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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Armut.
deß Teuffels seyen/ vermög deren er viele Geistliche betrieget und fanget/ in
dem er sie hiedurch anfänglich von der geistlicher Vollkömmenheit und
Eiffer deß Hertzens abziehet/ nachmahls selbige zu einer schädlichen Verach-
tung der gewöhnlichen Strengigkeit erweichet/ und also zu vielen Sünden/
fürnemblich aber zu der unzulässigen Welt-Liebe antreibet/ und endlich
diese unglückselige Kinder in das ewige Verderben stürtzet. Jch bin der fasten
Meynung; daß/ wann uns erlaubt wäre/ die Kläge der verdambten Geist-
lichen/ auch länger nicht als ein Augenblick anzuhören; würden wir
unzahlbare Verfluchungen über sothane höchst-sehädliche Wohlthäter
vernehmen. Derowegen ermahnet uns recht und wohl der H. Vatter Gre-
gorius/ wie folget: Die böse Geister besitzen auff dieser Welt
nichts eigenes: so mussen wir uns nackend mit den Nacken-
den herumb schlagen.
Wann nun ein gekleideter Mensch mit einem
Nackenden sich tummelet/ wird er leicht zu Boden geworffen/ dieweilen
er bey den Kleydern kan gefasset werden. Was seynd aber alle irrdische
Dinge anders/ als einige Kleidungen deß Leibs? der sich dann mit diesen
höllischen Geistern in einen Streit einlasset/ der werffe die Kleyder von sich/
damit er von ihnen nicht überwunden werde.

10. Jm übrigen ist zu Besitzung der geistlichen Armut nicht gnug/ daß
man die weltliche Sachen in der That und mit dem Hertzen verlasse: auch
ist nicht gnug/ daß man das Uberflüssige von sich werffe: sondern es er-
fordert diese Armut/ daß man den Abgang der nöthigen Dingen mit Gedult
trage; und umb selbige sich nicht zu eiffrich bemühe: wie gar schön hiervon
der geistreiche P. Balthasar Alvatez mit diesen Worten zu melden pflegte:
Keiner/ sagt er/ schmeichle sich wegen seiner von GOtt empfangenen Gna-
den der Erleuchtung und geistlicher Tröstungen/ es sey dann/ daß er mit
kröligem Hertzen diesen Bissen der Evangelischen Armut geschlucket ha-
be. Er wird aber hierauß abnehmen können/ ob er diese Armut liebe/ wann
er nemblich derselben Gesellen/ den Hunger/ Durst/ Kält/ Verachtung/
und dergleichen Lieb habe. Dann der in den Kleidern Ehr suchet/ damit
er nicht dieserthalben nicht ver achtet werde/ der liebet die Armut nicht. Wel-
chen es dürstet/ und diesen Durst nicht wilt außstehen/ der befleisset sich der
Armut nicht. Der gern siehet daß ihm nichts mangle/ und gleichwohl
für einen guten Geistlichen wilt angesehen seyn; der ist betrogen. Nicht
umbsonst fahret der heilige Vincentius mit diesen Klag-Reden auß/ und
sagt: Leyder GOttes! viele seynd/ welche sich der Tugend der Armut mit
dem blosen Nahmen: allein rühmen können/ dieweilen sie wollen/ daß ih-

nen
Y 3

Von der Armut.
deß Teuffels ſeyen/ vermoͤg deren er viele Geiſtliche betrieget und fanget/ in
dem er ſie hiedurch anfaͤnglich von der geiſtlicher Vollkoͤmmenheit und
Eiffer deß Hertzens abziehet/ nachmahls ſelbige zu einer ſchaͤdlichen Verach-
tung der gewoͤhnlichen Strengigkeit erweichet/ und alſo zu vielen Suͤnden/
fuͤrnemblich aber zu der unzulaͤſſigen Welt-Liebe antreibet/ und endlich
dieſe ungluͤckſelige Kinder in das ewige Verderben ſtuͤrtzet. Jch bin der faſten
Meynung; daß/ wann uns erlaubt waͤre/ die Klaͤge der verdambten Geiſt-
lichen/ auch laͤnger nicht als ein Augenblick anzuhoͤren; wuͤrden wir
unzahlbare Verfluchungen uͤber ſothane hoͤchſt-ſehaͤdliche Wohlthaͤter
vernehmen. Derowegen ermahnet uns recht und wohl der H. Vatter Gre-
gorius/ wie folget: Die boͤſe Geiſter beſitzen auff dieſer Welt
nichts eigenes: ſo můſſen wir uns nackend mit den Nacken-
den herumb ſchlagen.
Wann nun ein gekleideter Menſch mit einem
Nackenden ſich tummelet/ wird er leicht zu Boden geworffen/ dieweilen
er bey den Kleydern kan gefaſſet werden. Was ſeynd aber alle irrdiſche
Dinge anders/ als einige Kleidungen deß Leibs? der ſich dann mit dieſen
hoͤlliſchen Geiſtern in einen Streit einlaſſet/ der werffe die Kleyder von ſich/
damit er von ihnen nicht uͤberwunden werde.

10. Jm uͤbrigen iſt zu Beſitzung der geiſtlichen Armut nicht gnug/ daß
man die weltliche Sachen in der That und mit dem Hertzen verlaſſe: auch
iſt nicht gnug/ daß man das Uberfluͤſſige von ſich werffe: ſondern es er-
fordert dieſe Armut/ daß man den Abgang der noͤthigen Dingen mit Gedult
trage; und umb ſelbige ſich nicht zu eiffrich bemuͤhe: wie gar ſchoͤn hiervon
der geiſtreiche P. Balthaſar Alvatez mit dieſen Worten zu melden pflegte:
Keiner/ ſagt er/ ſchmeichle ſich wegen ſeiner von GOtt empfangenen Gna-
den der Erleuchtung und geiſtlicher Troͤſtungen/ es ſey dann/ daß er mit
kroͤligem Hertzen dieſen Biſſen der Evangeliſchen Armut geſchlucket ha-
be. Er wird aber hierauß abnehmen koͤnnen/ ob er dieſe Armut liebe/ wann
er nemblich derſelben Geſellen/ den Hunger/ Durſt/ Kaͤlt/ Verachtung/
und dergleichen Lieb habe. Dann der in den Kleidern Ehr ſuchet/ damit
er nicht dieſerthalben nicht ver achtet werde/ der liebet die Armut nicht. Wel-
chen es duͤrſtet/ und dieſen Durſt nicht wilt außſtehen/ der befleiſſet ſich der
Armut nicht. Der gern ſiehet daß ihm nichts mangle/ und gleichwohl
fuͤr einen guten Geiſtlichen wilt angeſehen ſeyn; der iſt betrogen. Nicht
umbſonſt fahret der heilige Vincentius mit dieſen Klag-Reden auß/ und
ſagt: Leyder GOttes! viele ſeynd/ welche ſich der Tugend der Armut mit
dem bloſen Nahmen: allein ruͤhmen koͤnnen/ dieweilen ſie wollen/ daß ih-

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[173/0201] Von der Armut. deß Teuffels ſeyen/ vermoͤg deren er viele Geiſtliche betrieget und fanget/ in dem er ſie hiedurch anfaͤnglich von der geiſtlicher Vollkoͤmmenheit und Eiffer deß Hertzens abziehet/ nachmahls ſelbige zu einer ſchaͤdlichen Verach- tung der gewoͤhnlichen Strengigkeit erweichet/ und alſo zu vielen Suͤnden/ fuͤrnemblich aber zu der unzulaͤſſigen Welt-Liebe antreibet/ und endlich dieſe ungluͤckſelige Kinder in das ewige Verderben ſtuͤrtzet. Jch bin der faſten Meynung; daß/ wann uns erlaubt waͤre/ die Klaͤge der verdambten Geiſt- lichen/ auch laͤnger nicht als ein Augenblick anzuhoͤren; wuͤrden wir unzahlbare Verfluchungen uͤber ſothane hoͤchſt-ſehaͤdliche Wohlthaͤter vernehmen. Derowegen ermahnet uns recht und wohl der H. Vatter Gre- gorius/ wie folget: Die boͤſe Geiſter beſitzen auff dieſer Welt nichts eigenes: ſo můſſen wir uns nackend mit den Nacken- den herumb ſchlagen. Wann nun ein gekleideter Menſch mit einem Nackenden ſich tummelet/ wird er leicht zu Boden geworffen/ dieweilen er bey den Kleydern kan gefaſſet werden. Was ſeynd aber alle irrdiſche Dinge anders/ als einige Kleidungen deß Leibs? der ſich dann mit dieſen hoͤlliſchen Geiſtern in einen Streit einlaſſet/ der werffe die Kleyder von ſich/ damit er von ihnen nicht uͤberwunden werde. 10. Jm uͤbrigen iſt zu Beſitzung der geiſtlichen Armut nicht gnug/ daß man die weltliche Sachen in der That und mit dem Hertzen verlaſſe: auch iſt nicht gnug/ daß man das Uberfluͤſſige von ſich werffe: ſondern es er- fordert dieſe Armut/ daß man den Abgang der noͤthigen Dingen mit Gedult trage; und umb ſelbige ſich nicht zu eiffrich bemuͤhe: wie gar ſchoͤn hiervon der geiſtreiche P. Balthaſar Alvatez mit dieſen Worten zu melden pflegte: Keiner/ ſagt er/ ſchmeichle ſich wegen ſeiner von GOtt empfangenen Gna- den der Erleuchtung und geiſtlicher Troͤſtungen/ es ſey dann/ daß er mit kroͤligem Hertzen dieſen Biſſen der Evangeliſchen Armut geſchlucket ha- be. Er wird aber hierauß abnehmen koͤnnen/ ob er dieſe Armut liebe/ wann er nemblich derſelben Geſellen/ den Hunger/ Durſt/ Kaͤlt/ Verachtung/ und dergleichen Lieb habe. Dann der in den Kleidern Ehr ſuchet/ damit er nicht dieſerthalben nicht ver achtet werde/ der liebet die Armut nicht. Wel- chen es duͤrſtet/ und dieſen Durſt nicht wilt außſtehen/ der befleiſſet ſich der Armut nicht. Der gern ſiehet daß ihm nichts mangle/ und gleichwohl fuͤr einen guten Geiſtlichen wilt angeſehen ſeyn; der iſt betrogen. Nicht umbſonſt fahret der heilige Vincentius mit dieſen Klag-Reden auß/ und ſagt: Leyder GOttes! viele ſeynd/ welche ſich der Tugend der Armut mit dem bloſen Nahmen: allein ruͤhmen koͤnnen/ dieweilen ſie wollen/ daß ih- nen Y 3

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/201>, abgerufen am 26.04.2024.