Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Viertzigste Geistliche Lection Stand mit dem Closter-Leben verwechßlet/ und ist mit grossem Frolockender Geistlichen Jungfrawen zur Clausür auff- und angenommen worden. Jn diesem Stand hat sie alle ihre Mit-Schwesteren an Tugenten nicht allein weit übertroffen/ sondern alle Stund in Ausehung der herrlichen Werck gleichsamb erstaunet. Jm Ehor war sie allzeit die erste/ in dem Gehorsamb die hürtigste/ in den Buß-Wercken die eifferigste: und nichts destoweniger hat sie sich selbst nicht überwinden können/ daß sie die Sünd ihrem Beichts- Vatter offenbarete. Nach verflossenen einigen Jahren wird sie auff daß Absterben der Vorsteherin durch einhellige Stimmen der sämblichen Schwesteren in dero Platz erwehlet. Auch in dieser Würde hat sie ihre Missethat zu bekennen sich geschewet/ auff daß ihr guter Nahm und Rueff der Heiligkeiten bey den Beichts-Vätter keinen Schaden leyden mögte. Der barmhertzige Gott hat sie inzwischen durch eine Kranckheit/ an der sie nachmals gestorben/ ihrer Schüldigkeit gnugsam errinnert. Da nun alle Artzen ihr verlohren gegeben/ hat sie sich mit den H. H. Sactamen- ten der Kirchen versehen lassen. Wie aber die vorhergegangene Beichten alle besehaffen gewesen/ also ist auch die letztere durch die gerechte Verhäng- nuß Gottes ebenfals ungültig und Gottslästerisch geschehen/ in dem das un- glückselige Weibs-Bild ihre verübte Missethat auß verborgener. Hoffart verschwiegen hat. Nach dem sie nun gedachter massen die H. H. Saeramenten unwürdiglich empfangen/ ist sie von einer ihrer Schwesteren ersucht worden/ daß sie ihr nach dem Todt erscheinen/ und/ wanns Gott zulassen würde/ ihren Zustand im andren Leben bedeuten wolle; welches sie auch zu thun verspro- chen/ und ist bald darnach mit grossem Trawren und Weinen der Geistlichen Jungfrawen/ welche über den Verlust ihrer heiligen Mutter sich beklagten/ und/ wie der H. Antonius meldet/ sich einbildeten/ der tröstlichen Zuver- sicht zu leben/ daß sie von derselben nach ihrem Todt mit Wunderwerck wür- den erfrewet werden. Aber/ aber wie fehlet der arme Mensch in seinen Urtheilen! Wie weit seynd die Urtheilen Gottes von unseren Urtheilen entfer- net! Sintemahlen die obgemeldte Schwester/ da sie in folgender Nacht im Chor gebettet/ einen gewaltigen Knall gehöret hat/ und da sie umbgeschauet/ hat sie ein erbärmlich heulendes Gespänst gesehen/ und ob sie zwarn gantz er- staunet/ hat dannoch durch die Hülff GOttes einen Muth gefasset/ und ge- fragt/ wer sich anmelde? Jch bin hier/ antwortet der Geist/ die Seel der jüngst verstorbenen Vorsteherin dieses Closters/ und verkündige dir/ daß ich ewiglich verdambt seye. Unsere heilige Mutter! schreyet die Schwester/ unsere gottseelige Vorsteherin/ die ein so strenges leben geführt/ und mit allen
Die Viertzigſte Geiſtliche Lection Stand mit dem Cloſter-Leben verwechßlet/ und iſt mit groſſem Frolockender Geiſtlichen Jungfrawen zur Clauſuͤr auff- und angenommen worden. Jn dieſem Stand hat ſie alle ihre Mit-Schweſteren an Tugenten nicht allein weit uͤbertroffen/ ſondern alle Stund in Auſehung der herrlichen Werck gleichſamb erſtaunet. Jm Ehor war ſie allzeit die erſte/ in dem Gehorſamb die huͤrtigſte/ in den Buß-Wercken die eifferigſte: und nichts deſtoweniger hat ſie ſich ſelbſt nicht uͤberwinden koͤnnen/ daß ſie die Suͤnd ihrem Beichts- Vatter offenbarete. Nach verfloſſenen einigen Jahren wird ſie auff daß Abſterben der Vorſteherin durch einhellige Stimmen der ſaͤmblichen Schweſteren in dero Platz erwehlet. Auch in dieſer Wuͤrde hat ſie ihre Miſſethat zu bekennen ſich geſchewet/ auff daß ihr guter Nahm und Rueff der Heiligkeiten bey den Beichts-Vaͤtter keinen Schaden leyden moͤgte. Der barmhertzige Gott hat ſie inzwiſchen durch eine Kranckheit/ an der ſie nachmals geſtorben/ ihrer Schuͤldigkeit gnugſam errinnert. Da nun alle Artzen ihr verlohren gegeben/ hat ſie ſich mit den H. H. Sactamen- ten der Kirchen verſehen laſſen. Wie aber die vorhergegangene Beichten alle beſehaffen geweſen/ alſo iſt auch die letztere durch die gerechte Verhaͤng- nuß Gottes ebenfals unguͤltig und Gottslaͤſteriſch geſchehen/ in dem das un- gluͤckſelige Weibs-Bild ihre veruͤbte Miſſethat auß verborgener. Hoffart verſchwiegen hat. Nach dem ſie nun gedachter maſſen die H. H. Saeramenten unwuͤrdiglich empfangen/ iſt ſie von einer ihrer Schweſteren erſucht worden/ daß ſie ihr nach dem Todt erſcheinen/ und/ wanns Gott zulaſſen wuͤrde/ ihren Zuſtand im andren Leben bedeuten wolle; welches ſie auch zu thun verſpro- chen/ und iſt bald darnach mit groſſem Trawren und Weinen der Geiſtlichen Jungfrawen/ welche uͤber den Verluſt ihrer heiligen Mutter ſich beklagten/ und/ wie der H. Antonius meldet/ ſich einbildeten/ der troͤſtlichen Zuver- ſicht zu leben/ daß ſie von derſelben nach ihrem Todt mit Wunderwerck wuͤr- den erfrewet werden. Aber/ aber wie fehlet der arme Menſch in ſeinen Urtheilen! Wie weit ſeynd die Urtheilen Gottes von unſeren Urtheilen entfer- net! Sintemahlen die obgemeldte Schweſter/ da ſie in folgender Nacht im Chor gebettet/ einen gewaltigen Knall gehoͤret hat/ und da ſie umbgeſchauet/ hat ſie ein erbaͤrmlich heulendes Geſpaͤnſt geſehen/ und ob ſie zwarn gantz er- ſtaunet/ hat dannoch durch die Huͤlff GOttes einen Muth gefaſſet/ und ge- fragt/ wer ſich anmelde? Jch bin hier/ antwortet der Geiſt/ die Seel der juͤngſt verſtorbenen Vorſteherin dieſes Cloſters/ und verkuͤndige dir/ daß ich ewiglich verdambt ſeye. Unſere heilige Mutter! ſchreyet die Schweſter/ unſere gottſeelige Vorſteherin/ die ein ſo ſtrenges leben gefuͤhrt/ und mit allen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0542" n="514"/><fw place="top" type="header">Die Viertzigſte Geiſtliche <hi rendition="#aq">Lection</hi></fw><lb/> Stand mit dem Cloſter-Leben verwechßlet/ und iſt mit groſſem Frolocken<lb/> der Geiſtlichen Jungfrawen zur Clauſuͤr auff- und angenommen worden.<lb/> Jn dieſem Stand hat ſie alle ihre Mit-Schweſteren an Tugenten nicht<lb/> allein weit uͤbertroffen/ ſondern alle Stund in Auſehung der herrlichen Werck<lb/> gleichſamb erſtaunet. Jm Ehor war ſie allzeit die erſte/ in dem Gehorſamb<lb/> die huͤrtigſte/ in den Buß-Wercken die eifferigſte: und nichts deſtoweniger<lb/> hat ſie ſich ſelbſt nicht uͤberwinden koͤnnen/ daß ſie die Suͤnd ihrem Beichts-<lb/> Vatter offenbarete. Nach verfloſſenen einigen Jahren wird ſie auff daß<lb/> Abſterben der Vorſteherin durch einhellige Stimmen der ſaͤmblichen<lb/> Schweſteren in dero Platz erwehlet. Auch in dieſer Wuͤrde hat ſie ihre<lb/> Miſſethat zu bekennen ſich geſchewet/ auff daß ihr guter Nahm und<lb/> Rueff der Heiligkeiten bey den Beichts-Vaͤtter keinen Schaden leyden<lb/> moͤgte. Der barmhertzige Gott hat ſie inzwiſchen durch eine Kranckheit/<lb/> an der ſie nachmals geſtorben/ ihrer Schuͤldigkeit gnugſam errinnert. Da<lb/> nun alle Artzen ihr verlohren gegeben/ hat ſie ſich mit den H. H. <hi rendition="#fr">S</hi>actamen-<lb/> ten der Kirchen verſehen laſſen. Wie aber die vorhergegangene Beichten<lb/> alle beſehaffen geweſen/ alſo iſt auch die letztere durch die gerechte Verhaͤng-<lb/> nuß Gottes ebenfals unguͤltig und Gottslaͤſteriſch geſchehen/ in dem das un-<lb/> gluͤckſelige Weibs-Bild ihre veruͤbte Miſſethat auß verborgener. <hi rendition="#fr">H</hi>offart<lb/> verſchwiegen hat. Nach dem ſie nun gedachter maſſen die H. H. Saeramenten<lb/> unwuͤrdiglich empfangen/ iſt ſie von einer ihrer Schweſteren erſucht worden/<lb/> daß ſie ihr nach dem Todt erſcheinen/ und/ wanns Gott zulaſſen wuͤrde/ ihren<lb/> Zuſtand im andren Leben bedeuten wolle; welches ſie auch zu thun verſpro-<lb/> chen/ und iſt bald darnach mit groſſem Trawren und Weinen der Geiſtlichen<lb/> Jungfrawen/ welche uͤber den Verluſt ihrer heiligen Mutter ſich beklagten/<lb/> und/ wie der <hi rendition="#fr">H.</hi> Antonius meldet/ ſich einbildeten/ der troͤſtlichen Zuver-<lb/> ſicht zu leben/ daß ſie von derſelben nach ihrem Todt mit Wunderwerck wuͤr-<lb/> den erfrewet werden. Aber/ aber wie fehlet der arme Menſch in ſeinen<lb/> Urtheilen! Wie weit ſeynd die Urtheilen Gottes von unſeren Urtheilen entfer-<lb/> net! Sintemahlen die obgemeldte Schweſter/ da ſie in folgender Nacht im<lb/> Chor gebettet/ einen gewaltigen Knall gehoͤret hat/ und da ſie umbgeſchauet/<lb/> hat ſie ein erbaͤrmlich heulendes Geſpaͤnſt geſehen/ und ob ſie zwarn gantz er-<lb/> ſtaunet/ hat dannoch durch die Huͤlff GOttes einen Muth gefaſſet/ und ge-<lb/> fragt/ wer ſich anmelde? Jch bin hier/ antwortet der Geiſt/ die Seel der<lb/> juͤngſt verſtorbenen Vorſteherin dieſes Cloſters/ und verkuͤndige dir/ daß ich<lb/> ewiglich verdambt ſeye. Unſere heilige Mutter! ſchreyet die Schweſter/<lb/> unſere gottſeelige Vorſteherin/ die ein ſo ſtrenges leben gefuͤhrt/ und mit<lb/> <fw place="bottom" type="catch">allen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [514/0542]
Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
Stand mit dem Cloſter-Leben verwechßlet/ und iſt mit groſſem Frolocken
der Geiſtlichen Jungfrawen zur Clauſuͤr auff- und angenommen worden.
Jn dieſem Stand hat ſie alle ihre Mit-Schweſteren an Tugenten nicht
allein weit uͤbertroffen/ ſondern alle Stund in Auſehung der herrlichen Werck
gleichſamb erſtaunet. Jm Ehor war ſie allzeit die erſte/ in dem Gehorſamb
die huͤrtigſte/ in den Buß-Wercken die eifferigſte: und nichts deſtoweniger
hat ſie ſich ſelbſt nicht uͤberwinden koͤnnen/ daß ſie die Suͤnd ihrem Beichts-
Vatter offenbarete. Nach verfloſſenen einigen Jahren wird ſie auff daß
Abſterben der Vorſteherin durch einhellige Stimmen der ſaͤmblichen
Schweſteren in dero Platz erwehlet. Auch in dieſer Wuͤrde hat ſie ihre
Miſſethat zu bekennen ſich geſchewet/ auff daß ihr guter Nahm und
Rueff der Heiligkeiten bey den Beichts-Vaͤtter keinen Schaden leyden
moͤgte. Der barmhertzige Gott hat ſie inzwiſchen durch eine Kranckheit/
an der ſie nachmals geſtorben/ ihrer Schuͤldigkeit gnugſam errinnert. Da
nun alle Artzen ihr verlohren gegeben/ hat ſie ſich mit den H. H. Sactamen-
ten der Kirchen verſehen laſſen. Wie aber die vorhergegangene Beichten
alle beſehaffen geweſen/ alſo iſt auch die letztere durch die gerechte Verhaͤng-
nuß Gottes ebenfals unguͤltig und Gottslaͤſteriſch geſchehen/ in dem das un-
gluͤckſelige Weibs-Bild ihre veruͤbte Miſſethat auß verborgener. Hoffart
verſchwiegen hat. Nach dem ſie nun gedachter maſſen die H. H. Saeramenten
unwuͤrdiglich empfangen/ iſt ſie von einer ihrer Schweſteren erſucht worden/
daß ſie ihr nach dem Todt erſcheinen/ und/ wanns Gott zulaſſen wuͤrde/ ihren
Zuſtand im andren Leben bedeuten wolle; welches ſie auch zu thun verſpro-
chen/ und iſt bald darnach mit groſſem Trawren und Weinen der Geiſtlichen
Jungfrawen/ welche uͤber den Verluſt ihrer heiligen Mutter ſich beklagten/
und/ wie der H. Antonius meldet/ ſich einbildeten/ der troͤſtlichen Zuver-
ſicht zu leben/ daß ſie von derſelben nach ihrem Todt mit Wunderwerck wuͤr-
den erfrewet werden. Aber/ aber wie fehlet der arme Menſch in ſeinen
Urtheilen! Wie weit ſeynd die Urtheilen Gottes von unſeren Urtheilen entfer-
net! Sintemahlen die obgemeldte Schweſter/ da ſie in folgender Nacht im
Chor gebettet/ einen gewaltigen Knall gehoͤret hat/ und da ſie umbgeſchauet/
hat ſie ein erbaͤrmlich heulendes Geſpaͤnſt geſehen/ und ob ſie zwarn gantz er-
ſtaunet/ hat dannoch durch die Huͤlff GOttes einen Muth gefaſſet/ und ge-
fragt/ wer ſich anmelde? Jch bin hier/ antwortet der Geiſt/ die Seel der
juͤngſt verſtorbenen Vorſteherin dieſes Cloſters/ und verkuͤndige dir/ daß ich
ewiglich verdambt ſeye. Unſere heilige Mutter! ſchreyet die Schweſter/
unſere gottſeelige Vorſteherin/ die ein ſo ſtrenges leben gefuͤhrt/ und mit
allen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |