Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Drey und Fünfftzigste Geistliche Lection Freuden: Ave Maria, Ave Maria. Was ware der gemeldte Jüngling an-ders/ als ein Vogel/ dem der höllische Habig nachstellete/ und so gar auch schon würcklich in den Klauen gefasst hatte; muste ihn aber fallen lassen/ in dem ihm die gewöhnliche Manier die Jungfrau zu grüssen/ die guldene Freyheit zu wegen gebracht? 9. Recht und wohl sagt derhalben zu unserm Vorhaben der gelehrte J- lohr-
Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection Freuden: Ave Maria, Ave Maria. Was ware der gemeldte Juͤngling an-ders/ als ein Vogel/ dem der hoͤlliſche Habig nachſtellete/ und ſo gar auch ſchon wuͤrcklich in den Klauen gefaſſt hatte; muſte ihn aber fallen laſſen/ in dem ihm die gewoͤhnliche Manier die Jungfrau zu gruͤſſen/ die guldene Freyheit zu wegen gebracht? 9. Recht und wohl ſagt derhalben zu unſerm Vorhaben der gelehrte J- lohr-
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Die Drey und Fuͤnfftzigſte Geiſtliche Lection
Freuden: Ave Maria, Ave Maria. Was ware der gemeldte Juͤngling an-
ders/ als ein Vogel/ dem der hoͤlliſche Habig nachſtellete/ und ſo gar auch
ſchon wuͤrcklich in den Klauen gefaſſt hatte; muſte ihn aber fallen laſſen/ in dem
ihm die gewoͤhnliche Manier die Jungfrau zu gruͤſſen/ die guldene Freyheit
zu wegen gebracht?
9. Recht und wohl ſagt derhalben zu unſerm Vorhaben der gelehrte J-
diota in der Betrachtung der Allerſeligſten Jungfrauen. So groß iſt die
Barmhertzigkeit Mariaͤ; daß von ſelbiger niemand verſtoſſen werde: Sie
iſt unſere Fuͤrſprecherin bey dem Sohn/ gleich wie der Sohn unſer Fuͤrſpre-
cher iſt beym Vatter: ja ſo gar ſie nimbt ſich unſer an/ und macht unſere Sa-
chen auß bey dem Vatter und Sohn zugleich: und werden offt viele durch
die Barmhertzigkeit der Mutter errettet/ welche von der Gerechtigkeit deß
Sohns wohl moͤgten verdambt werden, dieweilen ſie der Schatz deß HErrn
iſt/ und die Schatz-Meiſterin der Gnaden Gottes: dann gleich wie am
Firmament deß Himmels/ zwiſchen dem Loͤwen und der Waag/ das Zeichen
der Jungfrauen geſetzt wird; alſo thut die holdſelige Jungfrau Maria zwi-
ſchen dem Loͤwen auß dem Stammen Juda/ das iſt/ zwiſchen Chriſto/ und
zwiſchen der gerichtlichen Waag/ auff welcher alle Menſchen Wercke ſehr
ſcharff gewogen werden/ die Haͤndel derſelben krafft ihrer Fuͤrbitt verſenfften/
und die Schaͤrffe deß erſchroͤcklichen Waag-Meiſters vermitteln. Wie wahr
dieſes ſeye/ zeigt dir zum Theil/ mein Chriſtl. Seel/ die folgende Geſchicht.
Caͤſarius laſſet herkommen von einem Juͤngling/ welcher all ſein Hab und
Gut verſchwendet hatte/ und nachmahlen den boͤſen Feind auß der Hoͤllen
geruffen/ und ſeinen GOtt verlaͤugnet: Mariam aber nicht hat verlaugnen
wollen. Da nun ſelbigen das Gewiſſen truckte/ gehet er zur Kirchen/ wirfft
ſich vorm Altar nieder/ auff dem die Bildnuß deß Heylands in den Armben
Mariaͤ zu ſehen ware. Vor dieſer Bildnuß vergieſſet der arme Menſch
viel bittere Zaͤhren/ wird vor ſeinem GOtt zumahlen ſchamroth/ und bittet
die Mutter deß HErrn mit inbruͤnſtigem Hertzen umb Barmhertzigkeit; ſie
wolle doch ihn/ als den allergrauſambſten Suͤnder aller Suͤnder nicht ver-
werffen/ ſondern ihr Gnadenreiche Augen zu ihm wenden: Sehe/ ſagt er/ an
das Angeſicht deines geliebten Sohns/ O Maria! und nicht umbſonſt. Sin-
temahlen/ da ſelbiger in beharrlichem Seufftzen und Weinen zu betten fort-
fahret/ wird die Bildnuß Mariaͤ zur Stund lebendig/ und verrichtet das
Ambt einer Fuͤrſprecherin bey dem Sohn: Dieſer wendet ſein Angeſicht von
dem Gottloſen und maͤyneidigen Boͤßwicht ab: die Mutter laſſet inzwiſchen
nicht nach/ ſtehet von ihrem Ort auff/ wirfft ſich zur Erden nieder/ und bit-
tet durch ihre Jungfraͤuliche Bruͤſte/ mit denen ſie ihnen Sohn geſaͤuget; und
durch die Liebe/ ſo ſie zu ſelbigem immer getragen/ er wolle doch dieſem ver-
lohr-
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