Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

Bild:
<< vorherige Seite

Von Verehrung der Allerseel. Mutter GOttes Mariä.
lohrnen Menschen seine Sünden vergeben; dieweilen er/ sagte sie/ seine Lie-
be gegen mich/ und die mir einmahl gegebene Treu nicht hat zertrennen wol-
len. Sehe/ alsbald hebt der göttliche Sohn seine Mutter von der Erden auff/
und sagt: meine Mutter/ ich kan dir nichts versagen. Und wendet sich zum
Sünder/ nimbt selbigen wiederumb in seine Gnad/ und verzeyhet ihm seine
begangene Sünden.

10. Zu diesem unserm Vorhaben dienet gar bequemlich/ was der Dau-
roultius von dem heiligen Francisco meldet. Dieser heil. Mann hat eins-c. 1. tit. 20
mahls viele Engel und Menschen auff einer Ebene versammlet gesehen: und
annebens zwo Laitern/ eine rothe/ auff welcher Christus gesessen; und eine
weisse/ auff welcher sich die Allerseligste Jungfrau gelehnet hatte. Da nun
die Anwesende die rothe Laiter hinauff steigen wollen/ seynd sie bald von Chri-
sto herunter geworffen/ und befelchet worden/ zur weissen Laiter sich zu ver-
fügen; allwo sie durch die Mutter GOttes den Zugang zum Himmel gar
leicht erworben haben. Was hat uns durch dieses Gesicht GOtt anders
bedeuten wollen/ als daß wir in unsern Nöthen zu der heil. Maria fliehen sol-
len/ durch dero Fürbitt die Sünder am besten erhöret werden? Wir wissen/
sagten vormals die Juden/ das GOtt die Sünder nicht erhöre. Jch aber
sage: Wir wissen/ das GOtt die Sünder auff die Fürbitt der Himmels-
Königin freylig erhöre: zumahlen diese Herrscherin so grosse Gewalt hat/ daß
unmöglich zu Schanden werden könne/ den selbige mit barmhertzigen Au-
gen anschauet. Hierüber nehme ich/ neben den angeführten und andern
unzahlbarn Exempeln auß den H. H. Vättern zu Zeugen die treue Diener so-
thanen Mutter/ viele andere zu verschweigen/ den heil. Bonaventuram und
Anselmum: deren Wort seynd: Gleich wie der jenige/ den du/ O
barmhertzigste Jungfrau verschmähest/ und sich von dir
entfrembdet/ nothwendiger Weiß verderben muß: also ist
unmöglich/ daß verderben könne/ den du mit Mütterlichen
Augen ansiehest/ und zu dir sich wendet.
O tröstliche Wort!
Was verlangest weiter/ O Sünder! wte thuestu so übel/ wie bistu so när-
risch/ daß du in wahrer Bereuung deiner Missethaten zu diesem Schutz nit
fliehest! Ach! ach wie manchen Christ Glaubigen reuets nicht in den hölli-
schen Peynen/ daß er die Verehrung Mariä vernachlässiget habe/ krafft de-
ren er so leichtlich zum Himmel hätte kommen können!

11. Auff daß du aber/ so grosser Sünder du immer bist/ hinführo ein
grösseres Vertrauen zu dieser barmhertzigen Jungfrauen fassen/
und dich mit allem Ernst zu selbiger kehren mögest; so betrach-
te/ was folget: Nicht vor gar vielen Jahren hat einer in

Hispa-
S s s s 2

Von Verehrung der Allerſeel. Mutter GOttes Mariaͤ.
lohrnen Menſchen ſeine Suͤnden vergeben; dieweilen er/ ſagte ſie/ ſeine Lie-
be gegen mich/ und die mir einmahl gegebene Treu nicht hat zertrennen wol-
len. Sehe/ alsbald hebt der goͤttliche Sohn ſeine Mutter von der Erden auff/
und ſagt: meine Mutter/ ich kan dir nichts verſagen. Und wendet ſich zum
Suͤnder/ nimbt ſelbigen wiederumb in ſeine Gnad/ und verzeyhet ihm ſeine
begangene Suͤnden.

10. Zu dieſem unſerm Vorhaben dienet gar bequemlich/ was der Dau-
roultius von dem heiligen Franciſco meldet. Dieſer heil. Mann hat eins-c. 1. tit. 20
mahls viele Engel und Menſchen auff einer Ebene verſammlet geſehen: und
annebens zwo Laitern/ eine rothe/ auff welcher Chriſtus geſeſſen; und eine
weiſſe/ auff welcher ſich die Allerſeligſte Jungfrau gelehnet hatte. Da nun
die Anweſende die rothe Laiter hinauff ſteigen wollen/ ſeynd ſie bald von Chri-
ſto herunter geworffen/ und befelchet worden/ zur weiſſen Laiter ſich zu ver-
fuͤgen; allwo ſie durch die Mutter GOttes den Zugang zum Himmel gar
leicht erworben haben. Was hat uns durch dieſes Geſicht GOtt anders
bedeuten wollen/ als daß wir in unſern Noͤthen zu der heil. Maria fliehen ſol-
len/ durch dero Fuͤrbitt die Suͤnder am beſten erhoͤret werden? Wir wiſſen/
ſagten vormals die Juden/ das GOtt die Suͤnder nicht erhoͤre. Jch aber
ſage: Wir wiſſen/ das GOtt die Suͤnder auff die Fuͤrbitt der Himmels-
Koͤnigin freylig erhoͤre: zumahlen dieſe Herrſcherin ſo groſſe Gewalt hat/ daß
unmoͤglich zu Schanden werden koͤnne/ den ſelbige mit barmhertzigen Au-
gen anſchauet. Hieruͤber nehme ich/ neben den angefuͤhrten und andern
unzahlbarn Exempeln auß den H. H. Vaͤttern zu Zeugen die treue Diener ſo-
thanen Mutter/ viele andere zu verſchweigen/ den heil. Bonaventuram und
Anſelmum: deren Wort ſeynd: Gleich wie der jenige/ den du/ O
barmhertzigſte Jungfrau verſchmaͤheſt/ und ſich von dir
entfrembdet/ nothwendiger Weiß verderben muß: alſo iſt
unmoͤglich/ daß verderben koͤnne/ den du mit Mütterlichen
Augen anſieheſt/ und zu dir ſich wendet.
O troͤſtliche Wort!
Was verlangeſt weiter/ O Suͤnder! wte thueſtu ſo uͤbel/ wie biſtu ſo naͤr-
riſch/ daß du in wahrer Bereuung deiner Miſſethaten zu dieſem Schutz nit
flieheſt! Ach! ach wie manchen Chriſt Glaubigen reuets nicht in den hoͤlli-
ſchen Peynen/ daß er die Verehrung Mariaͤ vernachlaͤſſiget habe/ krafft de-
ren er ſo leichtlich zum Himmel haͤtte kommen koͤnnen!

11. Auff daß du aber/ ſo groſſer Suͤnder du immer biſt/ hinfuͤhro ein
groͤſſeres Vertrauen zu dieſer barmhertzigen Jungfrauen faſſen/
und dich mit allem Ernſt zu ſelbiger kehren moͤgeſt; ſo betrach-
te/ was folget: Nicht vor gar vielen Jahren hat einer in

Hiſpa-
S ſ ſ ſ 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0719" n="691"/><fw place="top" type="header">Von Verehrung der Aller&#x017F;eel. Mutter GOttes Maria&#x0364;.</fw><lb/>
lohrnen Men&#x017F;chen &#x017F;eine Su&#x0364;nden vergeben; dieweilen er/ &#x017F;agte &#x017F;ie/ &#x017F;eine Lie-<lb/>
be gegen mich/ und die mir einmahl gegebene Treu nicht hat zertrennen wol-<lb/>
len. Sehe/ alsbald hebt der go&#x0364;ttliche Sohn &#x017F;eine Mutter von der Erden auff/<lb/>
und &#x017F;agt: meine Mutter/ ich kan dir nichts ver&#x017F;agen. Und wendet &#x017F;ich zum<lb/>
Su&#x0364;nder/ nimbt &#x017F;elbigen wiederumb in &#x017F;eine Gnad/ und verzeyhet ihm &#x017F;eine<lb/>
begangene Su&#x0364;nden.</p><lb/>
        <p>10. Zu die&#x017F;em un&#x017F;erm Vorhaben dienet gar bequemlich/ was der Dau-<lb/>
roultius von dem heiligen Franci&#x017F;co meldet. Die&#x017F;er heil. Mann hat eins-<note place="right"><hi rendition="#aq">c. 1. tit.</hi> 20</note><lb/>
mahls viele Engel und Men&#x017F;chen auff einer Ebene ver&#x017F;ammlet ge&#x017F;ehen: und<lb/>
annebens zwo Laitern/ eine rothe/ auff welcher Chri&#x017F;tus ge&#x017F;e&#x017F;&#x017F;en; und eine<lb/>
wei&#x017F;&#x017F;e/ auff welcher &#x017F;ich die Aller&#x017F;elig&#x017F;te Jungfrau gelehnet hatte. Da nun<lb/>
die Anwe&#x017F;ende die rothe Laiter hinauff &#x017F;teigen wollen/ &#x017F;eynd &#x017F;ie bald von Chri-<lb/>
&#x017F;to herunter geworffen/ und befelchet worden/ zur wei&#x017F;&#x017F;en Laiter &#x017F;ich zu ver-<lb/>
fu&#x0364;gen; allwo &#x017F;ie durch die Mutter GOttes den Zugang zum Himmel gar<lb/>
leicht erworben haben. Was hat uns durch die&#x017F;es Ge&#x017F;icht GOtt anders<lb/>
bedeuten wollen/ als daß wir in un&#x017F;ern No&#x0364;then zu der heil. Maria fliehen &#x017F;ol-<lb/>
len/ durch dero Fu&#x0364;rbitt die Su&#x0364;nder am be&#x017F;ten erho&#x0364;ret werden? Wir wi&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
&#x017F;agten vormals die Juden/ das GOtt die Su&#x0364;nder nicht erho&#x0364;re. Jch aber<lb/>
&#x017F;age: Wir wi&#x017F;&#x017F;en/ das GOtt die Su&#x0364;nder auff die Fu&#x0364;rbitt der Himmels-<lb/>
Ko&#x0364;nigin freylig erho&#x0364;re: zumahlen die&#x017F;e Herr&#x017F;cherin &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;e Gewalt hat/ daß<lb/>
unmo&#x0364;glich zu Schanden werden ko&#x0364;nne/ den &#x017F;elbige mit barmhertzigen Au-<lb/>
gen an&#x017F;chauet. Hieru&#x0364;ber nehme ich/ neben den angefu&#x0364;hrten und andern<lb/>
unzahlbarn Exempeln auß den H. H. Va&#x0364;ttern zu Zeugen die treue Diener &#x017F;o-<lb/>
thanen Mutter/ viele andere zu ver&#x017F;chweigen/ den heil. Bonaventuram und<lb/>
An&#x017F;elmum: deren Wort &#x017F;eynd: <hi rendition="#fr">Gleich wie der jenige/ den du/ O<lb/>
barmhertzig&#x017F;te Jungfrau ver&#x017F;chma&#x0364;he&#x017F;t/ und &#x017F;ich von dir<lb/>
entfrembdet/ nothwendiger Weiß verderben muß: al&#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
unmo&#x0364;glich/ daß verderben ko&#x0364;nne/ den du mit Mütterlichen<lb/>
Augen an&#x017F;iehe&#x017F;t/ und zu dir &#x017F;ich wendet.</hi> O tro&#x0364;&#x017F;tliche Wort!<lb/>
Was verlange&#x017F;t weiter/ O Su&#x0364;nder! wte thue&#x017F;tu &#x017F;o u&#x0364;bel/ wie bi&#x017F;tu &#x017F;o na&#x0364;r-<lb/>
ri&#x017F;ch/ daß du in wahrer Bereuung deiner Mi&#x017F;&#x017F;ethaten zu die&#x017F;em Schutz nit<lb/>
fliehe&#x017F;t! Ach! ach wie manchen Chri&#x017F;t Glaubigen reuets nicht in den ho&#x0364;lli-<lb/>
&#x017F;chen Peynen/ daß er die Verehrung Maria&#x0364; vernachla&#x0364;&#x017F;&#x017F;iget habe/ krafft de-<lb/>
ren er &#x017F;o leichtlich zum Himmel ha&#x0364;tte kommen ko&#x0364;nnen!</p><lb/>
        <p>11. Auff daß du aber/ &#x017F;o gro&#x017F;&#x017F;er Su&#x0364;nder du immer bi&#x017F;t/ hinfu&#x0364;hro ein<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;eres Vertrauen zu die&#x017F;er barmhertzigen Jungfrauen fa&#x017F;&#x017F;en/<lb/>
und dich mit allem Ern&#x017F;t zu &#x017F;elbiger kehren mo&#x0364;ge&#x017F;t; &#x017F;o betrach-<lb/>
te/ was folget: Nicht vor gar vielen Jahren hat einer in<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S &#x017F; &#x017F; &#x017F; 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Hi&#x017F;pa-</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[691/0719] Von Verehrung der Allerſeel. Mutter GOttes Mariaͤ. lohrnen Menſchen ſeine Suͤnden vergeben; dieweilen er/ ſagte ſie/ ſeine Lie- be gegen mich/ und die mir einmahl gegebene Treu nicht hat zertrennen wol- len. Sehe/ alsbald hebt der goͤttliche Sohn ſeine Mutter von der Erden auff/ und ſagt: meine Mutter/ ich kan dir nichts verſagen. Und wendet ſich zum Suͤnder/ nimbt ſelbigen wiederumb in ſeine Gnad/ und verzeyhet ihm ſeine begangene Suͤnden. 10. Zu dieſem unſerm Vorhaben dienet gar bequemlich/ was der Dau- roultius von dem heiligen Franciſco meldet. Dieſer heil. Mann hat eins- mahls viele Engel und Menſchen auff einer Ebene verſammlet geſehen: und annebens zwo Laitern/ eine rothe/ auff welcher Chriſtus geſeſſen; und eine weiſſe/ auff welcher ſich die Allerſeligſte Jungfrau gelehnet hatte. Da nun die Anweſende die rothe Laiter hinauff ſteigen wollen/ ſeynd ſie bald von Chri- ſto herunter geworffen/ und befelchet worden/ zur weiſſen Laiter ſich zu ver- fuͤgen; allwo ſie durch die Mutter GOttes den Zugang zum Himmel gar leicht erworben haben. Was hat uns durch dieſes Geſicht GOtt anders bedeuten wollen/ als daß wir in unſern Noͤthen zu der heil. Maria fliehen ſol- len/ durch dero Fuͤrbitt die Suͤnder am beſten erhoͤret werden? Wir wiſſen/ ſagten vormals die Juden/ das GOtt die Suͤnder nicht erhoͤre. Jch aber ſage: Wir wiſſen/ das GOtt die Suͤnder auff die Fuͤrbitt der Himmels- Koͤnigin freylig erhoͤre: zumahlen dieſe Herrſcherin ſo groſſe Gewalt hat/ daß unmoͤglich zu Schanden werden koͤnne/ den ſelbige mit barmhertzigen Au- gen anſchauet. Hieruͤber nehme ich/ neben den angefuͤhrten und andern unzahlbarn Exempeln auß den H. H. Vaͤttern zu Zeugen die treue Diener ſo- thanen Mutter/ viele andere zu verſchweigen/ den heil. Bonaventuram und Anſelmum: deren Wort ſeynd: Gleich wie der jenige/ den du/ O barmhertzigſte Jungfrau verſchmaͤheſt/ und ſich von dir entfrembdet/ nothwendiger Weiß verderben muß: alſo iſt unmoͤglich/ daß verderben koͤnne/ den du mit Mütterlichen Augen anſieheſt/ und zu dir ſich wendet. O troͤſtliche Wort! Was verlangeſt weiter/ O Suͤnder! wte thueſtu ſo uͤbel/ wie biſtu ſo naͤr- riſch/ daß du in wahrer Bereuung deiner Miſſethaten zu dieſem Schutz nit flieheſt! Ach! ach wie manchen Chriſt Glaubigen reuets nicht in den hoͤlli- ſchen Peynen/ daß er die Verehrung Mariaͤ vernachlaͤſſiget habe/ krafft de- ren er ſo leichtlich zum Himmel haͤtte kommen koͤnnen! c. 1. tit. 20 11. Auff daß du aber/ ſo groſſer Suͤnder du immer biſt/ hinfuͤhro ein groͤſſeres Vertrauen zu dieſer barmhertzigen Jungfrauen faſſen/ und dich mit allem Ernſt zu ſelbiger kehren moͤgeſt; ſo betrach- te/ was folget: Nicht vor gar vielen Jahren hat einer in Hiſpa- S ſ ſ ſ 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/719
Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 691. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/719>, abgerufen am 22.11.2024.