Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Zwey und Füntzigste Geistliche Lection die Freuden der Welt/ die Wollusten deß Fleisches/ Reichthumben und Eh-ren mit allem Ernst: und kurtz umb; es wandert nun jederman den weiten lu- stigen und breiten Weg/ der zum Verderben leitet/ und meidet den engen und dörneren Weg zum Himmel-Reich. Ja vielmehr pflegt der meiste Theil der Menschen also zu leben/ als wann kein Himmel noch Hölle wäre/ und sie all- hier auff dieser Welt ewiglich leben würden; dieweil sie hundertmahl mehr arbeiten/ und schwitzen umb das Weltliche/ als umb das ewige Gut: mehr für den faulen stinckenden Leib/ als für die edele Seel/ mehr für den Menschen als fur den allerhöchsten GOtt: pfuy der Schanden! und obwohln sie zu zei- ten was thuen zur Chren GOttes und zum Heyl ihrer Seelen/ so geschicht doch selbiges nur obenhin/ ohne wahre auffrichtige Andacht. Nun finden sich/ leyder Gottes! auch nicht wenige Geistliche/ die besagter massen dahin leben: in wie grosse und eusserste Gefahr aber selbige setzen ihre mit dem Blut Chri- sti erlösete Seelen/ kan ein jeder auß dem vorhergehenden Theil dieser Le- ction gnugsamb abnehmen. 14. Anjetzo wollen wir die Praedestination oder Verordnung/ umb de- gegen
Die Zwey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection die Freuden der Welt/ die Wolluſten deß Fleiſches/ Reichthumben und Eh-ren mit allem Ernſt: und kurtz umb; es wandert nun jederman den weiten lu- ſtigen und breiten Weg/ der zum Verderben leitet/ und meidet den engen und doͤrneren Weg zum Himmel-Reich. Ja vielmehr pflegt der meiſte Theil der Menſchen alſo zu leben/ als wann kein Himmel noch Hoͤlle waͤre/ und ſie all- hier auff dieſer Welt ewiglich leben wuͤrden; dieweil ſie hundertmahl mehr arbeiten/ und ſchwitzen umb das Weltliche/ als umb das ewige Gut: mehr fuͤr den faulen ſtinckenden Leib/ als fuͤr die edele Seel/ mehr fuͤr den Menſchen als fur den allerhoͤchſten GOtt: pfuy der Schanden! und obwohln ſie zu zei- ten was thuen zur Chren GOttes und zum Heyl ihrer Seelen/ ſo geſchicht doch ſelbiges nur obenhin/ ohne wahre auffrichtige Andacht. Nun finden ſich/ leyder Gottes! auch nicht wenige Geiſtliche/ die beſagter maſſen dahin leben: in wie groſſe und euſſerſte Gefahr aber ſelbige ſetzen ihre mit dem Blut Chri- ſti erloͤſete Seelen/ kan ein jeder auß dem vorhergehenden Theil dieſer Le- ction gnugſamb abnehmen. 14. Anjetzo wollen wir die Prædeſtination oder Verordnung/ umb de- gegen
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Die Zwey und Fuͤntzigſte Geiſtliche Lection
die Freuden der Welt/ die Wolluſten deß Fleiſches/ Reichthumben und Eh-
ren mit allem Ernſt: und kurtz umb; es wandert nun jederman den weiten lu-
ſtigen und breiten Weg/ der zum Verderben leitet/ und meidet den engen und
doͤrneren Weg zum Himmel-Reich. Ja vielmehr pflegt der meiſte Theil der
Menſchen alſo zu leben/ als wann kein Himmel noch Hoͤlle waͤre/ und ſie all-
hier auff dieſer Welt ewiglich leben wuͤrden; dieweil ſie hundertmahl mehr
arbeiten/ und ſchwitzen umb das Weltliche/ als umb das ewige Gut: mehr
fuͤr den faulen ſtinckenden Leib/ als fuͤr die edele Seel/ mehr fuͤr den Menſchen
als fur den allerhoͤchſten GOtt: pfuy der Schanden! und obwohln ſie zu zei-
ten was thuen zur Chren GOttes und zum Heyl ihrer Seelen/ ſo geſchicht
doch ſelbiges nur obenhin/ ohne wahre auffrichtige Andacht. Nun finden ſich/
leyder Gottes! auch nicht wenige Geiſtliche/ die beſagter maſſen dahin leben:
in wie groſſe und euſſerſte Gefahr aber ſelbige ſetzen ihre mit dem Blut Chri-
ſti erloͤſete Seelen/ kan ein jeder auß dem vorhergehenden Theil dieſer Le-
ction gnugſamb abnehmen.
14. Anjetzo wollen wir die Prædeſtination oder Verordnung/ umb de-
nen zu helffen ſuchen/ welche vermeinen/ daß/ wann ſie zur ewigen Seeligkeit
von GOTT verordnet ſeynd; unmoͤglich koͤnnen verdambt werden: dieſe
Verordnung entwirfft der heilige Vatter Auguſtinus mit dieſen Farben/
und ſagt: die Verordnung iſt eine vorher gehende Wiſſenſchafft und Vorbe-
reitung der Wohlthaten GOttes/ krafft deren die jenige ſicherlich befreyet
werden/ ſo da immer moͤgen befreyet werden. Dieſer Entwurff lehret uns/
daß die jenige/ ſo von GOtt zum Himmel ſeynd vorgeſehen/ unfehlbarlich
werden ſeelig werden; dahero ſagt der heilige Fulgentius: Halt es fůr ge-
wiß/ und zweiffle ja nicht dran/ daß alle/ ſo GOTT auß
ſeiner pur lautern Gůte/ Gefaͤß der Barmhertzigkeit ge-
macht hat/ vor Erſchaffung der Welt zur Annehmung der
Kindern GOTTES/ von GOTT verordnet ſeyen: und
daß keiner von denen zu Grund gehen koͤnne/ welche GOtt
verordnet hat zum Keich der Himmeln: und daß hergegen
auch keiner koͤnne immer ſeelig werden/ den Gott nicht zum
ewigen Leben verordnet hat. Hieruͤber wirſt du/ mein Chriſtl. Seel/
dieſe Gedancken faſſen. Wohlan dann/ bin ich zum Himmel verordnet/ ſo
kan mir derſelbe nicht entgehen/ ich lebe/ wie ich immer wolle. Bin ich her-
gegen
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