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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Die Sieben und Dreyssigste Geistliche Lection

5. Wiewohl nun diese Verheissungen der ewigen Warheit sicher und ge-
wiß seynd; so werden nichts desto weniger viele gefunden/ so hierüber einen
Zweiffel schöpffen/ dieweilen sie öffters angeklopfft haben/ und doch nicht
seynd erhöret worden: sie haben inständiglich gebetten/ eifferig begehret/ und
fleissig gesuchet/ und haben doch nichts gefunden/ und nichts bekommen. Da-
hero geschichts/ daß das gefaste Vertrauen zu GOtt/ in derselben Hertzen
allgemach nachgelasset/ und der Eiffer zu betten erkältet. Solche aber
Tom. 8.
in Ps.
140.
sollen hören/ was der H. Vatter Augustinus sagt: Wann GOtt nicht
gibt/ was der Mensch von ihm begehret/ so thut er daß
derhalben/ damit ihm nicht hinderlich seye was er gibt.

Dieses scheinet zwar ein seltzamber Spruch/ und verdunckelte Red zu seyn;
ist aber nach der Richt-Schnur der unbetrieglichen Warheit gemessen.
Offtmahl trägt sichs zu/ daß/ wie weniger wir von GOtt erhöret werden/
desto mehr erhöret werden: welches durch folgende Geschicht erkläret wird.

6. Ein Bürger und Kauff-Mann der Stadt Alexandria/ Nahmens
Philochristus/ pflegte seine Schiff biß in Africam hinein zu schicken/ umb
die/ der Orts erfindliche Waaren zu erkauffen/ und in Europam zubringen.
Da selbiger nun einsmahls seinen eigenen Sohn und leiblichen Bruder zu
obgedachtem End abgefertiget hatte; gehet er zu dem H. Joannes Eleemo-
synarius,
oder/ Außspender der Allmussen/ gibt demselben sieben und ein halb
Pfundt Golds/ unter die Arme außzutheilen/ und begehret demütiglich der
heilige Mann wolle seinen Sohn und Bruder sambt allen anderen mit-schif-
fenden durch seyn Gebett dem lieben GOtt befehlen. Der GOttseelige
Joannes ermanglet seines Orts mit nichten sondern/ bettet fleissig; wird
aber nicht erhöret. Der Sohn stirbt am Fieber/ das Schiff gehet mit allen
Waaren zu Grund/ und werden nur die Menschen salviret. Der
Kauffman wird entrüstet/ betauret vor allen seinen eigenen Sohn/
und gedünckt ihm/ daß er das spendirte Gold gleichsamb umb-
sonst habe angewendet: gebraucht sich aber der Fürsichtigkeit/ daß er sich
weder über GOtt/ weder über den H. Joannem beklage. Dieser H.
Mann unterstehet sich den bterübten Kauffman zu trösten/ aber umbsonst.
Jn Ermanglung der menschlichen Hülff/ thut sich herfür der Göttliche
Trost; indem die folgende Nacht der hertzlich betrübte Kauff-Mann sihet/
daß ihm der H. Joannes zunahet/ und ihn mit diesen Worten anredet: Was
bekümmerestu du dich/ mein Bruder/ und warumb bistu so hertzlich betrübet?
Hastu nicht von mir begehrt/ daß ich GOtt bitten solte/ damit dein Sohn
beym Leben mögte erhalten werden Nun ist dein Sohn auß aller Gefahr

errettet/
Die Sieben und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection

5. Wiewohl nun dieſe Verheiſſungen der ewigen Warheit ſicher und ge-
wiß ſeynd; ſo werden nichts deſto weniger viele gefunden/ ſo hieruͤber einen
Zweiffel ſchoͤpffen/ dieweilen ſie oͤffters angeklopfft haben/ und doch nicht
ſeynd erhoͤret worden: ſie haben inſtaͤndiglich gebetten/ eifferig begehret/ und
fleiſſig geſuchet/ und haben doch nichts gefunden/ und nichts bekommen. Da-
hero geſchichts/ daß das gefaſte Vertrauen zu GOtt/ in derſelben Hertzen
allgemach nachgelaſſet/ und der Eiffer zu betten erkaͤltet. Solche aber
Tom. 8.
in Pſ.
140.
ſollen hoͤren/ was der H. Vatter Auguſtinus ſagt: Wann GOtt nicht
gibt/ was der Menſch von ihm begehret/ ſo thut er daß
derhalben/ damit ihm nicht hinderlich ſeye was er gibt.

Dieſes ſcheinet zwar ein ſeltzamber Spruch/ und verdunckelte Red zu ſeyn;
iſt aber nach der Richt-Schnur der unbetrieglichen Warheit gemeſſen.
Offtmahl traͤgt ſichs zu/ daß/ wie weniger wir von GOtt erhoͤret werden/
deſto mehr erhoͤret werden: welches durch folgende Geſchicht erklaͤret wird.

6. Ein Buͤrger und Kauff-Mann der Stadt Alexandria/ Nahmens
Philochriſtus/ pflegte ſeine Schiff biß in Africam hinein zu ſchicken/ umb
die/ der Orts erfindliche Waaren zu erkauffen/ und in Europam zubringen.
Da ſelbiger nun einsmahls ſeinen eigenen Sohn und leiblichen Bruder zu
obgedachtem End abgefertiget hatte; gehet er zu dem H. Joannes Eleemo-
ſynarius,
oder/ Außſpender der Allmuſſen/ gibt demſelben ſieben und ein halb
Pfundt Golds/ unter die Arme außzutheilen/ und begehret demuͤtiglich der
heilige Mann wolle ſeinen Sohn und Bruder ſambt allen anderen mit-ſchif-
fenden durch ſeyn Gebett dem lieben GOtt befehlen. Der GOttſeelige
Joannes ermanglet ſeines Orts mit nichten ſondern/ bettet fleiſſig; wird
aber nicht erhoͤret. Der Sohn ſtirbt am Fieber/ das Schiff gehet mit allen
Waaren zu Grund/ und werden nur die Menſchen ſalviret. Der
Kauffman wird entruͤſtet/ betauret vor allen ſeinen eigenen Sohn/
und geduͤnckt ihm/ daß er das ſpendirte Gold gleichſamb umb-
ſonſt habe angewendet: gebraucht ſich aber der Fuͤrſichtigkeit/ daß er ſich
weder uͤber GOtt/ weder uͤber den H. Joannem beklage. Dieſer H.
Mann unterſtehet ſich den bteruͤbten Kauffman zu troͤſten/ aber umbſonſt.
Jn Ermanglung der menſchlichen Huͤlff/ thut ſich herfuͤr der Goͤttliche
Troſt; indem die folgende Nacht der hertzlich betruͤbte Kauff-Mann ſihet/
daß ihm der H. Joannes zunahet/ und ihn mit dieſen Worten anredet: Was
bekuͤmmereſtu du dich/ mein Bruder/ und warumb biſtu ſo hertzlich betruͤbet?
Haſtu nicht von mir begehrt/ daß ich GOtt bitten ſolte/ damit dein Sohn
beym Leben moͤgte erhalten werden Nun iſt dein Sohn auß aller Gefahr

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[454/0482] Die Sieben und Dreyſſigſte Geiſtliche Lection 5. Wiewohl nun dieſe Verheiſſungen der ewigen Warheit ſicher und ge- wiß ſeynd; ſo werden nichts deſto weniger viele gefunden/ ſo hieruͤber einen Zweiffel ſchoͤpffen/ dieweilen ſie oͤffters angeklopfft haben/ und doch nicht ſeynd erhoͤret worden: ſie haben inſtaͤndiglich gebetten/ eifferig begehret/ und fleiſſig geſuchet/ und haben doch nichts gefunden/ und nichts bekommen. Da- hero geſchichts/ daß das gefaſte Vertrauen zu GOtt/ in derſelben Hertzen allgemach nachgelaſſet/ und der Eiffer zu betten erkaͤltet. Solche aber ſollen hoͤren/ was der H. Vatter Auguſtinus ſagt: Wann GOtt nicht gibt/ was der Menſch von ihm begehret/ ſo thut er daß derhalben/ damit ihm nicht hinderlich ſeye was er gibt. Dieſes ſcheinet zwar ein ſeltzamber Spruch/ und verdunckelte Red zu ſeyn; iſt aber nach der Richt-Schnur der unbetrieglichen Warheit gemeſſen. Offtmahl traͤgt ſichs zu/ daß/ wie weniger wir von GOtt erhoͤret werden/ deſto mehr erhoͤret werden: welches durch folgende Geſchicht erklaͤret wird. Tom. 8. in Pſ. 140. 6. Ein Buͤrger und Kauff-Mann der Stadt Alexandria/ Nahmens Philochriſtus/ pflegte ſeine Schiff biß in Africam hinein zu ſchicken/ umb die/ der Orts erfindliche Waaren zu erkauffen/ und in Europam zubringen. Da ſelbiger nun einsmahls ſeinen eigenen Sohn und leiblichen Bruder zu obgedachtem End abgefertiget hatte; gehet er zu dem H. Joannes Eleemo- ſynarius, oder/ Außſpender der Allmuſſen/ gibt demſelben ſieben und ein halb Pfundt Golds/ unter die Arme außzutheilen/ und begehret demuͤtiglich der heilige Mann wolle ſeinen Sohn und Bruder ſambt allen anderen mit-ſchif- fenden durch ſeyn Gebett dem lieben GOtt befehlen. Der GOttſeelige Joannes ermanglet ſeines Orts mit nichten ſondern/ bettet fleiſſig; wird aber nicht erhoͤret. Der Sohn ſtirbt am Fieber/ das Schiff gehet mit allen Waaren zu Grund/ und werden nur die Menſchen ſalviret. Der Kauffman wird entruͤſtet/ betauret vor allen ſeinen eigenen Sohn/ und geduͤnckt ihm/ daß er das ſpendirte Gold gleichſamb umb- ſonſt habe angewendet: gebraucht ſich aber der Fuͤrſichtigkeit/ daß er ſich weder uͤber GOtt/ weder uͤber den H. Joannem beklage. Dieſer H. Mann unterſtehet ſich den bteruͤbten Kauffman zu troͤſten/ aber umbſonſt. Jn Ermanglung der menſchlichen Huͤlff/ thut ſich herfuͤr der Goͤttliche Troſt; indem die folgende Nacht der hertzlich betruͤbte Kauff-Mann ſihet/ daß ihm der H. Joannes zunahet/ und ihn mit dieſen Worten anredet: Was bekuͤmmereſtu du dich/ mein Bruder/ und warumb biſtu ſo hertzlich betruͤbet? Haſtu nicht von mir begehrt/ daß ich GOtt bitten ſolte/ damit dein Sohn beym Leben moͤgte erhalten werden Nun iſt dein Sohn auß aller Gefahr errettet/

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/482>, abgerufen am 18.05.2024.