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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Ergebung in den Willen Gottes.
daß du deinen Willen dem göttlichen überlassest und ergebest/ so wohl in sau-
ren und bitteren/ als in süssen und annehmlichen Dingen. Es ist keine voll-
komnere und fürtrefflichere Resignation, als wann du in deiner Verlassung
resignirt und zu frieden bist: du wirst auch nicht sehr beschwärt und betrübt
werden/ wann wenig geistlicher Süssigkeit empfindest; du wirst dir anderst
nit einbilden/ als daß du derselben unwürdig seyest. Ein wahre Ergebung sei-
ner in den Willen Gottes/ in allen/ so wohl gewissen als ungewissen Sachen/
errettet den Menschen ohne Zweiffel auß allen Gefahren und Zufällen/ und
verursachet/ daß er in allem deß wahren Friedens sich erfrewe: diesem stim-
met auch bey der geistreiche Thomas a Kempis, und sagt: Schätz dichL. 3. c. 25.
§. 2.

nicht fur groß/ noch in besonderer Liebe zu seyn/ so du in ei-
ner grossen Andacht oder Sussigkeit bist: dann in diesen
Dingen allen wird kein wahrer Liebhaber der Tugend er-
kandt; es stehet auch nicht darinn deß Menschen Zuneh-
men und Vollkommenheit: Worinn stehet es dann? daß
du dich auß gantzem deinem Hertzen dem göttlichen Wil-
len opfferst/ und nicht suchest die Ding/ die dein seynd/ we-
der in kleinen noch in grossen Dingen: weder in der Zeit/
noch in Ewigkeit: also/ daß du eines gleichen Gemuths
zwischen Gluck und Vngluck in Dancksagung bleibest/ und
alle Ding in gleicher Maß erwegest:
Dahero ist einer sichernRus-
broch. in
fine op.

Jungfrawen; so nicht wuste worinn die wahre Andacht bestehe/ und der-
halben sehr traurig ware; ein überauß schönes Knäblein erschienen/ und ge-
sagt/ daß die wahre Andacht deß Menschen in Verläugnung und Verach-
tung seiner selbst/ und in einer vollkommenen Resignation in die Hand
GOttes bestehe.

Dieß ist aber die vollkommene Ergebung/ daß nemblich der Mensch sei-
nen Willen mit dem Willen GOttes in allem gleichförmig mache: wor-
auß dann zu schliessen ist/ daß man sich forderist für die läßlichen und vorbe-
dachten Sünden hüte; weilen selbige dem göttlichen Willen außtrücklich
zuwider seynd: derhalben muß ein Geistlicher/ so diese vollkommene Resig-
nation
zu erwerben trachtet/ sich befleissen/ daß er seine Regulen und Sa-
tzungen so genau/ als möglich ist/ unsträfflich halte; zumahlen ohne dieses
sich keiner einbilden wolle/ sothane Tugend zu erlangen.

3. Annebens muß er auch daran seyn/ daß er alle so wohl glückseelig- als
widerwärtige Zufäll dem göttlichen Willen auffmesse/ nach dem Exempel
deß frommen Josephs/ der seine zaghaffte Brüder mit diesen Worten tröstet:

Jch
T t

Von der Ergebung in den Willen Gottes.
daß du deinen Willen dem goͤttlichen uͤberlaſſeſt und ergebeſt/ ſo wohl in ſau-
ren und bitteren/ als in ſuͤſſen und annehmlichen Dingen. Es iſt keine voll-
komnere und fuͤrtrefflichere Reſignation, als wann du in deiner Verlaſſung
reſignirt und zu frieden biſt: du wirſt auch nicht ſehr beſchwaͤrt und betruͤbt
werden/ wann wenig geiſtlicher Suͤſſigkeit empfindeſt; du wirſt dir anderſt
nit einbilden/ als daß du derſelben unwuͤrdig ſeyeſt. Ein wahre Ergebung ſei-
ner in den Willen Gottes/ in allen/ ſo wohl gewiſſen als ungewiſſen Sachen/
errettet den Menſchen ohne Zweiffel auß allen Gefahren und Zufaͤllen/ und
verurſachet/ daß er in allem deß wahren Friedens ſich erfrewe: dieſem ſtim-
met auch bey der geiſtreiche Thomas à Kempis, und ſagt: Schaͤtz dichL. 3. c. 25.
§. 2.

nicht fůr groß/ noch in beſonderer Liebe zu ſeyn/ ſo du in ei-
ner groſſen Andacht oder Sůſſigkeit biſt: dann in dieſen
Dingen allen wird kein wahrer Liebhaber der Tugend er-
kandt; es ſtehet auch nicht darinn deß Menſchen Zuneh-
men und Vollkommenheit: Worinn ſtehet es dann? daß
du dich auß gantzem deinem Hertzen dem goͤttlichen Wil-
len opfferſt/ und nicht ſucheſt die Ding/ die dein ſeynd/ we-
der in kleinen noch in groſſen Dingen: weder in der Zeit/
noch in Ewigkeit: alſo/ daß du eines gleichen Gemůths
zwiſchen Glůck und Vnglůck in Danckſagung bleibeſt/ und
alle Ding in gleicher Maß erwegeſt:
Dahero iſt einer ſichernRuſ-
broch. in
fine op.

Jungfrawen; ſo nicht wuſte worinn die wahre Andacht beſtehe/ und der-
halben ſehr traurig ware; ein uͤberauß ſchoͤnes Knaͤblein erſchienen/ und ge-
ſagt/ daß die wahre Andacht deß Menſchen in Verlaͤugnung und Verach-
tung ſeiner ſelbſt/ und in einer vollkommenen Reſignation in die Hand
GOttes beſtehe.

Dieß iſt aber die vollkommene Ergebung/ daß nemblich der Menſch ſei-
nen Willen mit dem Willen GOttes in allem gleichfoͤrmig mache: wor-
auß dann zu ſchlieſſen iſt/ daß man ſich forderiſt fuͤr die laͤßlichen und vorbe-
dachten Suͤnden huͤte; weilen ſelbige dem goͤttlichen Willen außtruͤcklich
zuwider ſeynd: derhalben muß ein Geiſtlicher/ ſo dieſe vollkommene Reſig-
nation
zu erwerben trachtet/ ſich befleiſſen/ daß er ſeine Regulen und Sa-
tzungen ſo genau/ als moͤglich iſt/ unſtraͤfflich halte; zumahlen ohne dieſes
ſich keiner einbilden wolle/ ſothane Tugend zu erlangen.

3. Annebens muß er auch daran ſeyn/ daß er alle ſo wohl gluͤckſeelig- als
widerwaͤrtige Zufaͤll dem goͤttlichen Willen auffmeſſe/ nach dem Exempel
deß frommen Joſephs/ der ſeine zaghaffte Bruͤder mit dieſen Worten troͤſtet:

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[329/0357] Von der Ergebung in den Willen Gottes. daß du deinen Willen dem goͤttlichen uͤberlaſſeſt und ergebeſt/ ſo wohl in ſau- ren und bitteren/ als in ſuͤſſen und annehmlichen Dingen. Es iſt keine voll- komnere und fuͤrtrefflichere Reſignation, als wann du in deiner Verlaſſung reſignirt und zu frieden biſt: du wirſt auch nicht ſehr beſchwaͤrt und betruͤbt werden/ wann wenig geiſtlicher Suͤſſigkeit empfindeſt; du wirſt dir anderſt nit einbilden/ als daß du derſelben unwuͤrdig ſeyeſt. Ein wahre Ergebung ſei- ner in den Willen Gottes/ in allen/ ſo wohl gewiſſen als ungewiſſen Sachen/ errettet den Menſchen ohne Zweiffel auß allen Gefahren und Zufaͤllen/ und verurſachet/ daß er in allem deß wahren Friedens ſich erfrewe: dieſem ſtim- met auch bey der geiſtreiche Thomas à Kempis, und ſagt: Schaͤtz dich nicht fůr groß/ noch in beſonderer Liebe zu ſeyn/ ſo du in ei- ner groſſen Andacht oder Sůſſigkeit biſt: dann in dieſen Dingen allen wird kein wahrer Liebhaber der Tugend er- kandt; es ſtehet auch nicht darinn deß Menſchen Zuneh- men und Vollkommenheit: Worinn ſtehet es dann? daß du dich auß gantzem deinem Hertzen dem goͤttlichen Wil- len opfferſt/ und nicht ſucheſt die Ding/ die dein ſeynd/ we- der in kleinen noch in groſſen Dingen: weder in der Zeit/ noch in Ewigkeit: alſo/ daß du eines gleichen Gemůths zwiſchen Glůck und Vnglůck in Danckſagung bleibeſt/ und alle Ding in gleicher Maß erwegeſt: Dahero iſt einer ſichern Jungfrawen; ſo nicht wuſte worinn die wahre Andacht beſtehe/ und der- halben ſehr traurig ware; ein uͤberauß ſchoͤnes Knaͤblein erſchienen/ und ge- ſagt/ daß die wahre Andacht deß Menſchen in Verlaͤugnung und Verach- tung ſeiner ſelbſt/ und in einer vollkommenen Reſignation in die Hand GOttes beſtehe. L. 3. c. 25. §. 2. Ruſ- broch. in fine op. Dieß iſt aber die vollkommene Ergebung/ daß nemblich der Menſch ſei- nen Willen mit dem Willen GOttes in allem gleichfoͤrmig mache: wor- auß dann zu ſchlieſſen iſt/ daß man ſich forderiſt fuͤr die laͤßlichen und vorbe- dachten Suͤnden huͤte; weilen ſelbige dem goͤttlichen Willen außtruͤcklich zuwider ſeynd: derhalben muß ein Geiſtlicher/ ſo dieſe vollkommene Reſig- nation zu erwerben trachtet/ ſich befleiſſen/ daß er ſeine Regulen und Sa- tzungen ſo genau/ als moͤglich iſt/ unſtraͤfflich halte; zumahlen ohne dieſes ſich keiner einbilden wolle/ ſothane Tugend zu erlangen. 3. Annebens muß er auch daran ſeyn/ daß er alle ſo wohl gluͤckſeelig- als widerwaͤrtige Zufaͤll dem goͤttlichen Willen auffmeſſe/ nach dem Exempel deß frommen Joſephs/ der ſeine zaghaffte Bruͤder mit dieſen Worten troͤſtet: Jch T t

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/357>, abgerufen am 27.11.2024.