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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Sacramentalischen Beicht.
allen Tugenten geleuchtet hat/ soll diese verdambt seyn? Es ist also/ antwor-
tet die Seel/ dann ich hab in meinem Witwe-Stand mit einem Jüngling
gesündiget/ und dieses Laster auß Forcht der Verkleinerung/ und auß
Hoffart in der Beicht allzeit verschwiegen. Verkündige solches deinen
Schwestern/ und lasset ab für mich zu betten/ weilen alles für mich umbsonst
geschicht. Und also ist der Geist mit grossem Getümmel verschwunden.

11. Dieser erbärmlichen Action ist nicht ungleich die folgende: Jn einem
Dorff hat ein Bauer gewohnet/ welcher mit seinem Ehe-Weib frömblich
gelebt/ und einen Sohn erzogen hat/ den sie Pelagium genennet/ und in
der Forcht GOttes und allem Guten angeführet haben. Dieser Sohn
ist mit den Jahren auch gewathsen in den Tugenten/ und ist ihm die Schaaff-
Hütung anbefohlen/ wie auch annebens ermahnet worden/ daß er sich offt
zu dem nechst wohnenden Einsidler verfügen/ und dessen H. Meeß-Opffer
anhören solte. Diese und mehr andere Lehr-Stuck seynd selbigem gegeben wor-
den: welchen Pelagius allen so eifferig und willig nachkommen/ daß er von
jederman für heilig gehalten worden. Nach einigen Jahren seynd die El-
tern gestorben/ deren Hinterlassenschafft er verkaufft/ und damit er seinem
GOtt in der Einsamkeit dienen mögte/ hat er sich eine Capell sambt einem
Altar auffgerichtet/ und GOtt also treulich gedienet/ daß der Ruff seiner
Heiligkeit durch die gantze Welt erschallen. Der böse Feind hat sich alhier
bald hinzugemacht/ und durch allerhand unreine Gedancken und Anmutun-
gen den diener Gottes zu stürtzen getrachtet: deme Pelagius durch Hülff
deß Gebetts sich tapffer widersetzet: der unkeusche Geist aber hat nicht
nachgelassen; ist aber allemahl von dem frommen Einsidler überwunden
worden. Dieser Streit ist von dem leidigen Sathan so offt und vielmahl
erneueret worden/ daß Pelagius endlich allgemach zu weichen angefangen/
und durch continuirliches Kämpffen ermüdet/ denen leichtfertigen Gedan-
cken Platz gegeben/ und den so offt zuruck geschlagenen Feind das Sieg-
Cräntzlein zu lassen gezwungen worden. Da hieß es nun/ ach/ worzu
bin ich kommen! Pelagi/ was hastu gethan? hastu dich so bald verführen
lassen? du warest zuvor ein Kind GOttes/ jetzt bistu ein Schlave deß Teu-
fels. Wilstu du das Joch deß Satans abwerffen/ und wiederumb ein Sohn
GOttes werden/ so mustu beichten/ so mustu büssen. Beichten? Wie
werd ich meine gottlose und unkeusche Bewilligung offenbahren können?
Auff solche Weiß werd ich meinen guten Nahmen verlieren. Da dieses
und der gleichen der entrüstete Pelagius bey sich betrachtet/ sicht er einen
Frembdling vorbey gehen/ welcher ihn alsbald anredet/ und sagt: Pelagi

war-
T t t 2

Von der Sacramentaliſchen Beicht.
allen Tugenten geleuchtet hat/ ſoll dieſe verdambt ſeyn? Es iſt alſo/ antwor-
tet die Seel/ dann ich hab in meinem Witwe-Stand mit einem Juͤngling
geſuͤndiget/ und dieſes Laſter auß Forcht der Verkleinerung/ und auß
Hoffart in der Beicht allzeit verſchwiegen. Verkuͤndige ſolches deinen
Schweſtern/ und laſſet ab fuͤr mich zu betten/ weilen alles fuͤr mich umbſonſt
geſchicht. Und alſo iſt der Geiſt mit groſſem Getuͤmmel verſchwunden.

11. Dieſer erbaͤrmlichen Action iſt nicht ungleich die folgende: Jn einem
Dorff hat ein Bauer gewohnet/ welcher mit ſeinem Ehe-Weib froͤmblich
gelebt/ und einen Sohn erzogen hat/ den ſie Pelagium genennet/ und in
der Forcht GOttes und allem Guten angefuͤhret haben. Dieſer Sohn
iſt mit den Jahren auch gewathſen in den Tugenten/ und iſt ihm die Schaaff-
Huͤtung anbefohlen/ wie auch annebens ermahnet worden/ daß er ſich offt
zu dem nechſt wohnenden Einſidler verfuͤgen/ und deſſen H. Meeß-Opffer
anhoͤren ſolte. Dieſe und mehr andere Lehr-Stuck ſeynd ſelbigem gegebẽ wor-
den: welchen Pelagius allen ſo eifferig und willig nachkommen/ daß er von
jederman fuͤr heilig gehalten worden. Nach einigen Jahren ſeynd die El-
tern geſtorben/ deren Hinterlaſſenſchafft er verkaufft/ und damit er ſeinem
GOtt in der Einſamkeit dienen moͤgte/ hat er ſich eine Capell ſambt einem
Altar auffgerichtet/ und GOtt alſo treulich gedienet/ daß der Ruff ſeiner
Heiligkeit durch die gantze Welt erſchallen. Der boͤſe Feind hat ſich alhier
bald hinzugemacht/ und durch allerhand unreine Gedancken und Anmutun-
gen den diener Gottes zu ſtuͤrtzen getrachtet: deme Pelagius durch Huͤlff
deß Gebetts ſich tapffer widerſetzet: der unkeuſche Geiſt aber hat nicht
nachgelaſſen; iſt aber allemahl von dem frommen Einſidler uͤberwunden
worden. Dieſer Streit iſt von dem leidigen Sathan ſo offt und vielmahl
erneueret worden/ daß Pelagius endlich allgemach zu weichen angefangen/
und durch continuirliches Kaͤmpffen ermuͤdet/ denen leichtfertigen Gedan-
cken Platz gegeben/ und den ſo offt zuruck geſchlagenen Feind das Sieg-
Craͤntzlein zu laſſen gezwungen worden. Da hieß es nun/ ach/ worzu
bin ich kommen! Pelagi/ was haſtu gethan? haſtu dich ſo bald verfuͤhren
laſſen? du wareſt zuvor ein Kind GOttes/ jetzt biſtu ein Schlave deß Teu-
fels. Wilſtu du das Joch deß Satans abwerffen/ und wiederumb ein Sohn
GOttes werden/ ſo muſtu beichten/ ſo muſtu buͤſſen. Beichten? Wie
werd ich meine gottloſe und unkeuſche Bewilligung offenbahren koͤnnen?
Auff ſolche Weiß werd ich meinen guten Nahmen verlieren. Da dieſes
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Frembdling vorbey gehen/ welcher ihn alsbald anredet/ und ſagt: Pelagi

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[515/0543] Von der Sacramentaliſchen Beicht. allen Tugenten geleuchtet hat/ ſoll dieſe verdambt ſeyn? Es iſt alſo/ antwor- tet die Seel/ dann ich hab in meinem Witwe-Stand mit einem Juͤngling geſuͤndiget/ und dieſes Laſter auß Forcht der Verkleinerung/ und auß Hoffart in der Beicht allzeit verſchwiegen. Verkuͤndige ſolches deinen Schweſtern/ und laſſet ab fuͤr mich zu betten/ weilen alles fuͤr mich umbſonſt geſchicht. Und alſo iſt der Geiſt mit groſſem Getuͤmmel verſchwunden. 11. Dieſer erbaͤrmlichen Action iſt nicht ungleich die folgende: Jn einem Dorff hat ein Bauer gewohnet/ welcher mit ſeinem Ehe-Weib froͤmblich gelebt/ und einen Sohn erzogen hat/ den ſie Pelagium genennet/ und in der Forcht GOttes und allem Guten angefuͤhret haben. Dieſer Sohn iſt mit den Jahren auch gewathſen in den Tugenten/ und iſt ihm die Schaaff- Huͤtung anbefohlen/ wie auch annebens ermahnet worden/ daß er ſich offt zu dem nechſt wohnenden Einſidler verfuͤgen/ und deſſen H. Meeß-Opffer anhoͤren ſolte. Dieſe und mehr andere Lehr-Stuck ſeynd ſelbigem gegebẽ wor- den: welchen Pelagius allen ſo eifferig und willig nachkommen/ daß er von jederman fuͤr heilig gehalten worden. Nach einigen Jahren ſeynd die El- tern geſtorben/ deren Hinterlaſſenſchafft er verkaufft/ und damit er ſeinem GOtt in der Einſamkeit dienen moͤgte/ hat er ſich eine Capell ſambt einem Altar auffgerichtet/ und GOtt alſo treulich gedienet/ daß der Ruff ſeiner Heiligkeit durch die gantze Welt erſchallen. Der boͤſe Feind hat ſich alhier bald hinzugemacht/ und durch allerhand unreine Gedancken und Anmutun- gen den diener Gottes zu ſtuͤrtzen getrachtet: deme Pelagius durch Huͤlff deß Gebetts ſich tapffer widerſetzet: der unkeuſche Geiſt aber hat nicht nachgelaſſen; iſt aber allemahl von dem frommen Einſidler uͤberwunden worden. Dieſer Streit iſt von dem leidigen Sathan ſo offt und vielmahl erneueret worden/ daß Pelagius endlich allgemach zu weichen angefangen/ und durch continuirliches Kaͤmpffen ermuͤdet/ denen leichtfertigen Gedan- cken Platz gegeben/ und den ſo offt zuruck geſchlagenen Feind das Sieg- Craͤntzlein zu laſſen gezwungen worden. Da hieß es nun/ ach/ worzu bin ich kommen! Pelagi/ was haſtu gethan? haſtu dich ſo bald verfuͤhren laſſen? du wareſt zuvor ein Kind GOttes/ jetzt biſtu ein Schlave deß Teu- fels. Wilſtu du das Joch deß Satans abwerffen/ und wiederumb ein Sohn GOttes werden/ ſo muſtu beichten/ ſo muſtu buͤſſen. Beichten? Wie werd ich meine gottloſe und unkeuſche Bewilligung offenbahren koͤnnen? Auff ſolche Weiß werd ich meinen guten Nahmen verlieren. Da dieſes und der gleichen der entruͤſtete Pelagius bey ſich betrachtet/ ſicht er einen Frembdling vorbey gehen/ welcher ihn alsbald anredet/ und ſagt: Pelagi war- T t t 2

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/543>, abgerufen am 23.05.2024.