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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Viertzigste Geistliche Lection
Kranckheit gefallen/ in welcher der gütige GOtt mir ins Hertz geredet/ und
mich ermahnet/ daß diese mein letzte Kranckheit seyn würde/ ich solte eine
rechtmässige Beicht thuen; dann er wäre bereit/ mir meine Sünden barm-
hertziglich nachzulassen: ja so gar hab ich diese Wort vom Himmel gehöret:
Beichte/ es ist zwarn spät/ aber noch Zeit: derhalben hab ich den Beichs-
Vatter ruffen lassen/ und also zu beichten angefangen: Ach! was ein grosse
Sünderin bin ich: darauff mir der Beichts- Vatter alsbald geantwortet/
dieß seynd nur teufflische Versuchungen/ und hat mich weiters ermahnet/ ich
solte selbige nicht achten. Ein wenig hernach bin ich gestorben/ und in dem
Augenblick/ da meine Seel vom Leib geschieden ist/ bin ich auß gerechtem
Urtheil GOttes den höllischen Gespenstern zu theil worden/ die mich in den
Abgrund der allererschröcklichsten Tormenten gestürtzet haben; alwo ich nun
leyde ohne End. Nach dieser gegebenen Advis ist die unglückseelige Seel
mit einem so grausamen Knall verschwunden/ daß man vermeinet/ die
gantze Welt würde zerschlagen werden: das Zimmer ist annebens mit einem
unerträglichen Gestanck erfüllet worden/ welcher zum Zeugnuß dieser ver-
fluchten Seele viele Tage gedauret hat.

8. Solstu nun wohl/ mein Christliche Seel/ dieses lesen oder hören/ und
am gantzen Leib nicht erzitteren/ erbleichen und erschröcken; in dem du sehest/
wie alle vorgemelte gute Werck dieses Weibs-Bilds seynd zu nichts worden?
Ach hätte diese Gott-verlobte Person ihre Sünd gleich zu Anfangs gebeich-
tet/ und hernach also gelebt/ wie sie vorhin wohl angefangen hatte! so hätte sie
sicherlich in die Zahl der fürnembsten Dienerinnen Gottes müssen gesetzet
worden. Nun aber/ weilen sie auß Schamhafftigkeit ihre Sünd verho-
len/ hat sie nicht allein alles verloren; sonderen Gott hat noch zur ewigen de-
ro Beschähmung die verborgene Missethat offenbahret/ damit andere durch
deren Exempel gewarnet/ und behutsamber werden mögten. Recht sagt da-
hero der H. Vatter Augustinus: Jch hab meine Sünden nicht
Sup. Ps.bedecket/ sonderen entdecket/ auff daß du selbige bedeckest;
derhalben hab ich sie nicht verborgen/ damit du sie verber-
gest: dann so der Mensch entdecket/ so verdecket Gott; wan
der Mensch verbirgt/ so offenbahret Gott: Wann der
Mensch seine Sünd erkennet/ so verzeyhet Gott.
Wir
werden auch auß erwehnter Tragoedi unterrichtet/ wie viel daran gelegen
seye/ daß man einen verständlgen und erfahrnen Beichts-Vatter habe; in
dessen Ermanglung diese Seel so erbärmlich zu Grund gangen. Närrisch
und abermal närrisch thun derhalben die jenige/ welche sich nur ungelehrte

und

Die Viertzigſte Geiſtliche Lection
Kranckheit gefallen/ in welcher der guͤtige GOtt mir ins Hertz geredet/ und
mich ermahnet/ daß dieſe mein letzte Kranckheit ſeyn wuͤrde/ ich ſolte eine
rechtmaͤſſige Beicht thuen; dann er waͤre bereit/ mir meine Suͤnden barm-
hertziglich nachzulaſſen: ja ſo gar hab ich dieſe Wort vom Himmel gehoͤret:
Beichte/ es iſt zwarn ſpaͤt/ aber noch Zeit: derhalben hab ich den Beichs-
Vatter ruffen laſſen/ und alſo zu beichten angefangen: Ach! was ein groſſe
Suͤnderin bin ich: darauff mir der Beichts- Vatter alsbald geantwortet/
dieß ſeynd nur teuffliſche Verſuchungen/ und hat mich weiters ermahnet/ ich
ſolte ſelbige nicht achten. Ein wenig hernach bin ich geſtorben/ und in dem
Augenblick/ da meine Seel vom Leib geſchieden iſt/ bin ich auß gerechtem
Urtheil GOttes den hoͤlliſchen Geſpenſtern zu theil worden/ die mich in den
Abgrund der allererſchroͤcklichſten Tormenten geſtuͤrtzet haben; alwo ich nun
leyde ohne End. Nach dieſer gegebenen Advis iſt die ungluͤckſeelige Seel
mit einem ſo grauſamen Knall verſchwunden/ daß man vermeinet/ die
gantze Welt wuͤrde zerſchlagen werden: das Zimmer iſt annebens mit einem
unertraͤglichen Geſtanck erfuͤllet worden/ welcher zum Zeugnuß dieſer ver-
fluchten Seele viele Tage gedauret hat.

8. Solſtu nun wohl/ mein Chriſtliche Seel/ dieſes leſen oder hoͤren/ und
am gantzen Leib nicht erzitteren/ erbleichen und erſchroͤcken; in dem du ſeheſt/
wie alle vorgemelte gute Werck dieſes Weibs-Bilds ſeynd zu nichts worden?
Ach haͤtte dieſe Gott-verlobte Perſon ihre Suͤnd gleich zu Anfangs gebeich-
tet/ und hernach alſo gelebt/ wie ſie vorhin wohl angefangen hatte! ſo haͤtte ſie
ſicherlich in die Zahl der fuͤrnembſten Dienerinnen Gottes muͤſſen geſetzet
worden. Nun aber/ weilen ſie auß Schamhafftigkeit ihre Suͤnd verho-
len/ hat ſie nicht allein alles verloren; ſonderen Gott hat noch zur ewigen de-
ro Beſchaͤhmung die verborgene Miſſethat offenbahret/ damit andere durch
deren Exempel gewarnet/ und behutſamber werden moͤgten. Recht ſagt da-
hero der H. Vatter Auguſtinus: Jch hab meine Sünden nicht
Sup. Pſ.bedecket/ ſonderen entdecket/ auff daß du ſelbige bedeckeſt;
derhalben hab ich ſie nicht verborgen/ damit du ſie verber-
geſt: dann ſo der Menſch entdecket/ ſo verdecket Gott; wan
der Menſch verbirgt/ ſo offenbahret Gott: Wann der
Menſch ſeine Sünd erkennet/ ſo verzeyhet Gott.
Wir
werden auch auß erwehnter Tragœdi unterrichtet/ wie viel daran gelegen
ſeye/ daß man einen verſtaͤndlgen und erfahrnen Beichts-Vatter habe; in
deſſen Ermanglung dieſe Seel ſo erbaͤrmlich zu Grund gangen. Naͤrriſch
und abermal naͤrriſch thun derhalben die jenige/ welche ſich nur ungelehrte

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[510/0538] Die Viertzigſte Geiſtliche Lection Kranckheit gefallen/ in welcher der guͤtige GOtt mir ins Hertz geredet/ und mich ermahnet/ daß dieſe mein letzte Kranckheit ſeyn wuͤrde/ ich ſolte eine rechtmaͤſſige Beicht thuen; dann er waͤre bereit/ mir meine Suͤnden barm- hertziglich nachzulaſſen: ja ſo gar hab ich dieſe Wort vom Himmel gehoͤret: Beichte/ es iſt zwarn ſpaͤt/ aber noch Zeit: derhalben hab ich den Beichs- Vatter ruffen laſſen/ und alſo zu beichten angefangen: Ach! was ein groſſe Suͤnderin bin ich: darauff mir der Beichts- Vatter alsbald geantwortet/ dieß ſeynd nur teuffliſche Verſuchungen/ und hat mich weiters ermahnet/ ich ſolte ſelbige nicht achten. Ein wenig hernach bin ich geſtorben/ und in dem Augenblick/ da meine Seel vom Leib geſchieden iſt/ bin ich auß gerechtem Urtheil GOttes den hoͤlliſchen Geſpenſtern zu theil worden/ die mich in den Abgrund der allererſchroͤcklichſten Tormenten geſtuͤrtzet haben; alwo ich nun leyde ohne End. Nach dieſer gegebenen Advis iſt die ungluͤckſeelige Seel mit einem ſo grauſamen Knall verſchwunden/ daß man vermeinet/ die gantze Welt wuͤrde zerſchlagen werden: das Zimmer iſt annebens mit einem unertraͤglichen Geſtanck erfuͤllet worden/ welcher zum Zeugnuß dieſer ver- fluchten Seele viele Tage gedauret hat. 8. Solſtu nun wohl/ mein Chriſtliche Seel/ dieſes leſen oder hoͤren/ und am gantzen Leib nicht erzitteren/ erbleichen und erſchroͤcken; in dem du ſeheſt/ wie alle vorgemelte gute Werck dieſes Weibs-Bilds ſeynd zu nichts worden? Ach haͤtte dieſe Gott-verlobte Perſon ihre Suͤnd gleich zu Anfangs gebeich- tet/ und hernach alſo gelebt/ wie ſie vorhin wohl angefangen hatte! ſo haͤtte ſie ſicherlich in die Zahl der fuͤrnembſten Dienerinnen Gottes muͤſſen geſetzet worden. Nun aber/ weilen ſie auß Schamhafftigkeit ihre Suͤnd verho- len/ hat ſie nicht allein alles verloren; ſonderen Gott hat noch zur ewigen de- ro Beſchaͤhmung die verborgene Miſſethat offenbahret/ damit andere durch deren Exempel gewarnet/ und behutſamber werden moͤgten. Recht ſagt da- hero der H. Vatter Auguſtinus: Jch hab meine Sünden nicht bedecket/ ſonderen entdecket/ auff daß du ſelbige bedeckeſt; derhalben hab ich ſie nicht verborgen/ damit du ſie verber- geſt: dann ſo der Menſch entdecket/ ſo verdecket Gott; wan der Menſch verbirgt/ ſo offenbahret Gott: Wann der Menſch ſeine Sünd erkennet/ ſo verzeyhet Gott. Wir werden auch auß erwehnter Tragœdi unterrichtet/ wie viel daran gelegen ſeye/ daß man einen verſtaͤndlgen und erfahrnen Beichts-Vatter habe; in deſſen Ermanglung dieſe Seel ſo erbaͤrmlich zu Grund gangen. Naͤrriſch und abermal naͤrriſch thun derhalben die jenige/ welche ſich nur ungelehrte und Sup. Pſ.

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 510. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/538>, abgerufen am 23.11.2024.