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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der ewigen Seeligkeit.
werden/ so da geniesset ein eintziger Ausserwählter GOttes im Himmel/ von
der Gegenwart und Anschauung der Allerseeligsten Mutter Mariä. Jst
nun diesem also/ wie nicht zu zweiffeln ist; wie grosse Freud wird dann nit
bringen die Betrachtung und Beschauung der Menschheit deß Sohns
GOttes? und dannoch gehört dieses alles nur zu der beyfälligen Belohnung
der Außerwählten; welche insgesambt unvergleichlich geringer ist/ als die
Freud der wesentlichen und fürnehmsten Belohnung/ nemblich der See-
ligen Geniessung der Allervor treffligsten Dreyfaltigkeit/ und derselben ewi-
gen und unbeweglichen Gottheit. Was grosse Freud/ und unermäßliche
Glückseeligkeit muß daß nicht seyn/ wann eine Seel daß so über wunderbare
und unver änderliche Wesen GOttes/ und zugleich das unbegreiffliche und
verborgene Geheimnuß der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit zu sehen gewürdi-
get wird! wann er/ sag ich/ sehet den Vatter in dem Sohn/ den Sohn in
dem Vatter/ und im Sohn und Vatter den Heiligen Geist! Wann er se-
het ohne Schatten und Figur/ ohne einige Dunckelheit gantz klärlich/ wie
nemblich der Sohn von dem Vatter von Ewigkeit her gebohren ist: wel-
cher Gestalt der Heilige Geist vom Vatter und Sohn/ gleich als wie von
einem Anfang herkomme: Was massen unter denen dreyen Persohnen
keine höher oder niedriger/ und keine fürtrefflicher seye als die andere: Wie
der Vatter nicht ehender gewesen seye/ als der Sohn/ den er doch gebohren
hat; sondern daß alle drey Persohnen sich in allem gleich seyn; alle drey
von Ewigkeit/ und einer gleichen undendlichen Fürtreffligkeit und Würde.
Allda wirstu sehen können/ mein Christliche Seel/ die Weiß und Manier/
krafft deren sich die Göttliche Natur der Menschlichen in der Persohn
Christi vereiniget hat/ und GOtt ist Mensch worden/ daß also in War-
heit kan gesagt werden (so viel wir von der Menschheit Christi reden wollen)
GOtt ist ein Mensch/ und ein Mensch ist GOtt.

7. Jn diesem Anschauen der Allerheiligsten Dreyfaltigkeit/ und in dem
Geheimnuß deß Vermenschten und Ewigen Worts bestehet die für-
nehmste Seeligkeit. Es sehen die Außerwählte nicht allein GOtt/ sondern
sehen sich annebens auch selbsten in GOtt/ und in Selbigem alle Dinge:
dan gleich/ wie der jenige/ sagt der H. Fulgentius/ welcher einen Spiegel vor
sich hat/ den Spiegel sehet/ und sich selbsten im Spiegel: also die Heilige/
so da den herrlichen Spiegel ohne Macul anschauen/ sehen GOtt/ und in
GOtt sich selbsten/ sambt allem/ was ausser GOtt ist/ nach Maß deß
Lichts/ daß ihnen von GOtt verliehen worden. Dann gleich wie auff
dieser Welt/ alles was da erschaffen/ gleichsamb ein Spiegel ist/ ob zwarn

dun-
N n n n 3

Von der ewigen Seeligkeit.
werden/ ſo da genieſſet ein eintziger Auſſerwaͤhlter GOttes im Himmel/ von
der Gegenwart und Anſchauung der Allerſeeligſten Mutter Mariaͤ. Jſt
nun dieſem alſo/ wie nicht zu zweiffeln iſt; wie groſſe Freud wird dann nit
bringen die Betrachtung und Beſchauung der Menſchheit deß Sohns
GOttes? und dannoch gehoͤrt dieſes alles nur zu der beyfaͤlligen Belohnung
der Außerwaͤhlten; welche insgeſambt unvergleichlich geringer iſt/ als die
Freud der weſentlichen und fuͤrnehmſten Belohnung/ nemblich der See-
ligen Genieſſung der Allervor treffligſten Dreyfaltigkeit/ und derſelben ewi-
gen und unbeweglichen Gottheit. Was groſſe Freud/ und unermaͤßliche
Gluͤckſeeligkeit muß daß nicht ſeyn/ wann eine Seel daß ſo uͤber wunderbare
und unver aͤnderliche Weſen GOttes/ und zugleich das unbegreiffliche und
verborgene Geheimnuß der Allerheiligſten Dreyfaltigkeit zu ſehen gewuͤrdi-
get wird! wann er/ ſag ich/ ſehet den Vatter in dem Sohn/ den Sohn in
dem Vatter/ und im Sohn und Vatter den Heiligen Geiſt! Wann er ſe-
het ohne Schatten und Figur/ ohne einige Dunckelheit gantz klaͤrlich/ wie
nemblich der Sohn von dem Vatter von Ewigkeit her gebohren iſt: wel-
cher Geſtalt der Heilige Geiſt vom Vatter und Sohn/ gleich als wie von
einem Anfang herkomme: Was maſſen unter denen dreyen Perſohnen
keine hoͤher oder niedriger/ und keine fuͤrtrefflicher ſeye als die andere: Wie
der Vatter nicht ehender geweſen ſeye/ als der Sohn/ den er doch gebohren
hat; ſondern daß alle drey Perſohnen ſich in allem gleich ſeyn; alle drey
von Ewigkeit/ und einer gleichen undendlichen Fuͤrtreffligkeit und Wuͤrde.
Allda wirſtu ſehen koͤnnen/ mein Chriſtliche Seel/ die Weiß und Manier/
krafft deren ſich die Goͤttliche Natur der Menſchlichen in der Perſohn
Chriſti vereiniget hat/ und GOtt iſt Menſch worden/ daß alſo in War-
heit kan geſagt werden (ſo viel wir von der Menſchheit Chriſti reden wollen)
GOtt iſt ein Menſch/ und ein Menſch iſt GOtt.

7. Jn dieſem Anſchauen der Allerheiligſten Dreyfaltigkeit/ und in dem
Geheimnuß deß Vermenſchten und Ewigen Worts beſtehet die fuͤr-
nehmſte Seeligkeit. Es ſehen die Außerwaͤhlte nicht allein GOtt/ ſondern
ſehen ſich annebens auch ſelbſten in GOtt/ und in Selbigem alle Dinge:
dan gleich/ wie der jenige/ ſagt der H. Fulgentius/ welcher einen Spiegel vor
ſich hat/ den Spiegel ſehet/ und ſich ſelbſten im Spiegel: alſo die Heilige/
ſo da den herrlichen Spiegel ohne Macul anſchauen/ ſehen GOtt/ und in
GOtt ſich ſelbſten/ ſambt allem/ was auſſer GOtt iſt/ nach Maß deß
Lichts/ daß ihnen von GOtt verliehen worden. Dann gleich wie auff
dieſer Welt/ alles was da erſchaffen/ gleichſamb ein Spiegel iſt/ ob zwarn

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[653/0681] Von der ewigen Seeligkeit. werden/ ſo da genieſſet ein eintziger Auſſerwaͤhlter GOttes im Himmel/ von der Gegenwart und Anſchauung der Allerſeeligſten Mutter Mariaͤ. Jſt nun dieſem alſo/ wie nicht zu zweiffeln iſt; wie groſſe Freud wird dann nit bringen die Betrachtung und Beſchauung der Menſchheit deß Sohns GOttes? und dannoch gehoͤrt dieſes alles nur zu der beyfaͤlligen Belohnung der Außerwaͤhlten; welche insgeſambt unvergleichlich geringer iſt/ als die Freud der weſentlichen und fuͤrnehmſten Belohnung/ nemblich der See- ligen Genieſſung der Allervor treffligſten Dreyfaltigkeit/ und derſelben ewi- gen und unbeweglichen Gottheit. Was groſſe Freud/ und unermaͤßliche Gluͤckſeeligkeit muß daß nicht ſeyn/ wann eine Seel daß ſo uͤber wunderbare und unver aͤnderliche Weſen GOttes/ und zugleich das unbegreiffliche und verborgene Geheimnuß der Allerheiligſten Dreyfaltigkeit zu ſehen gewuͤrdi- get wird! wann er/ ſag ich/ ſehet den Vatter in dem Sohn/ den Sohn in dem Vatter/ und im Sohn und Vatter den Heiligen Geiſt! Wann er ſe- het ohne Schatten und Figur/ ohne einige Dunckelheit gantz klaͤrlich/ wie nemblich der Sohn von dem Vatter von Ewigkeit her gebohren iſt: wel- cher Geſtalt der Heilige Geiſt vom Vatter und Sohn/ gleich als wie von einem Anfang herkomme: Was maſſen unter denen dreyen Perſohnen keine hoͤher oder niedriger/ und keine fuͤrtrefflicher ſeye als die andere: Wie der Vatter nicht ehender geweſen ſeye/ als der Sohn/ den er doch gebohren hat; ſondern daß alle drey Perſohnen ſich in allem gleich ſeyn; alle drey von Ewigkeit/ und einer gleichen undendlichen Fuͤrtreffligkeit und Wuͤrde. Allda wirſtu ſehen koͤnnen/ mein Chriſtliche Seel/ die Weiß und Manier/ krafft deren ſich die Goͤttliche Natur der Menſchlichen in der Perſohn Chriſti vereiniget hat/ und GOtt iſt Menſch worden/ daß alſo in War- heit kan geſagt werden (ſo viel wir von der Menſchheit Chriſti reden wollen) GOtt iſt ein Menſch/ und ein Menſch iſt GOtt. 7. Jn dieſem Anſchauen der Allerheiligſten Dreyfaltigkeit/ und in dem Geheimnuß deß Vermenſchten und Ewigen Worts beſtehet die fuͤr- nehmſte Seeligkeit. Es ſehen die Außerwaͤhlte nicht allein GOtt/ ſondern ſehen ſich annebens auch ſelbſten in GOtt/ und in Selbigem alle Dinge: dan gleich/ wie der jenige/ ſagt der H. Fulgentius/ welcher einen Spiegel vor ſich hat/ den Spiegel ſehet/ und ſich ſelbſten im Spiegel: alſo die Heilige/ ſo da den herrlichen Spiegel ohne Macul anſchauen/ ſehen GOtt/ und in GOtt ſich ſelbſten/ ſambt allem/ was auſſer GOtt iſt/ nach Maß deß Lichts/ daß ihnen von GOtt verliehen worden. Dann gleich wie auff dieſer Welt/ alles was da erſchaffen/ gleichſamb ein Spiegel iſt/ ob zwarn dun- N n n n 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/681>, abgerufen am 03.07.2024.