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Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.

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Von der Hoffart.
nen erblicket/ angefallen! und alsbald in viele Stücke zerrissen. Nach-
dem nun der ander dieser Tragödi biß zum Außgang der Sachen zuge-
schauet; ist er mit grossem Frolocken hervor kommen/ und hat seiner
Heerden wie vorhin/ vorzustehen ungehindert fortgefahren. Also/ also
gehts in Warheit her mit den Hoffärtigen: da diese wegen einiger ihrrr
sonderbahren Gaaben und Tugenden/ andere gering schätzen/ und
derowegen der überwundenen Laster erhaltenen Sieg sich zu viel zumes-
sen/ werden sie von dem höllischen Habig gefangen/ und mit dessen
Stricke an das erbärmliche Joch der vielfältigen Sünden gebunden.
Ware nicht ein solcher der Petrus/ so seine andere Mit- Jünger gleich-
samb durch einen Ubermuth vorbey gleng/ und sagte; Wann schonMatth.
26. v.
33.

alle an dir geärgert werden/ so will ich mich doch nie-
maln an dir ärgeren?
Uber ein kleines aber wurde er vom laidi-
gen Sathan gefesseit/ und verlaugnete seinen Meister zu dreyen mahlen.
Ware nicht ein solcher der König David/ welcher seinen eigenen Kräff-
ten zu viel trauend/ sagte/ er wolte sich immer bey GOTT halten?2. Reg. 11.
und derhalben ist er in die Grube deß Ehe-Bruchs und Todt-Schlags
gefallen; in dessen begangenen Fehlers Erkändtnuß er zu GOTT ge-
ruffen: Es ist mir gut/ O HERR/ daß du mich ge-Ps. 118.
demuthiget hast. Wann nun der Allerhöchste ein solches Abscheu-
en hat von der Hoffart/ daß er auch seinen allerwertesten Dienern die-
serthalben seine Gnad eine Zeitlang entzohen hat: wie haben sich dann
nicht andere zu förchten/ die ab denen von GOtt ihnen ertheilten Gaaben
sich im Geist erheben; denen der Apostel sagt: Was hastu/ das
du nicht empfangen hast: und dieweil du es empfangen
1. Cor. 4.
v.
7.

hast/ was ruhmestu dich/ als wann du es nicht em-
pfangen habest?
Was massen aber die Göttliche Gerechtigkeit ei-
nen solchen Ubermuth/ Krafft dessen wir seine Gaaben wider alle Bil-
ligkeit uns selbsten zueignen/ bestraffe; wird uns folgende Geschicht zu
mehrer Unterweisung erklähren.

5. Jn einem sicheren Kloster hat unter andern gelebt ein Geistlicher/
so für übrigen seinen Mit- Brüdern sonderbahr geschwätzig gewesen;Diseip.
und weilen er einsmals von denen Sachen ger[e]det/ die ihm nicht an-Historiae
befohlen worden; als hat ihn der Abt mit ernstlichen Worten bestrafft/
und gesagt: Gehe hin und schweige. Diese wenige Ermahnung hat
der obgemeldte Geistliche dergestalt behertziget; daß er mit Verwunde-

derung

Von der Hoffart.
nen erblicket/ angefallen! und alsbald in viele Stuͤcke zerriſſen. Nach-
dem nun der ander dieſer Tragoͤdi biß zum Außgang der Sachen zuge-
ſchauet; iſt er mit groſſem Frolocken hervor kommen/ und hat ſeiner
Heerden wie vorhin/ vorzuſtehen ungehindert fortgefahren. Alſo/ alſo
gehts in Warheit her mit den Hoffaͤrtigen: da dieſe wegen einiger ihrrr
ſonderbahren Gaaben und Tugenden/ andere gering ſchaͤtzen/ und
derowegen der uͤberwundenen Laſter erhaltenen Sieg ſich zu viel zumeſ-
ſen/ werden ſie von dem hoͤlliſchen Habig gefangen/ und mit deſſen
Stricke an das erbaͤrmliche Joch der vielfaͤltigen Suͤnden gebunden.
Ware nicht ein ſolcher der Petrus/ ſo ſeine andere Mit- Juͤnger gleich-
ſamb durch einen Ubermuth vorbey gleng/ und ſagte; Wann ſchonMatth.
26. v.
33.

alle an dir geaͤrgert werden/ ſo will ich mich doch nie-
maln an dir aͤrgeren?
Uber ein kleines aber wurde er vom laidi-
gen Sathan gefeſſeit/ und verlaugnete ſeinen Meiſter zu dreyen mahlen.
Ware nicht ein ſolcher der Koͤnig David/ welcher ſeinen eigenen Kraͤff-
ten zu viel trauend/ ſagte/ er wolte ſich immer bey GOTT halten?2. Reg. 11.
und derhalben iſt er in die Grube deß Ehe-Bruchs und Todt-Schlags
gefallen; in deſſen begangenen Fehlers Erkaͤndtnuß er zu GOTT ge-
ruffen: Es iſt mir gut/ O HERR/ daß du mich ge-Pſ. 118.
demůthiget haſt. Wann nun der Allerhoͤchſte ein ſolches Abſcheu-
en hat von der Hoffart/ daß er auch ſeinen allerwerteſten Dienern die-
ſerthalben ſeine Gnad eine Zeitlang entzohen hat: wie haben ſich dann
nicht andere zu foͤrchten/ die ab denen von GOtt ihnen ertheilten Gaaben
ſich im Geiſt erheben; denen der Apoſtel ſagt: Was haſtu/ das
du nicht empfangen haſt: und dieweil du es empfangen
1. Cor. 4.
v.
7.

haſt/ was růhmeſtu dich/ als wann du es nicht em-
pfangen habeſt?
Was maſſen aber die Goͤttliche Gerechtigkeit ei-
nen ſolchen Ubermuth/ Krafft deſſen wir ſeine Gaaben wider alle Bil-
ligkeit uns ſelbſten zueignen/ beſtraffe; wird uns folgende Geſchicht zu
mehrer Unterweiſung erklaͤhren.

5. Jn einem ſicheren Kloſter hat unter andern gelebt ein Geiſtlicher/
ſo fuͤr uͤbrigen ſeinen Mit- Bruͤdern ſonderbahr geſchwaͤtzig geweſen;Diſeip.
und weilen er einsmals von denen Sachen ger[e]det/ die ihm nicht an-Hiſtoriae
befohlen worden; als hat ihn der Abt mit ernſtlichen Worten beſtrafft/
und geſagt: Gehe hin und ſchweige. Dieſe wenige Ermahnung hat
der obgemeldte Geiſtliche dergeſtalt behertziget; daß er mit Verwunde-

derung
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[135/0163] Von der Hoffart. nen erblicket/ angefallen! und alsbald in viele Stuͤcke zerriſſen. Nach- dem nun der ander dieſer Tragoͤdi biß zum Außgang der Sachen zuge- ſchauet; iſt er mit groſſem Frolocken hervor kommen/ und hat ſeiner Heerden wie vorhin/ vorzuſtehen ungehindert fortgefahren. Alſo/ alſo gehts in Warheit her mit den Hoffaͤrtigen: da dieſe wegen einiger ihrrr ſonderbahren Gaaben und Tugenden/ andere gering ſchaͤtzen/ und derowegen der uͤberwundenen Laſter erhaltenen Sieg ſich zu viel zumeſ- ſen/ werden ſie von dem hoͤlliſchen Habig gefangen/ und mit deſſen Stricke an das erbaͤrmliche Joch der vielfaͤltigen Suͤnden gebunden. Ware nicht ein ſolcher der Petrus/ ſo ſeine andere Mit- Juͤnger gleich- ſamb durch einen Ubermuth vorbey gleng/ und ſagte; Wann ſchon alle an dir geaͤrgert werden/ ſo will ich mich doch nie- maln an dir aͤrgeren? Uber ein kleines aber wurde er vom laidi- gen Sathan gefeſſeit/ und verlaugnete ſeinen Meiſter zu dreyen mahlen. Ware nicht ein ſolcher der Koͤnig David/ welcher ſeinen eigenen Kraͤff- ten zu viel trauend/ ſagte/ er wolte ſich immer bey GOTT halten? und derhalben iſt er in die Grube deß Ehe-Bruchs und Todt-Schlags gefallen; in deſſen begangenen Fehlers Erkaͤndtnuß er zu GOTT ge- ruffen: Es iſt mir gut/ O HERR/ daß du mich ge- demůthiget haſt. Wann nun der Allerhoͤchſte ein ſolches Abſcheu- en hat von der Hoffart/ daß er auch ſeinen allerwerteſten Dienern die- ſerthalben ſeine Gnad eine Zeitlang entzohen hat: wie haben ſich dann nicht andere zu foͤrchten/ die ab denen von GOtt ihnen ertheilten Gaaben ſich im Geiſt erheben; denen der Apoſtel ſagt: Was haſtu/ das du nicht empfangen haſt: und dieweil du es empfangen haſt/ was růhmeſtu dich/ als wann du es nicht em- pfangen habeſt? Was maſſen aber die Goͤttliche Gerechtigkeit ei- nen ſolchen Ubermuth/ Krafft deſſen wir ſeine Gaaben wider alle Bil- ligkeit uns ſelbſten zueignen/ beſtraffe; wird uns folgende Geſchicht zu mehrer Unterweiſung erklaͤhren. Matth. 26. v. 33. 2. Reg. 11. Pſ. 118. 1. Cor. 4. v. 7. 5. Jn einem ſicheren Kloſter hat unter andern gelebt ein Geiſtlicher/ ſo fuͤr uͤbrigen ſeinen Mit- Bruͤdern ſonderbahr geſchwaͤtzig geweſen; und weilen er einsmals von denen Sachen geredet/ die ihm nicht an- befohlen worden; als hat ihn der Abt mit ernſtlichen Worten beſtrafft/ und geſagt: Gehe hin und ſchweige. Dieſe wenige Ermahnung hat der obgemeldte Geiſtliche dergeſtalt behertziget; daß er mit Verwunde- derung Diſeip. Hiſtoriae

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Zitationshilfe: Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/santaclara_grammatica_1699/163>, abgerufen am 26.04.2024.