Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Vierzehende Geistliche Lection nen nichts ermangle. Sie sagen/ sie seyen Freunde der Armut; und flie-hen doch die Freund und Mit-Gesellen derselben/ als da seynd/ Hunger/ Durst/ Verachtung und andere/ nach aller Möglichkeit. Auch/ mein Christ- liche Seel/ kan ein wahrer Liebhaber der Armut nicht trauren wegen Man- gel und Gebrech der zeitlichen Dingen/ so die gantze Versamblung leidet/ son- dern muß allzeit die freygebige Fürsichtigkeit GOttes (Krafft deren er sei- ne Diener und Dienerinnen niemahln verlasset) mit Gedult erwarten. Also ware beschaffen der jenige GOtt-gefällige Münch/ so wegen der verbren- ten sämbtlichen Früchten seines Klosters/ GOtt mit freudigem Gemüt danckete/ und sich sambt seinen Brüdern in allem der Göttlichen Fürsich- tigkeit empfehlete. Damit wir aber dergleichen Entrathung auß Liebe der Armut hinführo leichtlicher ertragen mögen; sollen uns mit grosser Er- sprießlichkeit dienen die Leben der H. H. Alt-Vätter und ersten Geist- lichen der Kirchen GOttes: unter welchen Moscus und Sophronius zwey Ordens-Geistliche einsmals zu ihrem Vorsteher Joannes kommen/ und von selbigem ein Lehr-Stuck/ umb ihr Leben besser nach der Vollkommen- heit einzurichten/ begehret: denen der Alte geantwortet: mein liebe Brü- der/ liebet die freywillige Armut und Enteusserung aller Dingen neben der Keuschheit. Hiervon will ich euch eine schier unerhörte Geschicht erzehlen: Da ich noch jung von Jahren war/ und in der Einnöden Schithi wohnete/ fiele einer von den alten Geistlichen in eine Kranckheit/ so mit etwan wenigem Essig solte geheilet werden: derhalben suchte man den wenigen Essig in vier Klösteren/ so mit drey tausend und fünffhundert geistlichen Personen versehen/ und ware nichts zu finden. O warlich unerhörte Armut! wann so gar kein Essig daselbst vorrätig gewesen/ wie viel mehr wirds an Wein/ Fleisch/ Fisch/ Oel/ Gewürtz und anderem Schmär und Zubehör ermanglet haben! dahero gnugsamb abzunehmen ist/ in wie grosser Armut diese heilige München gelebt haben; und gleichwohl hat sie GOtt wunderbarlich erhalten. 11. Also lasset uns ebenfals zum wenigsten das Ubrige verbannen; und und
Die Vierzehende Geiſtliche Lection nen nichts ermangle. Sie ſagen/ ſie ſeyen Freunde der Armut; und flie-hen doch die Freund und Mit-Geſellen derſelben/ als da ſeynd/ Hunger/ Durſt/ Verachtung und andere/ nach aller Moͤglichkeit. Auch/ mein Chriſt- liche Seel/ kan ein wahrer Liebhaber der Armut nicht trauren wegen Man- gel und Gebrech der zeitlichen Dingen/ ſo die gantze Verſamblung leidet/ ſon- dern muß allzeit die freygebige Fuͤrſichtigkeit GOttes (Krafft deren er ſei- ne Diener und Dienerinnen niemahln verlaſſet) mit Gedult erwarten. Alſo ware beſchaffen der jenige GOtt-gefaͤllige Muͤnch/ ſo wegen der verbren- ten ſaͤmbtlichen Fruͤchten ſeines Kloſters/ GOtt mit freudigem Gemuͤt danckete/ und ſich ſambt ſeinen Bruͤdern in allem der Goͤttlichen Fuͤrſich- tigkeit empfehlete. Damit wir aber dergleichen Entrathung auß Liebe der Armut hinfuͤhro leichtlicher ertragen moͤgen; ſollen uns mit groſſer Er- ſprießlichkeit dienen die Leben der H. H. Alt-Vaͤtter und erſten Geiſt- lichen der Kirchen GOttes: unter welchen Moſcus und Sophronius zwey Ordens-Geiſtliche einsmals zu ihrem Vorſteher Joannes kommen/ und von ſelbigem ein Lehr-Stuck/ umb ihr Leben beſſer nach der Vollkommen- heit einzurichten/ begehret: denen der Alte geantwortet: mein liebe Bruͤ- der/ liebet die freywillige Armut und Enteuſſerung aller Dingen neben der Keuſchheit. Hiervon will ich euch eine ſchier unerhoͤrte Geſchicht erzehlen: Da ich noch jung von Jahren war/ und in der Einnoͤden Schithi wohnete/ fiele einer von den alten Geiſtlichen in eine Kranckheit/ ſo mit etwan wenigem Eſſig ſolte geheilet werden: derhalben ſuchte man den wenigen Eſſig in vier Kloͤſteren/ ſo mit drey tauſend und fuͤnffhundert geiſtlichen Perſonen verſehen/ und ware nichts zu finden. O warlich unerhoͤrte Armut! wann ſo gar kein Eſſig daſelbſt vorraͤtig geweſen/ wie viel mehr wirds an Wein/ Fleiſch/ Fiſch/ Oel/ Gewuͤrtz und anderem Schmaͤr und Zubehoͤr ermanglet haben! dahero gnugſamb abzunehmen iſt/ in wie groſſer Armut dieſe heilige Muͤnchen gelebt haben; und gleichwohl hat ſie GOtt wunderbarlich erhalten. 11. Alſo laſſet uns ebenfals zum wenigſten das Ubrige verbannen; und und
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Die Vierzehende Geiſtliche Lection
nen nichts ermangle. Sie ſagen/ ſie ſeyen Freunde der Armut; und flie-
hen doch die Freund und Mit-Geſellen derſelben/ als da ſeynd/ Hunger/
Durſt/ Verachtung und andere/ nach aller Moͤglichkeit. Auch/ mein Chriſt-
liche Seel/ kan ein wahrer Liebhaber der Armut nicht trauren wegen Man-
gel und Gebrech der zeitlichen Dingen/ ſo die gantze Verſamblung leidet/ ſon-
dern muß allzeit die freygebige Fuͤrſichtigkeit GOttes (Krafft deren er ſei-
ne Diener und Dienerinnen niemahln verlaſſet) mit Gedult erwarten. Alſo
ware beſchaffen der jenige GOtt-gefaͤllige Muͤnch/ ſo wegen der verbren-
ten ſaͤmbtlichen Fruͤchten ſeines Kloſters/ GOtt mit freudigem Gemuͤt
danckete/ und ſich ſambt ſeinen Bruͤdern in allem der Goͤttlichen Fuͤrſich-
tigkeit empfehlete. Damit wir aber dergleichen Entrathung auß Liebe
der Armut hinfuͤhro leichtlicher ertragen moͤgen; ſollen uns mit groſſer Er-
ſprießlichkeit dienen die Leben der H. H. Alt-Vaͤtter und erſten Geiſt-
lichen der Kirchen GOttes: unter welchen Moſcus und Sophronius zwey
Ordens-Geiſtliche einsmals zu ihrem Vorſteher Joannes kommen/ und
von ſelbigem ein Lehr-Stuck/ umb ihr Leben beſſer nach der Vollkommen-
heit einzurichten/ begehret: denen der Alte geantwortet: mein liebe Bruͤ-
der/ liebet die freywillige Armut und Enteuſſerung aller Dingen neben
der Keuſchheit. Hiervon will ich euch eine ſchier unerhoͤrte Geſchicht
erzehlen: Da ich noch jung von Jahren war/ und in der Einnoͤden Schithi
wohnete/ fiele einer von den alten Geiſtlichen in eine Kranckheit/ ſo mit etwan
wenigem Eſſig ſolte geheilet werden: derhalben ſuchte man den wenigen
Eſſig in vier Kloͤſteren/ ſo mit drey tauſend und fuͤnffhundert geiſtlichen
Perſonen verſehen/ und ware nichts zu finden. O warlich unerhoͤrte
Armut! wann ſo gar kein Eſſig daſelbſt vorraͤtig geweſen/ wie viel mehr
wirds an Wein/ Fleiſch/ Fiſch/ Oel/ Gewuͤrtz und anderem Schmaͤr
und Zubehoͤr ermanglet haben! dahero gnugſamb abzunehmen iſt/ in wie
groſſer Armut dieſe heilige Muͤnchen gelebt haben; und gleichwohl hat ſie
GOtt wunderbarlich erhalten.
11. Alſo laſſet uns ebenfals zum wenigſten das Ubrige verbannen; und
auch gern zu frieden ſeyn/ wann wir ſchon in Speiß/ Tranck und anderen
Nothwendigkeiten bißweilen kein voͤlliges Gnuͤgen haben. Auff
ſolche Weiß gelangen wir mit leichter Muͤhe zur wahren Ruhe
unſers Hertzens und andere geiſtlichen Tugenden/ ſo unſern Handel
zieren muͤſſen. Hoͤre an/ mein Chriſtliche Seel/ den Armen
Franciſcum/ wie er dieſe Tugend ſo hoch ſchaͤtze/ daß er ſie/ auch
nicht ſcheuet eine Koͤnigin der Tugenten/ ein Grundveſt ſeines Ordens/
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Zitationshilfe: | Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/202>, abgerufen am 20.07.2024. |