selbiger dem Beichtvatter er-
schienen und gesagt/ er seye auff dem Weeg der Seeligkeit/ und da der
Priester die Beschaffenheit der jenigen Verdiensten/ deren er sich beraubet/
zu erfahren verlanget; hat er geantwortet: GOtt hat dir doppelfaltige vor-
behalten wegen der grossen und vornehmen Lieb/ durch welche du meine Ver-
zweifflung vernichtiget hast. Auß diesem erzehlten Beyspiel kanstu/ mein
Christliche Seel/ handgreifflich abnehmen/ daß den Nutzen deßgleichen
Gebets und anderer Gott-gefälligen Wercken/ so vor andere auffgeopffert
werden/ der bettende oder opfferende Mensch nicht allein nicht verliehre/ son-
dern denselben annebens sich noch vergrössere. Aldieweilen nun dieses zu
eines jeden Christ-liebenden Menschens sattsamer Unterrichtung zu gedey-
hen verhoffe/ als mache ich hiermit dieser Lection ein Ende.



Die Siebente Geistliche
LECTION

Von der
Liebe der Feind.
Matth. 5.
v.
44.
Ego autem dico vobis, diligite inimicos vestros.
Jch aber sage euch/ liebet eure Feinde.
Der Erste Theil.

1. WAs vorzeiten dem Lucifer sambt seinen abtrinnigen Engelen im
Himmel/ und unsern Vor-Eltern im Paradeiß ist abgeschla-
gen worden/ dieses wird uns armseeligen Menschen in gegen-

wer-

Die Siebente Geiſtliche Lection
gethan haſt/ damit ich wiſſe/ welche Suͤnden ich zu buͤſſen ſchuldig ſeye.
Hierauff hat er gantz freymuͤtig den gantzen Lauff ſeines Lebens ſambt
allen begangenen Laſtern/ ſo viel an ihm geweſen/ dem Prieſter kund gethan/
welcher ihnen alsbald gefragt/ ob er mit ihm uͤber alle dieſe Suͤnde ein
wahre Reu und leyd habe/ und ob er verlange durch ihn/ wann er deſſen
Gewalt habe/ von allen loßgeſprochen zu werden; deme der Krancke zur
Antwort gegeben/ daß er ſolches gaͤntzlich verlange: nach dieſen Worten hat
ihm alſobald der Prieſter die abſolution mitgetheilet/ mit der er ein wenig her-
nach geſtorben iſt. Nach einer Monats Friſt iſt ſelbiger dem Beichtvatter er-
ſchienen und geſagt/ er ſeye auff dem Weeg der Seeligkeit/ und da der
Prieſter die Beſchaffenheit der jenigen Verdienſten/ deren er ſich beraubet/
zu erfahren verlanget; hat er geantwortet: GOtt hat dir doppelfaltige vor-
behalten wegen der groſſen und vornehmen Lieb/ durch welche du meine Ver-
zweifflung vernichtiget haſt. Auß dieſem erzehlten Beyſpiel kanſtu/ mein
Chriſtliche Seel/ handgreifflich abnehmen/ daß den Nutzen deßgleichen
Gebets und anderer Gott-gefaͤlligen Wercken/ ſo vor andere auffgeopffert
werden/ der bettende oder opfferende Menſch nicht allein nicht verliehre/ ſon-
dern denſelben annebens ſich noch vergroͤſſere. Aldieweilen nun dieſes zu
eines jeden Chriſt-liebenden Menſchens ſattſamer Unterrichtung zu gedey-
hen verhoffe/ als mache ich hiermit dieſer Lection ein Ende.



Die Siebente Geiſtliche
LECTION

Von der
Liebe der Feind.
Matth. 5.
v.
44.
Ego autem dico vobis, diligite inimicos veſtros.
Jch aber ſage euch/ liebet eure Feinde.
Der Erſte Theil.

1. WAs vorzeiten dem Lucifer ſambt ſeinen abtrinnigen Engelen im
Himmel/ und unſern Vor-Eltern im Paradeiß iſt abgeſchla-
gen worden/ dieſes wird uns armſeeligen Menſchen in gegen-

wer-
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[64/0092] Die Siebente Geiſtliche Lection gethan haſt/ damit ich wiſſe/ welche Suͤnden ich zu buͤſſen ſchuldig ſeye. Hierauff hat er gantz freymuͤtig den gantzen Lauff ſeines Lebens ſambt allen begangenen Laſtern/ ſo viel an ihm geweſen/ dem Prieſter kund gethan/ welcher ihnen alsbald gefragt/ ob er mit ihm uͤber alle dieſe Suͤnde ein wahre Reu und leyd habe/ und ob er verlange durch ihn/ wann er deſſen Gewalt habe/ von allen loßgeſprochen zu werden; deme der Krancke zur Antwort gegeben/ daß er ſolches gaͤntzlich verlange: nach dieſen Worten hat ihm alſobald der Prieſter die abſolution mitgetheilet/ mit der er ein wenig her- nach geſtorben iſt. Nach einer Monats Friſt iſt ſelbiger dem Beichtvatter er- ſchienen und geſagt/ er ſeye auff dem Weeg der Seeligkeit/ und da der Prieſter die Beſchaffenheit der jenigen Verdienſten/ deren er ſich beraubet/ zu erfahren verlanget; hat er geantwortet: GOtt hat dir doppelfaltige vor- behalten wegen der groſſen und vornehmen Lieb/ durch welche du meine Ver- zweifflung vernichtiget haſt. Auß dieſem erzehlten Beyſpiel kanſtu/ mein Chriſtliche Seel/ handgreifflich abnehmen/ daß den Nutzen deßgleichen Gebets und anderer Gott-gefaͤlligen Wercken/ ſo vor andere auffgeopffert werden/ der bettende oder opfferende Menſch nicht allein nicht verliehre/ ſon- dern denſelben annebens ſich noch vergroͤſſere. Aldieweilen nun dieſes zu eines jeden Chriſt-liebenden Menſchens ſattſamer Unterrichtung zu gedey- hen verhoffe/ als mache ich hiermit dieſer Lection ein Ende. Die Siebente Geiſtliche LECTION Von der Liebe der Feind. Ego autem dico vobis, diligite inimicos veſtros. Jch aber ſage euch/ liebet eure Feinde. Der Erſte Theil. 1. WAs vorzeiten dem Lucifer ſambt ſeinen abtrinnigen Engelen im Himmel/ und unſern Vor-Eltern im Paradeiß iſt abgeſchla- gen worden/ dieſes wird uns armſeeligen Menſchen in gegen- wer-

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/92>, abgerufen am 23.04.2024.