Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Von der Sacramentalischen Beicht. der Sünden abschneide: es ist eine Vermessenheit/ und keine Bußfertig-keit/ daß man auff einem schlepfferigen Weeg wolle sicher stehen/ da so viele andere gefallen seynd. Hinge gen sollen die Beicht- Vätter auch zusehen/ daß sie den Beichtenden keine unerträgliche Bürden auffbinden: dann was nutzet der Artzt/ so die Wunden nicht heilet/ sondern verärgert/ und dem/ der seine Wunden offenbahret/ noch mehrere hinzusetzet? Wer dann mit den Büssenden vätterlich wilt umbgehen/ der suche an selbigem zu erwe- cken die Zerknirschung/ und nicht die Verbitterung: dann obschon einige mit dem Hammer wollen zerknirschet werden; so seynd doch andere/ so durch scharffe ermahnungen gäntzlich zerspringen: derhalben muß man zu denen sich mehr deß sanfften Oels/ dann deß scharffen Weins gebrauchen. 10. Dieses soll von den Beichts-Vätteren gnug gesagt seyn; von dem Stand T t t
Von der Sacramentaliſchen Beicht. der Suͤnden abſchneide: es iſt eine Vermeſſenheit/ und keine Bußfertig-keit/ daß man auff einem ſchlepfferigen Weeg wolle ſicher ſtehen/ da ſo viele andere gefallen ſeynd. Hinge gen ſollen die Beicht- Vaͤtter auch zuſehen/ daß ſie den Beichtenden keine unertraͤgliche Buͤrden auffbinden: dann was nutzet der Artzt/ ſo die Wunden nicht heilet/ ſondern veraͤrgert/ und dem/ der ſeine Wunden offenbahret/ noch mehrere hinzuſetzet? Wer dann mit den Buͤſſenden vaͤtterlich wilt umbgehen/ der ſuche an ſelbigem zu erwe- cken die Zerknirſchung/ und nicht die Verbitterung: dann obſchon einige mit dem Hammer wollen zerknirſchet werden; ſo ſeynd doch andere/ ſo durch ſcharffe ermahnungen gaͤntzlich zerſpringen: derhalben muß man zu denen ſich mehr deß ſanfften Oels/ dann deß ſcharffen Weins gebrauchen. 10. Dieſes ſoll von den Beichts-Vaͤtteren gnug geſagt ſeyn; von dem Stand T t t
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Von der Sacramentaliſchen Beicht.
der Suͤnden abſchneide: es iſt eine Vermeſſenheit/ und keine Bußfertig-
keit/ daß man auff einem ſchlepfferigen Weeg wolle ſicher ſtehen/ da ſo viele
andere gefallen ſeynd. Hinge gen ſollen die Beicht- Vaͤtter auch zuſehen/
daß ſie den Beichtenden keine unertraͤgliche Buͤrden auffbinden: dann was
nutzet der Artzt/ ſo die Wunden nicht heilet/ ſondern veraͤrgert/ und dem/
der ſeine Wunden offenbahret/ noch mehrere hinzuſetzet? Wer dann mit
den Buͤſſenden vaͤtterlich wilt umbgehen/ der ſuche an ſelbigem zu erwe-
cken die Zerknirſchung/ und nicht die Verbitterung: dann obſchon einige
mit dem Hammer wollen zerknirſchet werden; ſo ſeynd doch andere/ ſo durch
ſcharffe ermahnungen gaͤntzlich zerſpringen: derhalben muß man zu denen
ſich mehr deß ſanfften Oels/ dann deß ſcharffen Weins gebrauchen.
10. Dieſes ſoll von den Beichts-Vaͤtteren gnug geſagt ſeyn; von dem
wir zu unſer vorigen Materi widerkehren/ und uns errinneren/ daß die ver-
dambliche Schamhafftigkeit und hoͤchſt-ſchaͤdliches Stillſchweigen nicht
allein bey den Weltlichen/ ſonderen auch bey denen gefunden werde/ die ſich
durch oͤffentliche Geluͤbtẽ Gott verbunden habẽ/ wie auß nachfolgender Hiſto-
ri zu ſehen iſt. Den H. Antonium laſt herkommen/ ſo erzehlet daß ein Witwe
geweſen ſeye/ welche von dem Band der Ehe entloͤſet/ und mit vielen Reich-
thumben begabet/ im Anfang ihres Widwe-Standts ſich loͤblich verhalten/
habe gleichwol allgemach von dieſem guten Anfang nachgelaſſen. Hier-
uͤber hat ſich zugetragen/ daß ein adlicher Juͤngling das Hauß derſelben vor-
beygangen/ und ſie gantz freundlig begruͤſſet; und ob ſie ſchon darab ein
Wißfallen anfaͤnglich gezeigt; ſo iſt doch derſelben Hertz durch dergleichen
oͤfftere Begruͤſſungen und Verheiſſungen vor und nach alſo erweichet
worden; daß ſie den unverſchaͤmbten Juͤngling ins Hauß gelaſſen/
und nachgehends mit ſelbigem geſuͤndiget hat. Nach begangener
Suͤnd iſt die Luſt zum Faſten/ Allmuſſen zu geben/ zu Beich-
ten und zu communiciren verſchwunden: dann die Geylheit iſt eine Zer-
ſtoͤrerin der Tugenten/ und die/ wie der fromme Job ſagt: Alles mit
der Wurtzel außreutet. Der liſtige Sathan hat ihr in zwiſchen die
Zucht/ ſo er derſelben vorhin zu ihrem Schaden benommen; nun zu dero
Verderben widergegeben; daß ſie alſo auß Schamhafftigkeit das begangene
Laſter in allen ihren Beichten verſchwiegen. Auff daß ſie aber den immer
nagenden Wurm deß Gewiſſen vertreiben moͤgte/ hat ſie bey ſich entſchloſ-
ſen/ die heimliche Miſſethat durch viele Buß-Werck zu vertilgen: dahero
hat ſie widerumb zu faſten/ und ſich in allerhand ſtrengem Leben zu uͤben an-
gefangen; und damit ſie ihrem Gottrecht wohl dienen moͤgte/ hat ſie ihren
Stand
Hiſtoria.
31. 12.
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