Santa Clara, Abraham a: Grammatica Religiosa, Oder Geistliche Tugend-Schul. Köln, 1699.Die Zwölffte Geistliche Lection gestalt erhoben worden/ daß er das himmlische Hierusalem/ und in demsel-ben den unendlich-schönen Glantz der Außerwählten gesehen/ und gehoret eine Stimm dieses Jnhalts: Dieser ist ein Orth der Ruhe für die Gerechten. Ein wenig hernach/ da er vermeinet/ diese Wort seyen ihm gesagt worden/ und darfür gehalten/ er habe seinen Platz im Himmel ersehen; ist er in einem Hochmuth/ und nachmahls erbärmlicher weiß in die gröbeste Sünden und unzahlbare Lastern gefallen. Dieweil nun dieser so grosse und biß zum Himmel steigende Heilige gefallen ist; wer wird fortan über seyn heiliges Leben zu stoltziren sich vermessen dörffen; wann er schon dem Fasten und Betten bestermassen obliget/ und allerhand verdienstliche Werck der Abtöd- Hom. 17. quaest. 6.tung übet? Noch eins höre/ mein Christliche Seel/ von einem andern Geistlichen/ den der obgemeldte Macarius also beschreibet: Es ware bey Historia.mir einer/ der auch zugleich mit mir bettete/ diesen hatte die Göttliche Gnad also erfüllet/ daß ich neben ihm stehend/ von dem Uberfluß seiner Gnaden zu ungemeiner Andacht im Gebet bewegt wurde: Er hatte auch die Gabe gesund zu machen; daß er also nicht allein die Teuffel außtriebe; sondern auch mit Aufflegung der Hände allein allerhand Seuchten und Kranckhei- ten heilete. Da er nun dieser thalben von jederman für einen heiligen Mann gehalten und geehret wurde/ ist er von der Hoffart versucht/ durch selbige zu Boden/ und m das eusserste der Sünden geworffen worden. Derhal- ben merckt wohl zu diesem unserm Vorhaben der Fulgentius/ daß der Urhe- Epist. 3. ad Pro- bam. c. 15.ber der Lastern/ den jenigen/ so er mit dessen eigenen Sünden nicht über- meistern kan/ mit frembden Tugenden überwinde: dann er lobtdie Tugend/ Krafft deren er sich überwunden siehet; damit er also überwunden/ den Un- schuldigen fangen möge. Und diese ist/ nach Zeugnuß deß hocherleuchten Cassiani/ eine spitzfindige Arglistigkeit deß bösen Feinds/ daß er den Solda- L. 11. Instit. c. 7.ten Christi mit dessen eigenen Pfeilen tödte/ den er mit seinen feindlichen Waffen nicht hat überwinden können. 4. Zu weiterem Verfolg der angefangenen Rede dienet auch/ was nen
Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection geſtalt erhoben worden/ daß er das himmliſche Hieruſalem/ und in demſel-ben den unendlich-ſchoͤnen Glantz der Außerwaͤhlten geſehen/ und gehoret eine Stim̃ dieſes Jnhalts: Dieſer iſt ein Orth der Ruhe fuͤr die Gerechten. Ein wenig hernach/ da er vermeinet/ dieſe Wort ſeyen ihm geſagt worden/ und darfuͤr gehalten/ er habe ſeinen Platz im Himmel erſehen; iſt er in einem Hochmuth/ und nachmahls erbaͤrmlicher weiß in die groͤbeſte Suͤnden und unzahlbare Laſtern gefallen. Dieweil nun dieſer ſo groſſe und biß zum Himmel ſteigende Heilige gefallen iſt; wer wird fortan uͤber ſeyn heiliges Leben zu ſtoltziren ſich vermeſſen doͤrffen; wann er ſchon dem Faſten und Betten beſtermaſſen obliget/ und allerhand verdienſtliche Werck der Abtoͤd- Hom. 17. quæſt. 6.tung uͤbet? Noch eins hoͤre/ mein Chriſtliche Seel/ von einem andern Geiſtlichen/ den der obgemeldte Macarius alſo beſchreibet: Es ware bey Hiſtoria.mir einer/ der auch zugleich mit mir bettete/ dieſen hatte die Goͤttliche Gnad alſo erfuͤllet/ daß ich neben ihm ſtehend/ von dem Uberfluß ſeiner Gnaden zu ungemeiner Andacht im Gebet bewegt wurde: Er hatte auch die Gabe geſund zu machen; daß er alſo nicht allein die Teuffel außtriebe; ſondern auch mit Aufflegung der Haͤnde allein allerhand Seuchten und Kranckhei- ten heilete. Da er nun dieſer thalben von jederman fuͤr einen heiligen Mann gehalten und geehret wurde/ iſt er von der Hoffart verſucht/ durch ſelbige zu Boden/ und m das euſſerſte der Suͤnden geworffen worden. Derhal- ben merckt wohl zu dieſem unſerm Vorhaben der Fulgentius/ daß der Urhe- Epiſt. 3. ad Pro- bam. c. 15.ber der Laſtern/ den jenigen/ ſo er mit deſſen eigenen Suͤnden nicht uͤber- meiſtern kan/ mit frembden Tugenden uͤberwinde: dann er lobtdie Tugend/ Krafft deren er ſich uͤberwunden ſiehet; damit er alſo uͤberwunden/ den Un- ſchuldigen fangen moͤge. Und dieſe iſt/ nach Zeugnuß deß hocherleuchten Caſſiani/ eine ſpitzfindige Argliſtigkeit deß boͤſen Feinds/ daß er den Solda- L. 11. Inſtit. c. 7.ten Chriſti mit deſſen eigenen Pfeilen toͤdte/ den er mit ſeinen feindlichen Waffen nicht hat uͤberwinden koͤnnen. 4. Zu weiterem Verfolg der angefangenen Rede dienet auch/ was nen
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Die Zwoͤlffte Geiſtliche Lection
geſtalt erhoben worden/ daß er das himmliſche Hieruſalem/ und in demſel-
ben den unendlich-ſchoͤnen Glantz der Außerwaͤhlten geſehen/ und gehoret
eine Stim̃ dieſes Jnhalts: Dieſer iſt ein Orth der Ruhe fuͤr die Gerechten.
Ein wenig hernach/ da er vermeinet/ dieſe Wort ſeyen ihm geſagt worden/
und darfuͤr gehalten/ er habe ſeinen Platz im Himmel erſehen; iſt er in einem
Hochmuth/ und nachmahls erbaͤrmlicher weiß in die groͤbeſte Suͤnden und
unzahlbare Laſtern gefallen. Dieweil nun dieſer ſo groſſe und biß zum
Himmel ſteigende Heilige gefallen iſt; wer wird fortan uͤber ſeyn heiliges
Leben zu ſtoltziren ſich vermeſſen doͤrffen; wann er ſchon dem Faſten und
Betten beſtermaſſen obliget/ und allerhand verdienſtliche Werck der Abtoͤd-
tung uͤbet? Noch eins hoͤre/ mein Chriſtliche Seel/ von einem andern
Geiſtlichen/ den der obgemeldte Macarius alſo beſchreibet: Es ware bey
mir einer/ der auch zugleich mit mir bettete/ dieſen hatte die Goͤttliche Gnad
alſo erfuͤllet/ daß ich neben ihm ſtehend/ von dem Uberfluß ſeiner Gnaden
zu ungemeiner Andacht im Gebet bewegt wurde: Er hatte auch die Gabe
geſund zu machen; daß er alſo nicht allein die Teuffel außtriebe; ſondern
auch mit Aufflegung der Haͤnde allein allerhand Seuchten und Kranckhei-
ten heilete. Da er nun dieſer thalben von jederman fuͤr einen heiligen Mann
gehalten und geehret wurde/ iſt er von der Hoffart verſucht/ durch ſelbige
zu Boden/ und m das euſſerſte der Suͤnden geworffen worden. Derhal-
ben merckt wohl zu dieſem unſerm Vorhaben der Fulgentius/ daß der Urhe-
ber der Laſtern/ den jenigen/ ſo er mit deſſen eigenen Suͤnden nicht uͤber-
meiſtern kan/ mit frembden Tugenden uͤberwinde: dann er lobtdie Tugend/
Krafft deren er ſich uͤberwunden ſiehet; damit er alſo uͤberwunden/ den Un-
ſchuldigen fangen moͤge. Und dieſe iſt/ nach Zeugnuß deß hocherleuchten
Caſſiani/ eine ſpitzfindige Argliſtigkeit deß boͤſen Feinds/ daß er den Solda-
ten Chriſti mit deſſen eigenen Pfeilen toͤdte/ den er mit ſeinen feindlichen
Waffen nicht hat uͤberwinden koͤnnen.
Hom. 17.
quæſt. 6.
Hiſtoria.
Epiſt. 3.
ad Pro-
bam. c. 15.
L. 11.
Inſtit. c. 7.
4. Zu weiterem Verfolg der angefangenen Rede dienet auch/ was
ein Geiſtreicher Mann laſſet herkommen von zweyen Hahnen; ſo eine
Zeitlang miteinander tapffer gefochten; nachdem aber einer von beyden
den Kuͤrtzer gezogen/ iſt er ſeinem Feind entwiſchet/ und hat ſich verbor-
gen: der ander aber als Obſieger/ iſt in die Hoͤhe geſtiegen/ und hat
mit heller Stimm die Victori geſungen: aber/ aber O wehe! in die-
ſem Freuden-Geſang hat ein vorbey fliegender Adler meinen guten Hah-
nen
Fab.
Conc. 4.
in Feſt. S.
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